Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Mit neuen Teilen und Apps aus der Krise
Für die Automobil-Zulieferer geht es nicht nur wegen Corona um ihre Zukunft
RAVENSBURG - Sinkende Gewinne, hohe Investitionen in neue Technologien und dann auch noch die Corona-Krise: Die Sorgen der AutomobilZulieferer sind derzeit groß. Sie stehen vor einem Transformationsprozess, den es zu bewältigen gilt, wenn der Standort Baden-Württemberg erhalten bleiben soll, an dem Hunderttausende Arbeitsplätze hängen – darin sind sich die Teilnehmer des diesjährigen Zulieferertags der baden-württembergischen Automobilwirtschaft einig gewesen. Weniger einig waren sich die Akteure aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik, wie dieser Wandel zu bewältigen sei – und wie die Erfolgsaussichten für die Branche im Südwesten sind.
Fest steht: Die Zulieferer hatten auch schon vor der Pandemie Probleme. „Viele sagen, Corona wirkt wie eine Art Brandbeschleuniger“, sagte Baden-Württembergs Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU). Schon vor der Krise wurden weniger Autos mit Verbrennungsmotoren verkauft, der Trend geht zum E-Auto. Hoffmeister-Kraut betonte aber, dass das Ziel nicht sei, sich nur auf die E-Mobilität zu konzentrieren: „Wir setzen uns klar für einen technologieoffenen Ansatz der verschiedenen Antriebsformen ein. Neben Strom müssen wir auch Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe nutzen.“Doch die zentrale Frage vieler Firmen lautet trotzdem: Wie können sie sich umstellen, um auf dem Markt künftig eine Rolle zu spielen?
Eine mögliche Antwort lieferte Janna Hofmann, Ingenieurin für Elektromobilität am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Hofmann und ihr Team wollen mit dem Projekt „Fit4E“Zulieferern den Einstieg in Technologien des E-Autos erleichtern. Gemeinsam mit den Unternehmen gleichen sie bereits vorhandene Kompetenzen in der Fertigung mit den neuen Prozessen des Elektroantriebes ab, sei es bei der Batterie oder beim Motor. „Bei vielen Schritten merken die Firmen oft: Das können wir ja schon“, sagte Hofmann.
Doch damit allein ist es für die Zulieferer nicht getan. Laut Engelbert Wimmer, Chef des Automobilberaters E & Co., müssen die Unternehmen vor allem bei der Digitalisierung Gas geben. Es brauche mehr Innovationen, etwa beim autonomen Fahren. „Die Gestaltungsimpulse fehlen mir da bisher stark. Das geht höchstens mal bis zu einem Prototyp, der gebaut wird“, sagte Wimmer. Wichtig ist dabei auch die Software, wie Franz Loogen von der Landesagentur e-mobil BW betonte. Die Firmen lieferten heute zwar Teile – doch zukünftig müssten sie auch die passenden Software-Applikationen anbieten. Das werde in der Fahrzeugelektronik von entscheidender Bedeutung sein. „Die Frage ist: Schafft es der, der das Gestell oder den Fensterheber baut, auch die App dazu zu programmieren – oder überlässt er das den amerikanischen Softwarekonzernen?“, so Loogen.
Laut Engelbert Wimmer ist außerdem der Kostendruck für die Zulieferer ein Problem. Um international wettbewerbsfähig zu bleiben, seien die Personalkosten viel zu hoch, weshalb seiner Prognose nach viele Jobs in den nächsten Jahren wegfallen werden: „In Deutschland werden etwa 200 000 der 800 000 Beschäftigten der Autoindustrie abgebaut werden. Das ist das Zehnfache der Stellen, die beim Wandel in der Kohleindustrie weggefallen sind.“Eine Zukunft, die es zu verhindern gilt, wenn es nach Kai Burmeister, Gewerkschaftssekretär bei der IG Metall Baden-Württemberg geht: „Manche Unternehmen wollen den Wandel nutzen, um sich vom Standort BadenWürttemberg zu verabschieden“, so Burmeister, „dabei ist es wichtig, dass die Transformation zusammen mit den Beschäftigten gestaltet wird – niemals gegen sie.“Sonst, so der Gewerkschafter, werde man den Wohlstand im Land verlieren.