Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Fahrerlos in die Zukunft

ZF Friedrichs­hafen beteiligt sich an Forschungs­projekt für selbstfahr­ende Shuttles

- Von Florian Peking

FRIEDRICHS­HAFEN/STUTTGART Busfahren macht, gerade auf dem Land, meist wenig Spaß. Wenn man Glück hat, fährt der Bus einmal pro Stunde in die Stadt – das Auto ist deshalb für viele die schnellere und bequemere Alternativ­e. Dass es aber auch ganz anders gehen könnte, will Torsten Gollewski beweisen. Er ist Leiter des Bereichs Autonome Mobilitäts­systeme bei ZF Friedrichs­hafen und entwickelt mit seinem Team autonom fahrende Shuttles, also Minibusse, die sich ohne Fahrer selbststän­dig fortbewege­n. „Die Mobilität wird sich in Zukunft grundlegen­d verändern. Und autonome Shuttles haben da ein großes Potenzial“, so Gollewski im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Im Rahmen des Forschungs­projekts „RABus“, an dem neben ZF auch regionale Verkehrsbe­triebe sowie das Karlsruher Institut für Technologi­e (KIT) mitwirken, werden die Shuttles unter realen Bedingunge­n auf Teststreck­en in Friedrichs­hafen und Mannheim eingesetzt. Das Ziel: Akzeptanz und Nutzung des neuartigen ÖPNV-Konzepts erproben.

Die kompakten, sechs Meter langen Shuttles stammen von der ZFTochter 2getthere – und sind vollgepack­t mit Technik und Know-how des Friedrichs­hafener Unternehme­ns: Sensorik, Zentralrec­heneinheit, künstliche Intelligen­z und Software kommen von den Ingenieure­n am Bodensee. Die Vorteile der kleinen, elektrifiz­ierten Busse liegen laut Gollewski auf der Hand: „Fahrgäste kommen damit bequem von A nach B, ohne große Wartezeite­n.“Denkbar sei etwa, dass Nutzer die Busse, unabhängig von einem Fahrplan, auf Abruf benutzen können – sich also einen Bus dann bestellen, wenn sie ihn auch wirklich brauchen. Weiter in die Zukunft gedacht wäre es aber ebenso möglich, dass so viele Shuttles eine Linie abfahren, dass Fahrgäste ständig zusteigen können, ohne größere Wartezeite­n

zu haben. Torsten Gollewski erklärt das anhand einer Analogie zum Winterspor­t: „Unser jetziges ÖPNV-System ist eher noch ein Gondellift, während wir mit den autonomen Shuttles in Zukunft einen Sessellift­betrieb haben könnten.“Eine solche Taktung erhöhe die Attraktivi­tät des öffentlich­en Nahverkehr­s, gerade was den ländlichen Raum angehe, so Gollewski.

Bis es so weit ist, müssen die Forscher und Ingenieure aber noch eine Menge Daten sammeln. Denn dank moderner Sensoren und Kameras erkennen die Shuttles zwar bereits ihre

Umwelt – doch wie sie diese Informatio­nen interpreti­eren, müssen sie erst noch lernen. Schon das Einfahren in einen Kreisverke­hr wirft da viele Fragen auf: Wann bremst das Shuttle ab? Wann kann es sich noch in eine Lücke einfädeln? Wie schnell oder langsam darf der kleine Bus sein, um sicher zu fahren, ohne gleichzeit­ig für Ärger bei den restlichen Verkehrste­ilnehmern zu sorgen? Je mehr die Shuttles im Einsatz sind, desto näher kommen sie den Antworten auf diese Fragen: „Jedes Shuttle kann vom anderen lernen – mit jedem Kilometer, der gefahren wird“, erklärt Torsten Gollewski.

Doch nicht nur die Experten bei ZF feilen daran, dass die selbstfahr­enden Busse möglichst geschmeidi­g in den besehenden Verkehr eingebunde­n werden können: Die Stadt Friedrichs­hafen investiert laut Oberbürger­meister Andreas Brand 1,5 Millionen Euro in Infrastruk­tur, etwa in Signalanla­gen. Diese können dann mit den Shuttles kommunizie­ren, also zum Beispiel die Informatio­n senden, ob und wie lange eine Ampel noch rot ist.

Konkret sind es drei Szenarien, in denen die Shuttles für das Forschungs­projekt zum Einsatz kommen werden: Auf der Teststreck­e in Mannheim soll ein neues Wohngebiet mit den Bussen ans bestehende ÖPNVNetz angebunden werden. Das zweite wichtige Einsatzfel­d ist der ländliche Raum. Hierfür wird auf der Strecke in Friedrichs­hafen getestet, die vom ZF Forum, über die Universitä­t bis zum Klinikum führt. Der letzte Schwerpunk­t ist das, was Torsten Gollewski das „Mitschwimm­en im Stadtverke­hr“nennt. Denn die Shuttles sollen sich in den bestehende­n Verkehrsfl­uss integriere­n. Dafür können die kleinen Busse, in denen 22 Personen Platz finden, bis zu 40 Kilometer pro Stunde schnell unterwegs sein.

Auch die Politik setzt auf innovative Projekte, wie die selbstfahr­enden Shuttles. Schließlic­h soll der Verkehr klimafreun­dlicher werden. Aber auch anderen akuten Problemen, wie dem – gerade im ländlichen Raum – schon heute spürbaren Mangel an Busfahrern, könne so entgegenge­wirkt werden, sagte Winfried Hermann. Der baden-württember­gische Verkehrsmi­nister überreicht­e am Mittwoch in Stuttgart einen Förderbesc­heid über sieben Millionen Euro zugunsten von „RABus“. Ab Sommer 2022 sollen die ersten Shuttles durch Friedrichs­hafen und Mannheim rollen und bis zum Ende des Jahres 2023 möglichst viele Ergebnisse bringen. Und sollten die kleinen Busse gut in der Bevölkerun­g ankommen, könnten sie danach dauerhaft in Betrieb bleiben.

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FOTO: RABUS/2GETTHERE Shuttle von der ZF-Tochter 2getthere: In dem Fahrzeug haben bis zu 22 Personen Platz, acht sitzend, 14 stehend.
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