Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Ergreifender Liedgesang von jungen Künstlern
Drei Interpreten des Opernstudios der Bayerischen Staatsoper gastierten im Isnyer Refektorium
ISNY – Dass gute Liedsängerinnen und Liedsänger auch gute Opernsängerinnen und Opernsänger sind, das hat der Freitagabend im Refektorium mehr als gezeigt. Mit der Sopranistin Sarah Gilford, dem Bariton Andrew Hamilton und Michael Pandya am Klavier waren drei Interpreten vom Opernstudio der Bayerischen Staatsoper auf Einladung des „Fördervereins Kunst und Kultur im Schloss Isny“angereist. Mit Liederzyklen von Franz Schubert und Richard Strauss, Francis Poulenc und Ralph Vaughan Williams und einem enorm breit angelegten stimmlichen Spektrum.
Rund 600 Lieder hat Schubert während seiner nur 31 Lebensjahre geschrieben. Und das neben all den anderen großen Werken. Das bis dahin vorherrschende Volkslied habe er revolutioniert, es auf ein anderes Level gebracht, stimmte Tobias Truniger, musikalischer Leiter des Opernstudios, das Publikum auf den 90-minütigen Abend ein. Rund 20 Besucher in den gebotenen Sitzplatzabständen nahmen die Gelegenheit wahr zu lauschen.
Der aus Wales stammende Brite Andrew Hamilton machte den Auftakt mit Liedern aus Schuberts „Schwanengesang“, seinem letzten großen Werk im Todesjahr 1828. Drängend und stürmisch hob Hamiltons
Bariton zu „Frühlingssehnsucht“auf einen Text von Ludwig Rellstab an. Augenblicklich war klar, dass diese Stimmgewalt für die Opernbühne gemacht ist. Hierzu umfasst sein Repertoire Auftritte in „Don Giovanni“, „Hamlet“oder „Ein Sommernachtstraum“. Um das Ausfeilen kleiner Details im Stimmverhalten gehe es dem Opernstudio, erklärte Truniger. Das brachten Hamilton und die aus Cardiff stammende Gilford zum Ausdruck.
Gesanglich ebenso wie mimisch und gestisch, wenn Letztere zu Poulencs „Fiançailles pour rire“anhebt und damit eine entgegengesetzte Klangwelt zu Schubert abbildet. Beinahe dadaistisch sprudeln die Texte in hohem, quirligem Tempo aus Gilford heraus. Schwelgerisch und genießerisch gibt sie sich in dem Stück „Violon“, während ihr Sopran in „Il vole“sämtliche Register zieht, die sprunghaft ineinanderfließen und die Tempi wie im Fluge wechseln.
Am Klavier hat der im englischen Harlow geborene Michael Pandya Platz genommen. Sein Auftritt als Liedbegleiter fasziniert vom ersten Moment an. Seine Interpretation Schubertscher Todessehnsucht und Verzweiflung, wie sie sich in den düsteren, mystisch gefärbten Stimmlagen von „Kriegers Ahnung“oder in „Der Doppelgänger“offenbaren, beweist ein elementares Feingefühl. Viel Charisma brachten die drei Interpreten
mit nach Isny, und eine sängerische Wucht, die es verstand, Nuancen jeglicher Couleur auszuloten. Auch sprachlich, sei es in deutschen oder französischen Texten.
Dass Hamilton im Englischen zu Hause ist, versteht sich dabei von selbst, wenn er sich Liedern von Vaughan Williams, Robert Quliter oder Henry Howells zuwendet. England, das im Mittelalter und in der Renaissance eine große Liedtradition hatte, konnte während der Romantik so gut wie nichts vorweisen. Erst wieder mit dem beginnenden 20. Jahrhundert traten Oratorien und Chöre hervor. Chorisch artikuliert tönte dann auch Hamiltons „King David“, wonach er beinah draufgängerisch zu Michael Heads „When I have Money“überwechselte.
Das Finale bestritt Gilford mit Liedern von Richard Strauss. Toll komponiert für Frauen, speziell für die eigene namens Pauline, die selbst Sängerin war, so Truniger.
Wunderbar ist es, Gilford zuzuhören und zuzusehen, wie sie in „Schlechtes Wetter“, „Einerlei“oder „Muttertändelei“eine berückende Bildsprache entwickelt, die heiter und sentimental klingt, die zum Schmunzeln über Hintersinniges verleitet, die sich operettenhaft gibt von melodramatisch bis lustvoll – eine stimmliche Palette, die bisweilen Gänsehautrieseln auslöst.