Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Auch die Maskenpflicht soll ins Gesetz
Union und SPD wollen das Infektionsschutzgesetz ändern – Was zu erwarten ist
BERLIN - Immerhin: Die Bevölkerung weiß die Politik noch auf ihrer Seite. Laut aktuellem ARD-Deutschlandtrend stehen 80 Prozent der Befragten hinter den Corona-Beschränkungen. Im Detail sehen die Ergebnisse allerdings nicht so rosig aus. Dass Restaurants geschlossen wurden, befürworten beispielsweise nur noch 40 Prozent. Vielleicht war es dieses Wissen um die Kritik an einzelnen Punkten, das Politiker von Union und SPD angetrieben hat, das Infektionsschutzgesetz zu ergänzen. Neu ist der Paragraf 28a, in dem nun Ziffer für Ziffer aufgelistet wird, welche Schutzmaßnahmen „für die Dauer der Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“angeordnet werden können. Der Gesetzentwurf wurde am Freitag erstmals vom Bundestag beraten und stand parallel dazu auch auf der Tagesordnung im Bundesrat. Es pressiert offensichtlich – bereits in zwei Wochen soll das Gesetz verabschiedet werden, wofür eigens eine Sondersitzung der Länderkammer anberaumt wird. Die wichtigsten Fragen zu dem Gesetzesvorhaben:
Was bringt der Entwurf Neues?
In der Neufassung des Infektionsschutzgesetzes wird sehr viel detaillierter darauf eingegangen, welche Maßnahmen von den Ländern angeordnet werden können, um die Corona-Pandemie einzudämmen. Dazu gehören zum Beispiel die Maskenpflicht, Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen, die Schließung der Gastronomie, Beherbergungsverbote, Einschränkungen im Kultur-, Sport- und Freizeitbereich, Reisebeschränkungen und Alkoholverbote. All das haben die Länderchefs zwar in der Vergangenheit auch immer wieder angeordnet, doch mit der Dauer der Pandemie nahmen die Fragen nach der Verhältnismäßigkeit dieser Eingriffe in die Grundrechte und auch die Klagen dagegen zu. Das neue Gesetz soll mehr Rechtssicherheit bringen, indem die einzelnen Schutzmaßnahmen präzisiert werden – auch im Hinblick auf „Dauer, Reichweite und Intensität“.
Stehen alle Fraktionen im Bundestag hinter dem Vorhaben von Union und SPD?
Nicht so ganz – dies zeigte die Debatte am Freitag. Die Ziele der Oppositionsparteien sind freilich recht verschieden. Während die Linken-Politikerin Susanne Ferschl monierte, dass die Parlamente in der CoronaKrise viel zu wenig gehört würden, kritisierte die AfD, dass die Beschränkungen nicht verhältnismäßig und wirtschaftsschädlich seien. Die Neufassung des Gesetzes „rechtfertigt beispiellose Einschränkungen der persönlichen Freiheit“, sagte der Abgeordnete Detlev Spangenberg. FDP-Chef Christian Lindner zweifelte die Notwendigkeiten von Corona-Einschränkungen zwar nicht im Grundsatz an, die Gesetzesvorlage sei allerdings ein „rechtspolitisches Feigenblatt“, um bereits getroffene Entscheidungen nachträglich zu legitimieren. „Das ist ein Freifahrschein für Grundrechtseingriffe und Freiheitseinschränkungen, den sie sich ausstellen wollen“, sagte Lindner. Auch die Grünen-Abgeordnete Manuela Rottmann kritisierte, dass in der Neufassung des Gesetzes die Parlamente nicht ausreichend berücksichtigt würden.
Was ist dran an der Kritik der Opposition?
Tatsächlich sieht die Reform des Infektionsschutzgesetzes keine weitere Beteiligung der Parlamente vor, wenn es um die Verordnung einzelner Maßnahmen geht. Auch der Bundestag hat, wenn er das Gesetz erwartungsgemäß verabschiedet hat, keine weiteren Mitsprachemöglichkeiten mehr. Die SPD möchte allerdings noch durchsetzen, dass es einen Zustimmungsvorbehalt des Parlaments bei allen Rechtsverordnungen auf Bundesebene geben soll, „die wesentlich in die Grundrechte der Bürger eingreifen“. Dass die Länderparlamente in der Corona-Krise zu wenig zu sagen haben, hat auch in Baden-Württemberg und Bayern bereits zu heftigen Debatten geführt. Die grün-schwarze Landesregierung im Südwesten hatte darauf bereits im
Sommer reagiert und dem Parlament mehr Rechte eingeräumt.
Welche der geplanten Änderungen betreffen den einzelnen Bürger?
Eltern erhalten bis Ende März 2021 weiterhin einen Verdienstausfall, wenn ihr Kind wegen einer Schulschließung zu Hause betreut werden muss. Dies gilt künftig auch für den Fall, das ein Kind in Quarantäne muss, aber die Schule weiterhin offen ist. Hingegen bekommen Urlaubsreisende, die aus einem Risikogebiet zurückkehren, in der Quarantäne keinen Verdienstausfall mehr. Gesundheitsminister Jens Spahn kündigte in der Bundestagsdebatte am Freitag auch an, dass Rückkehrer künftig auch ihren Aufenthaltsort in den zehn Tagen vor und nach der Rückkehr übermitteln und ihre Einreise anmelden müssen. Auch Tests und Impfungen werden in dem Gesetzentwurf behandelt: Künftig sollen bei Bedarf veterinärmedizinische Labore Test auswerten dürfen, zudem sollen Schnelltests auch von nicht-medizinischem Personal angewendet werden können. Und wenn es einen Impfstoff gibt, sollen das schützende Serum auch Menschen ohne Krankenversicherung bekommen.