Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Abnehmen per App
Diäten funktionieren während der Anwendung – Kann das Smartphone helfen, dauerhaft weniger und gesünder zu essen?
Spaghetti Bolognese oder doch besser Linsen mit Spätzle? Das Mittagsangebot in der Kantine wird rasch mit dem Handy fotografiert. Dann informiert die Ernährungs-App darüber, dass die Spaghetti etwas weniger Kalorien enthalten.
Diese Kalorien werden zu denen vom Frühstück und von der Zwischenmahlzeit addiert. Ein schnell wachsender Balken zeigt an, dass der Tagesbedarf bald gedeckt ist. Für die Einladung zum Abendessen bedeutet das: ist nur drin in Kombination mit einem langen Spaziergang oder mit einer Trainingseinheit im Fitnessstudio. Oder mit einer negativen Rückmeldung, was das selbst gesetzte Kalorienziel betrifft.
Ernährungs-Apps wie Kalorien Check, Yazio oder Snics wollen ihre Nutzer dabei unterstützen, ihr Essverhalten zu ändern. Sie zeichnen die Mahlzeiten auf, bewerten Lebensmittel, übernehmen das Kalorienzählen, dokumentieren Trainingseinheiten und liefern RezeptIdeen. Ob mit kommerziellem Interesse oder wissenschaftlich fundiert: Das Angebot für solche SmartphoneProgramme
am Markt ist inzwischen riesig. Aber taugt es auch etwas?
Das wollte eine Gruppe Wissenschaftler von der Universität Konstanz herausfinden und hat Daten zu rund 30 verschiedenen ErnährungsApps in einer Überblicksstudie ausgewertet. Das Ergebnis: „Die Apps sind wirksam, um Ernährungsverhalten, Körpergewicht oder Blutzucker
Psychologin Karoline Villinger
und Blutfettwerte zu verbessern“, sagt Karoline Villinger, Psychologin an der Universität Konstanz. Allerdings: Das funktioniert nicht allein dadurch, dass man sich ein solches Programm auf sein Handy lädt.
„Ernährungs- und Bewegungsverhalten muss ich natürlich trotzdem noch selbst aktiv ändern. Die Apps helfen lediglich dabei, einen bei diesen Zielen zu unterstützen“, sagt Villinger.
Um den Nutzern zu helfen, wenden die Programme den Wissenschaftlern der Universität Konstanz zufolge vier verschiedene Strategien an: Manche Apps helfen einfach dabei, ein konkretes Ziel, also etwa eine bestimmte Kalorienmenge, zu setzen. Dann wird darüber Buch geführt, ob das Ziel eingehalten wird oder nicht. Andere Anwendungen wiederum erfassen und bewerten das eigene Ernährungs- und Bewegungsverhalten. Über Fotos der Mahlzeiten oder Abscannen von Barcodes beispielsweise kann man mehr über die Zusammensetzung der Nahrung erfahren.
Wieder andere Apps setzen stark auf die soziale Unterstützung. Hier können sich die Nutzer zusammentun, um ihre Ziele gemeinsam zu erreichen und sich gegenseitig zu motivieren. „Und dann gibt es noch die Programme, die vor allem darauf setzen, zusätzliches Wissen rund um Ernährung und Bewegung zu vermitteln“, sagt die Psychologin Karoline Villinger. „Als Nutzer kann ich mich entscheiden, welche Strategie mich am meisten motiviert und danach eine App auswählen. Nur wenn das passt, werde ich sie auch wirklich regelmäßig im Alltag nutzen“, so Villinger weiter.
Genau diesen regelmäßigen Einsatz im Alltag sieht Andreas Fritsche vom Lehrstuhl für Ernährungsmedizin und Prävention der Universität Tübingen kritisch. „Wir beschäftigen uns ohnehin schon viel zu viel mit unserer Nahrung und das kann sich sehr ungünstig auf unser Essverhalten auswirken. Ich kann solchen Apps deshalb nicht viel Positives abgewinnen.“
Einzig für Menschen, die ihre Ernährung aufgrund von Diabetes oder Allergien ohnehin genau im Blick behalten müssen, könne das ständige Protokollieren per Smartphone hilfreich sein.
„Alle anderen dürfen eine solche App natürlich gern mal ausprobieren. Aber ich warne davor, das Handy zum ständigen Essensbegleiter zu machen“, sagt Diabetologe Andreas Fritsche. Der Grund: Bei vielen Menschen, die mit ihrem Gewicht unzufrieden sind, lägen die Ursachen gerade im modernen Lebensstil. Zu viel Stress, zu viele Fertiggerichte, zu wenig Bewegung. „Das wird auch mit noch einer Handyanwendung nicht besser“, sagt Andreas Fritsche.
Ob man nun auf die Unterstützung per App setzen will oder auch nicht: Bleibt die Frage, wie sich Ernährung und Bewegung dauerhaft so ändern lassen, dass die Zufriedenheit mit dem eigenen Gewicht steigt. „Wer dauerhaft etwas ändern möchte, braucht eine dauerhafte Strategie“, sagt Susanne Klaus vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung.
Ernährungs- und Bewegungsverhalten muss ich natürlich trotzdem noch selbst aktiv ändern.
Die klassischen Diäten sind hier schon mal der falsche Weg. Egal ob mittels Intervallfasten, Trennkost oder low carb, das Erfolgsgeheimnis ist immer gleich: die Kalorienzufuhr wird reduziert. „Wer weniger isst, als der Körper verbraucht, nimmt ab. Das funktioniert eigentlich immer“, sagt Ernährungs-Expertin Susanne Klaus.
Das Problem: Diäten werden meist für einige Wochen gemacht, gern während der Fastenzeit. „Danach essen die Leute wie gewohnt weiter und wundern sich, dass sie wieder zunehmen und zwar noch schneller als zuvor“, sagt Ernährungsexpertin Susanne Klaus. Denn der Körper hat sich während der Diät an einen niedrigeren Grundumsatz gewöhnt, braucht also gar nicht mehr so viele Kalorien.
„Die alles entscheidende Frage ist also nicht: Was mache ich für eine Diät?, sondern was mache ich nach der Diät?“, sagt Susanne Klaus vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung. Wie also gelingt es, Ernährungsgewohnheiten grundlegend zu ändern? Wie schafft man es,
Bewegung dauerhaft im Tagesablauf zu integrieren? Woher holt man sich die nötige Motivation?
„Für manche kann es ein Ansporn sein, auf einem Schrittzähler zu sehen, wie viel man sich bewegt hat“, sagt Ernährungsexpertin Susanne Klaus. Anderen hilft es, sich über ein Ernährungstagebuch – egal ob handschriftlich oder digital – ihre Ernährungsweise aufzuschreiben. Wieder andere profitieren vor allem davon, ihre Mahlzeiten frisch zuzubereiten, statt zu Fertigprodukten zu greifen.
Welche Strategie man auch wählt: „Wichtig ist, dass ich mich ganz praktisch und grundlegend mit den Themen Ernährung und Bewegung beschäftige. Denn das ist es, was vielen Menschen heute abhandengekommen ist“, sagt Diabetologe Andreas Fitsche.