Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Überall Flammen, überall Schreie
Nach Flugzeugabsturz bei Karatschi gehen Behörden von 97 Toten aus – Zwei Überlebende
KARATSCHI (AFP/dpa) - Mohammad Zubair ringt nach Worten: „Ich habe meinen Sicherheitsgurt gelöst, Licht gesehen und bin in dessen Richtung gegangen. Dann bin ich rausgesprungen.“Der 24-Jährige und ein weiterer Passagier haben wie durch ein Wunder den Absturz einer pakistanischen Passagiermaschine über einem Wohngebiet der 14-Millionen-Einwohner-Stadt Karatschi überlebt. Alle anderen 97 Insassen des Flugzeugs sind bei dem Unglück am Freitag ums Leben gekommen.
Mohammad Zubair hatte unvorstellbares Glück. Zwar erlitt er Verbrennungen, doch konnte er am Sonntag bereits wieder aus dem Krankenhaus entlassen werden. In einem im Internet veröffentlichten Videobericht noch vom Krankenbett aus schildert er die Minuten nach dem Absturz. „Nach dem Aufprall der Maschine kam ich wieder zu Bewusstsein und sah überall nur Flammen“, so der 24-Jährige. „Überall waren Schreie, jeder versuchte zu überleben.“Dann habe er das Licht gesehen und sich in Bewegung gesetzt. Ein Sprung aus drei Metern Höhe rettete ihn. Außer Mohammad Zubair hat nach Behördenangaben nur der Präsident der Bank von Punjab, Zafar Masud, den Absturz überlebt. Die übrigen 89 Passagiere und die acht Besatzungsmitglieder starben. Mindestens 34 von ihnen wurden laut Gesundheitsministerium der Provinz Sindh bislang identifiziert, mindestens 45 DNA-Proben wurden von Angehörigen genommen. Die Bergungsarbeiten gingen am Sonntag weiter.
Der Airbus A320 der staatlichen Fluggesellschaft Pakistan International Airlines (PIA) mit der Flugnummer
PK8303 befand sich, von Lahore kommend, im Landeanflug auf Karatschi, als offenbar beide Triebwerke ausfielen. Der Pilot konnte noch einen Notruf absetzen, bevor die Maschine in dem Wohngebiet zerschellte und eine Schneise der Verwüstung hinterließ. Inzwischen wurden die Flugschreiber gefunden und den Ermittlern übergeben. Sie könnten Aufschluss über die genaue Absturzursache geben. Obwohl mehrere Gebäude schwer beschädigt wurden, wurde bei dem Unglück am Boden offenbar niemand getötet. Die Behörden sprachen von lediglich acht Verletzten am Boden.
Nach Angaben des Flugzeugbauers Airbus war das verunglückte Flugzeug 2004 in Betrieb genommen und von 2014 an für Flüge der pakistanischen Airline eingesetzt worden. Die Maschine hatte mehr als 47 000 Flugstunden hinter sich. Bei dem Flugkapitän soll es sich um einen erfahrenen Piloten gehandelt haben. Luftfahrtminister Ghulam Sarwar Khan sagte, der Pilot habe „sein Bestes getan“, um noch die Landebahn zu erreichen und das Schlimmste zu verhindern.
Zudem kündigte der Politiker eine Entschädigung für die Hinterbliebenen der Opfer an. Eine Million pakistanische Rupien (umgerechnet rund 5700 Euro) sollen Angehörige neben Versicherungsbeträgen jeweils erhalten. Die beiden Überlebenden bekämen die Hälfte des Betrags. Auch die Anwohner der Absturzstelle, deren Häuser verwüstet wurden, sollen entschädigt werden. Die Regierung versprach eine umfassende Untersuchung: Eine vierköpfige Delegation unter Aufsicht der Luftwaffe werde den Unfall rekonstruieren und erste Ergebnisse innerhalb eines Monats präsentieren.
In Pakistan kommt es immer wieder zu Flugzeug- und Hubschrauberabstürzen. 2016 starben mehr als 40 Menschen, als eine PIA-Maschine im Norden des Landes nach einem Triebwerksschaden in Flammen aufging. Beim bisher schwersten Flugzeugunglück in der Geschichte des Landes kamen im Jahr 2010 152 Menschen ums Leben, als ein Airbus A321 der privaten Fluggesellschaft Airblue beim Landeanflug auf Islamabad in hügeliges Gebiet stürzte. Ein Untersuchungsbericht machte seinerzeit einen Pilotenfehler für den Absturz verantwortlich.
Pakistan International Airlines gehörte bis in die 1970er-Jahre zu den international führenden Fluggesellschaften. Inzwischen leidet die Airline unter häufigen Flugstreichungen, Verspätungen und finanziellen Schwierigkeiten. Negativschlagzeilen machte die Fluggesellschaft auch 2013, als ein PIA-Pilot in Großbritannien kurz vor dem Abflug betrunken aus dem Cockpit geholt werden musste.