Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Zurück im harten Krisenmodus
Nach einem recht ruhigen Sommer wirft das Coronavirus Deutschland zurück – aber vieles ist anders als im Frühjahr
BERLIN - Im Sommer schien die erste Corona-Welle fast vergessen. Nun rollt die zweite Welle, erneut sind Kultur und Restaurants geschlossen und weitere Verschärfungen drohen. Sind wir gar nicht vorangekommen?
Impfstoffe: Der größte Unterschied zum Frühjahr ist, dass Impfstoffe zum Greifen nah sind. Zunächst hatten vor gut einer Woche das deutsche Unternehmens Biontech und sein Partner, der US-Konzern Pfizer, bekannt gegeben, dass ihr Impfstoff eine Wirksamkeit von 90 Prozent habe. Dann teilte die US-Firma Moderna am Montag mit, dass ihr Impfstoff eine Wirksamkeit von 94,5 Prozent besitze. Beide hoffen auf eine schnelle Zulassung. Sind die Impfstoffe lieferbar, sollen die Impfungen vorrangig in 60 Impfzentren durchgeführt werden. Diese sollen bis Mitte Dezember einsatzbereit sein. Laut Gerald Haug, Präsident der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, müssen sich 70 Prozent der Menschen impfen lassen, um eine hohe Wirksamkeit zu haben. Allerdings wird es eine Weile dauern, bis ein nennenswerter Anteil der Bevölkerung immunisiert werden kann. Im Gegensatz dazu sind noch keine echten Covid-19-Medikamente in Sicht.
Tests: Laut dem Verband der Akkreditierten Labore wurden in der Kalenderwoche zwölf, also Mitte März, 267 100 Tests ausgewertet. In der Kalenderwoche 45 dagegen, Anfang November, wurden 1,446 Millionen durchgeführt – mehr als das Fünffache. Dabei hat sich auch die Zahl der positiven Tests deutlich verändert. Ende März waren laut Robert-KochInstitut (RKI) 8,7 Prozent der Getesteten mit Corona infiziert. Dieser Wert sank danach deutlich ab. Mitte Juli hatten nur 0,6 Prozent der Getesteten Corona. In der ersten Novemberwoche dagegen lag die Zahl bei 7,9 Prozent. Die hohe Zahl an entdeckten Neuinfektionen hat also längst nicht nur mit den vielen Tests zu tun.
Das RKI meldete am Dienstag 14 419 neue Infektionen – knapp 1000 Fälle weniger als vor einer Woche. Damit liegen die Zahlen aktuell unter der Marke von 20 000, die in der zweiten Welle mehrfach überschritten wurde. Der Höchststand war am
Freitag mit 23 542 Fällen erreicht worden. Unklar ist jedoch, ob sich daran eine Trendwende ablesen lässt. Der Verband der Akkreditierten Labore in der Medizin weist auf Tagesschau.de darauf hin, dass die Zahl der CoronaTests in der 46. Kalenderwoche (9. bis 15. November) um 12,3 Prozent unter der Vorwoche lag. Der Rückgang der Tests sei also deutlich größer als der Rückgang der Neuinfizierten.
Der Maximalwert der ersten Welle hatte am 28. März bei 6294 Infektionen gelegen.
Schutzausrüstung: Hier veränderte sich die Lage komplett. Im Frühjahr waren in Kliniken und Praxen viel zu wenig Schutzkleidung und Masken vorrätig. Nachbestellen wurde quasi über Nacht unmöglich – oder sehr teuer. Als dann Experten und Politiker, die zunächst Masken für den Normalbürger für unnütz erklärt hatten, ihre Meinung umstießen, ging das große Nähen los, um an Alltagsmasken zu kommen. Mittlerweile gibt es Produzenten für Hochsicherheitswie für Alltagsmasken ohne Ende.
Sterblichkeit: Laut dem Register der Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin sterben 22 Prozent der Covid-19-Patienten, die auf eine Intensivstation kommen – bisher waren das 5886. Angesichts von 815 746 nachgewiesenen Infektionen und 12 814 Todesfällen mit dem Virus gibt es eine Sterblichkeit von 1,57 Prozent. Da es eine Dunkelziffer gibt, dürfte der Wert der Toten bezogen auf alle Infizierten allerdings niedriger liegen. Um daher abzuschätzen, wie tödlich eine Krankheit tatsächlich ist, wird die Übersterblichkeit herangezogen, man schaut, wie viele Menschen normalerweise sterben würden. So kam das RKI für die schwere Grippesaison 2017/18 auf 25 100 Tote, obwohl es nur 1700 laborbestätigte Fälle gab. Das Statistische Bundesamt hat gerade erste Corona-Daten bekannt gegeben. Danach gab es von Ende März bis Anfang Mai „deutlich erhöhte Sterbefallzahlen im Vergleich zum Durchschnitt der Jahre 2016 bis 2019“. In der 15. Kalenderwoche (6. bis 12. April) war die Abweichung mit 14 Prozent am größten. Danach normalisierte sich das Geschehen. Im September lagen die Zahlen dann fünf Prozent höher.