Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Gaming-Branche profitiert vom Lockdown
Fulminanter Verkaufsstart für Sonys Playstation 5 erwartet – Immer mehr Erwachsene kaufen Videospiele
BERLIN - Der Verkaufsstart der fünften Generation der Videospielkonsolen von Sony soll dem ohnehin boomenden Spielegeschäft einen zusätzlichen Schub geben. Ab Donnerstag geht die neue Playstation in den Handel – was aber nicht bedeutet, dass interessierte Kunden sie einfach so kaufen können. „Wir werden mit dem Verkaufsstart der neuen Konsole zunächst mit der Auslieferung ausschließlich an die Vorbesteller beginnen“, sagt eine Sprecherin der Elektroketten Mediamarkt und Saturn. Denn die Fans haben den Handel schon vor Wochen mit einer Welle von Reservierungsanfragen für die Geräte eingedeckt.
Bis Ende März will Sony weltweit 7,6 Millionen Exemplare der Playstation 5 verkaufen. Das Unternehmen rechnet mit einem stärkeren Verkaufsstart, als ihn seinerzeit die Playstation 4 erlebt hat. Auch künftig, in dem gesamten rund siebenjährigen Lebenszyklus der Konsole, soll sie das Vorgängermodell übertreffen. Die Messlatte hängt hoch: Sony hat bisher 114 Millionen Stück der PS4 verkauft. Die deutschen Händler schließen sich dabei der Erwartung eines starken Starts an. „Die Playstation 5 wurde durch unsere Kunden im Zuge der Vorbestellwellen stark nachgefragt“, so die Sprecherin von Mediamarkt-Saturn.
Die PS5 bietet – wenig überraschend – noch bessere Grafik und ermöglicht noch aufwendigere und realistischere Spiele als ihre Vorgänger. Zusammen mit den neuen konkurrierenden Konsolen von Microsoft unter der Marke Xbox handelt es sich um die aktuelle Generation der reinen Spielmaschinen. Die vergleichbar starke Xbox Series X ist seit November auf dem Markt. Ob es vor Weihnachten möglich sein wird, eine der begehrten Unterhaltungsmaschinen zu ergattern, ist fraglich. „Wir arbeiten daran, um vor Weihnachten erheblichen Nachschub in den Handel zu bringen“, sagt Jim Ryan, Chef der Videospielsparte von Sony, dem britischen Sender BBC. Viele Kunden werden aber dennoch leer ausgehen: Es sei eine „verblüffende“Zahl von Vorbestellungen eingegangen – und die Pandemie erschwere die Produktion und Auslieferung zusätzlich.
Corona beschert dem Unternehmen fast sicher einen zusätzlichen Nachfrageschub. „Die Nutzer von Computer- und Videospielen haben ihr Spielverhalten seit Ausbruch der Corona-Pandemie und den damit verbundenen Einschränkungen deutlich intensiviert“, vermerkt der Digitalverband Bitkom. Mehr als jeder Zweite unter ihnen gebe in einer aktuellen Umfrage an, wegen der Einschränkungen mehr zu spielen. Lagen die durchschnittlichen Ausgaben pro Monat vor Corona bei 15 Euro, liegen sie nun 60 Prozent höher, bei durchschnittlich 24 Euro, so der Verband.
Die Absatzzahlen in diesem Jahr sollen die Vorhersagen aus der Zeit vor der Pandemie daher noch einmal deutlich übertreffen. Die Marktforschungsfirma NewZoo schätzt den gesamten Absatz in diesem Jahr auf 160 Milliarden Dollar, knapp zehn Prozent mehr als im Vorjahr. Diese Zahl betrifft alle Plattformen und Kategorien, also auch PC- und
Handyspiele. Im Jahr 2016 hat das Unternehmen für 2020 nur einen Umsatz von 90 Milliarden Dollar angenommen. Die Realität läuft also selbst optimistischen Prognosen davon. Schon längst liegen die Einnahmen mit Videospielen weit über denen mit Filmen. Durch Corona dürfte die Lücke noch größer werden.
Es ist jedoch nicht nur die Pandemie, die den Anbietern von Videospielen auftrieb gibt. „Gaming ist in der Mitte der Bevölkerung angekommen“, beschreibt die Sprecherin von Media Markt die Beobachtungen des großen Anbieters. Es handele sich um ein absolutes „Trendthema“.
Die Statistik bestätigt die Wahrnehmung des Händlers: Während in früheren Jahrzehnten Erwachsene kaum gespielt haben, zockt heute den Bitkom-Zahlen zufolge jeder Dritte der 50- bis 64-Jährigen. Frauen haben mit Männern praktisch gleichgezogen. Zwei Drittel der 30- bis 49Jährigen spielen heute zumindest gelegentlich. Das erklärt zum Teil auch die Umsatzanstiege in der Branche: Die Erwachsenen haben eine größere Kaufkraft als Kinder und Jugendliche, und bezahlen eher den Vollpreis für ein Premium-Spiel. Es kann sie auch keiner daran hindern, Geld für kleine Vorteile in Online-Spielen zu verpulvern.
In diese Trends hinein folgt nun das erste Weihnachtsgeschäft für die neue Playstation und die neue Xbox. Beide Konsolen kosten in der voll ausgestatteten Version 499 Euro, wobei es günstigere Varianten gibt, die kleine Einschränkungen haben. Die
Playstation gibt es beispielsweise in einer rein digitalen Version für 399 Euro. Hier ist kein Laufwerk mehr enthalten, sodass alle Spiele im Netz zu kaufen sind. Damit entfällt die Möglichkeit zum Weiterverkauf ausgespielter Titel – und es lassen sich keine Schnäppchen am Gebrauchtmarkt machen.
Insgesamt steuert die Spieleindustrie derzeit ohnehin in die Richtung, Abo oder Netz-Dienste anzubieten, statt Spiele zu verkaufen. Vorbild ist Videostreaming auf Diensten wie Netflix und andere Bereiche der Softwareindustrie. Für die Anbieter bedeutet das ein gleichmäßigeres Einkommen. Die Kunden zahlen dagegen vermutlich im Vergleich zum bisherigen Kaufmodell drauf - dafür steigt die Vielfalt.