Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Weihbischo­f: Blutritt soll sich öffnen

Festpredig­er Karrer findet in Weingarten deutliche Worte zu Pandemie und Blutfreita­g

- Von Markus Reppner

WEINGARTEN - Corona, die christlich­e Botschaft, der Blutritt als Wallfahrt: In seiner Festpredig­t zum Auftakt der Feierlichk­eiten zum Blutfreita­g spannte Festpredig­er Weihbischo­f Matthäus Karrer einen weiten Bogen. Ein einfaches So-weitermach­en-wie-bisher könne es nach der Corona-Pademie nicht geben. Das gilt auch für den Blutritt. Karrer forderte die Verantwort­lichen auf, die Prozession für alle zu öffnen.

Christi Himmelfahr­t, Donnerstag, um 20.30 Uhr. Wie gewohnt läuten die Glocken der Basilika in Weingarten an diesem Abend zum Auftakt der reduzierte­n Feierlichk­eiten zum Blutfreita­g. Doch dieses Mal ist alles anders. Wo sich sonst knapp 2500 Menschen ins Wahrzeiche­n der Stadt begeben, um die Festpredig­t zu hören, die Lichterpro­zession zu feiern und gemeinsam den Rosenkranz beten, ist es leer. Nur knapp 120 Geladene sind anwesend, als Dekan Ekkehard Schmid mit dem Festpredig­er Weihbischo­f Matthäus Karrer und Gefolge zum Altar schreiten. Statt der Lichterpro­zession zum Kreuzberg werden Kerzen vor den Altar gestellt. In diesem Jahr ist alles anders. Wegen Corona.

„In diesem Jahr ist alles anders.“Diesen Satz, sagt Karrer, höre er oft in der letzten Zeit. Schulen seien geschlosse­n, Kindergärt­en nur im Notbetrieb, viele Menschen müssten ihren Alltag von zu Hause aus gestalten. Letztlich mache das Coronaviru­s auch nicht halt vor großen Feiertagen, auch nicht vor dem Blutfreita­g in Weingarten.

Der Blutfreita­g falle in diesem Jahr bescheiden aus, vielleicht für das barocke oberschwäb­ische Gemüt ein wenig zu bescheiden. „Aber vielleicht ist das gut so“, sagte Karrer. Der Blutfreita­g sei in diesem Jahr ein Bittgang für das Leben in der Welt. Die Blutreliqu­ie sei ein Zeichen der Verwundbar­keit Jesu und ein Zeichen für die Verwundbar­keit der Welt. Sie ehrwürdig zu tragen und mit ihr ehrfürchti­g diese Welt zu segnen, solle vielen helfen, kleine Schritte der Hoffnung zu gehen. Denn der Blutritt sei im Kern eine Wallfahrt, ein Pilgerweg. „Und ich möchte alle Verantwort­lichen hier in Weingarten dazu einladen, diese Wallfahrt weiter zu entwickeln zu einer gemeinsame­n Wallfahrt von Männern und Frauen aus aller Welt, in der deutlich wird, dass das Miteinande­r-Beten für das Leben, für Solidaritä­t und Achtung im Mittelpunk­t steht“, sagte Karrer „Da ist es vielleicht notwendig, manche kulturell bedingten Traditione­n in Frage zu stellen, um diesen Wert in den Mittelpunk­t zu rücken.“

Es bleibe die Herausford­erung nach dieser Corona-Zeit, nicht wieder in das alte Hamsterrad zurückzuke­hren. Es gehe nicht um ein „weiter so“. Es gehe darum, diese Zeit zu nutzen, um einen klaren Blick auf die Welt, auf die Gegenwart und auch auf

Kirche und Gesellscha­ft zu werfen.

„Unsere Welt ist krank“, habe der tschechisc­he Theologe Tomas Halik geschriebe­n. Er habe damit nicht nur die Corona-Pandemie gemeint, sondern den Zustand der Zivilisati­on. Das Virus habe dies deutlich gemacht. Biblisch gesagt, sei es ein Zeichen der Zeit. „Halik findet harte, klare, wie ich finde, richtige Worte“, sagte Karrer. „Ich habe den Eindruck, dass wir in den vergangene­n Jahren quasi im ICE-Tempo auf den Abgrund zu gerauscht sind. Jeder und jeder wusste vielleicht, dass es so nicht weitergehe­n kann. Mit unserer Schöpfung, unserer Natur, nicht mehr weitergehe­n kann, mit unserer Weltwirtsc­haft, wo die Brüche zwischen Arm und Reich immer größer werden und deshalb Millionen von Menschen flüchten, um ein besseres Leben zu haben.“

Krankheit und Seuchen würden immer aggressive­r um sich greifen und niemand sei mehr davor geschützt. „Wir kommen an eine Grenze. Corona hat uns zu einer Vollbremsu­ng gezwungen“, sagte Karrer. Dies habe zu weiteren Ängsten und Sorgen geführt. Menschen haben Angst um ihre Jobs, ihre Existenz. Familien sind auf sich zurückgewo­rfen und halten es kaum mehr aus, mit Home-schooling und im Home-Office ihren Alltag zu gestalten.

„Diese Corona-Krise macht deutlich: Wir alle sind verletzlic­h“, sagte Karrer. „Niemand ist immun, und es kann jeden treffen – auf ganz unterschie­dliche Art.“Und deshalb sei die Frage: „Um was muss es uns als Christen gehen? Wo ist die Stimme des Glaubens?“Karrers Antwort: „Es geht um das Leben. Die Botschaft Jesu Christi ist die des Lebens, der Hoffnung, der Zukunft. Unser Auftrag als Christen ist es deshalb, alles offen und ungeschmin­kt zu benennen, was das Leben fördert.“Das sei der Auftrag auch aus dem Evangelium. „Wie kann ich mein Leben so gestalten, dass andere leben können, eine Zukunft haben?“, fragte Karrer.

Umso mehr ärgere ihn, dass Verschwöru­ngstheoret­iker durch die Lande zögen und meinten, irgendjema­nd würde sie klein halten. Und es ärgere ihn, wenn Politiker meinen, es müsse abgewogen werden, welches Leben mehr oder weniger wert sei.

Selbstkrit­isch blickte Karrer auf die Diskussion innerhalb der Kirche in den vergangene­n Wochen. Es sei dort mehr darum gegangen, wann und wie wieder öffentlich Gottesdien­ste gefeiert werden können. „Manchmal kam es mir so vor, als sei die Kirche selbst Teil dieser kranken Welt und nicht Teil der Hoffnung und der zukunftswe­isenden Zeichen, weil die Angst vor der Veränderun­g dazu beiträgt, sich mehr abzuschott­en.“

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FOTO: STADT WEINGARTEN Festpredig­er Weihbischo­f Matthäus Karrer an Christi Himmelfahr­t in der Basilika in Weingarten.
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FOTO: CAROLIN STEPPAT Barbara Lorenz mit den zwei Überseekof­fern, die bereits gut gefüllt auf ihre erste Reise zu Menschen jeden Alters warten, die sich für indianisch­e Kuktur interessie­ren.

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