Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
„In der Mode ist fast alles erlaubt“
Vanessa Höss bleibt als erste Frau drei Jahre Lindenberger Hutkönigin – wegen Corona
LINDENBERG - Das hat es in Lindenberg noch nie gegeben: Vanessa Höss ist die erste Hutkönigin, die statt zwei, drei Jahre im Amt bleibt. Wegen des Coronavirus fallen heuer jegliche Feste in der Stadt aus, unter anderem auch der Huttag. Im Mai hätte die 26-jährige BWL-Studentin ihr Amt eigentlich an eine neugewählte Hutkönigin abgegeben. Auch den Ausweichtermin am 12. Juli hat die Stadt inzwischen abgesagt. Die derzeitige Hutkönigin zieht Bilanz nach zwei Jahren im Amt und erzählt im Gespräch mit Daniel Boscariol von ihrer persönlichen Corona-Situation.
Frau Höss, wie sieht denn Ihr Alltag als Hutkönigin in Corona-Zeiten aus?
Weil keiner meiner Termine stattfindet, relativ unspektakulär. Alle Feste und Veranstaltungen sind abgesagt, was an sich ja auch gut ist. Der letzte Termin war die Grüne Woche in Berlin im Januar. Der Februar ist ohnehin aber relativ ruhig als Hutkönigin. Im März hätte ich noch einen Termin mit Allgäu TV gehabt. Den habe ich dann aber wegen der Corona-Krise abgesagt.
Und wie sieht Ihr Alltag als Vanessa Höss aus?
Eigentlich ändert sich wegen meines Fernstudiums gar nicht viel. Da sowieso das meiste online stattfindet und nun auch die Klausuren. Aber meine Familie konnte ich in der letzten Zeit nicht so oft sehen. Das war schon schwierig.
Sie von der Entscheidung?
Ich finde es gut, dass die Stadt nicht auf Biegen und Brechen versucht hat, jemand Neues zu wählen. Ich glaube, es haben sich auch nicht viele als neue Hutkönigin beworben. Die Menschen haben derzeit einfach nicht den Kopf dafür – weder für den Huttag, noch für die Wahl einer neuen Hutkönigin.
Was nehmen Sie sich für Ihr drittes Jahr im Amt vor?
Es fällt mir schwer, mir derzeit etwas vorzunehmen. Das Jahr steht seit ein paar Monaten praktisch still. Auch für mich in diesem Amt. Zum Beispiel Bezirksmusikfeste oder das Käsefest sind Termine, die jetzt leider ausfallen. Aber sobald die Normalität halbwegs wie vor Corona zurück ist, möchte ich unbedingt wieder solche Veranstaltungen wahrnehmen. Das Problem ist nur, dass ich derzeit nicht weiß, wie all das weitergeht – und wann. So geht es, glaube ich, gerade den meisten Menschen.
Sie müssen ja quasi als Hutkönigin weitermachen – und Sie wollen das offenbar auch. Was gefällt Ihnen an diesem Amt?
Ich lerne zum einen viele nette, interessante Menschen kennen, von denen ich so akzeptiert werde, wie ich bin. Aber für mich ist es immer am schönsten, wenn mich junge Mädchen, beispielsweise in Lindenberg, bewundern und mich als Vorbild sehen. Viele junge Menschen tragen ja wieder Hut. Für mich war es selbst ein Kindheitstraum, später einmal Hutkönigin zu werden. Ich kann außerdem selbst Hutkreationen entwerfen und viele ausgefallene Kreationen präsentieren, sowie Terminschwerpunkte setzen.
Welche Terminschwerpunkte?
Während sich eine meiner Vorgängerinnen beispielsweise mehr für Musikveranstaltungen interessiert hat, kann ich mich eher auf regionale Termine wie Vereinsfeste konzentrieren. Ich komme aus Lindenberg und habe dadurch mehr Kontakte hier im Westallgäu. Mir ist es wichtig, solche Termine wahrzunehmen und die eigene Heimat damit zu unterstützen und zu bewerben. Ich kann mich glücklicherweise frei organisieren.
Wie fällt die Bilanz für das zweite Jahr in diesem Amt aus?
Wirklich Negatives ist nicht passiert. Es war im vergangenen Jahr teilweise etwas schwierig, sich zwischen mehreren Terminen zu entscheiden. Ansonsten war das Jahr normal: Der Winter ist immer relativ ruhig, die Saison wäre für mich ja erst jetzt so langsam richtig losgegangen.
Mundschutz und Hut. Funktioniert diese Kombination?
Ich finde das ziemlich interessant: Viele Hutmacher und Modistinnen greifen den Mundschutz nämlich seit der Krise auf und haben angefangen, ihn selbst zu nähen. Da habe ich schon entdeckt, dass jemand passend zum Hut auch den Mundschutz entsprechend gestaltet hat. Die Kombination kann also sehr gut funktionieren.
Und was für Kombinationen mögen Sie persönlich?
Es ist praktisch, wenn man Farben, die irgendwo im Outfit vorkommen, auch beim Mundschutz wieder aufgreift. Dann wird das Outfit nicht zu bunt. Aber da sind keine Grenzen gesetzt: In der Mode ist fast alles erlaubt. Jeder entwickelt und entdeckt etwas Neues – auch ich lass’ meiner Fantasie also freien Lauf.
Bei der Kommunalwahl 2020 haben Sie sich ja für die Freien Wähler für den Lindenberger Stadtrat beworben. Sind Sie sehr enttäuscht, dass das nicht geklappt hat?
Richtig enttäuscht bin ich nicht, die Zeit vor der Wahl war einfach superspannend. Mir war es ein Anliegen, mich weiter für die Stadt auch nach meiner Amtszeit als Hutkönigin einzusetzen. Dass ich jetzt noch ein weiteres Jahr im Amt bleibe, wusste ich ja zu dem Zeitpunkt noch nicht. Den Wahlausgang an sich finde ich gut, wir haben eine gute Wahl für den Stadtrat getroffen. Ich habe mich darauf eingelassen und bin nicht sofort davon ausgegangen, dass ich es auch in dieses Gremium schaffe.