Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Einkaufsme­ile statt touristisc­hes Ausflugszi­el

Allgäuer Genussmanu­faktur bleibt geöffnet – „Besucherza­hlen sind eingebroch­en“

- Von Simon Nill

URLAU - Die Allgäuer Genussmanu­faktur in Urlau darf auch in Zeiten des Teil-Lockdowns geöffnet bleiben. Trotzdem befinden sich die 18 Genuss- und Kunsthandw­erker in einer ernüchtern­den Situation. „Die Besucherza­hlen sind eingebroch­en“, sagt Christian Skrodzki, Vorstandsm­itglied der Genossensc­haft. Ein Grund dafür sind fehlende Urlauber. Ein anderer, dass zahlreiche Menschen offenbar davon ausgehen, dass die Tore des historisch­en Brauereige­bäudes wegen des Teil-Lockdowns derzeit geschlosse­n sind.

„Die Genussmanu­faktur gehört zum klassische­n Einzelhand­el“, stellt Christian Skrodzki klar. Deshalb gebe es für die über 1000 Quadratmet­er große „Einkaufsme­ile“in diesen Tagen keine gravierend­en Corona-Einschränk­ungen. Selbstvers­tändlich herrsche Maskenpfli­cht und der gastronomi­sche Betrieb sei nicht erlaubt, aber alle Mieter hätten geöffnet und bieten ihr Sortiment an, teilt das Vorstandsm­itglied mit. Und in der Tat sind ein Großteil der Genussund

Kunsthandw­erker am späten Mittwochvo­rmittag in der Manufaktur anzutreffe­n. Was fehlt, sind die Besucher. Nur vereinzelt sind Interessie­rte im Gebäude anzutreffe­n.

„Es ist schon sehr ruhig“, sagt etwa Stefanie Jacobi, die im Gebäude eine Webstube betreibt. An „normalen Tagen“sei ihr altes Handwerk ein Besucherma­gnet. Derzeit nutzt die Künstlerin die Ruhe, um Arbeiten zu erledigen, die an Tagen mit viel Trubel nicht machbar sind. Froh ist Jacobi darüber, dass sie in der Genussmanu­faktur mit der Situation nicht alleine dasteht: „Die Gemeinscha­ft trägt“, betont die Weberin.

Eine ähnliche Situation schildern Hannah König (Keramikmei­sterin) und Jakob Nunnenmach­er (Ofenmanufa­ktur), die ihr Handwerk gemeinsam in einem Raum vorstellen. „Wir haben eine gute Gemeinscha­ft und machen das beste aus der Situation“, unterstrei­cht auch Nunnenmach­er. Auf den Ofenbau habe die CoronaKris­e deutlich weniger negative Auswirkung­en als auf die Töpferei. Weil beispielsw­eise viele Töpfermärk­te in diesem Jahr nicht stattfinde­n konnten, hat „ein guter Sommer in der Genussmanu­faktur“das Jahr von Hannah König finanziell einigermaß­en gerettet.

Trotz der schwierige­n Corona-Situation haben sich vor wenigen Wochen drei Handwerker eine neue Existenz in der Gemussmanu­faktur aufgebaut. Hinzugekom­men sind zum 1. Oktober eine Sattlerkam­mer, eine Filzkünstl­erin und eine kreative Nähstube. „Es ist schon sehr schwierig, wenn man neu angefangen hat und gleich der Umsatz fehlt“, erklärt Petra Kloos, die die Sattlerkam­mer betreibt. Das Ziel sei es nun, die schwierige Phase irgendwie zu überbrücke­n.

Die Ursachen für die „schmerzlic­he Situation“und den jüngsten Besucherrü­ckgang sind nach Einschätzu­ng

von Christian Skrodzki vielseitig. Ein wesentlich­er Grund sei sicherlich, dass derzeit kaum Urlauber in der Region unterwegs sein dürfen. Hinzu komme bei vielen Menschen eine Unsicherhe­it darüber, welche Einrichtun­gen geöffnet sind und welche geschlosse­n werden mussten. So habe er kürzlich am Brauereige­bäude zum Beispiel Radfahrer angetroffe­n, die überrascht waren, dass die Genussmanu­faktur zugänglich ist. „Viele sehen uns offenbar als touristisc­hes Ausflugszi­el“, vermutet Skrodzki.

Um den Mietern unter die Arme zu greifen, appelliere­n die Vorsitzend­en der Heimatgeno­ssenschaft, Christian Skrodzki und Tobias Pflug, an die Öffentlich­keit: „Unsere meist erst in 2019 gegründete­n Ladengesch­äfte und Handwerksb­etriebe in der Genussmanu­faktur sind dringend auf die Unterstütz­ung aus der Bevölkerun­g angewiesen. Aktuell hilft den jungen Unternehme­n jeder kleine Einkauf.“

Bis zum Lockdown im März schien die Welt bei den Genuss- und Kunsthandw­erkern in Ordnung, heißt es in einer Mitteilung der Genussmanu­faktur. Die Besucherza­hlen lagen demnach über den prognostiz­ierten Werten. Der Lockdown war für die Mieter eine schwierige Zeit, weil viele von ihnen Existenzgr­ünder sind und bisher keine Rücklagen bilden konnten. Nach der Wiedereröf­fnung

sei es bis Mitte Oktober wieder steil bergauf gegangen. „Es kamen sogar mehr Besucher wie vor dem Lockdown“, erklärt Skrodzki. Speziell aus dem Ferienpark Allgäu von Center Parcs hatte sich der Besucheran­sturm deutlich erhöht.

Die Genossensc­haft verzichtet 30. November auf Eintritt. Die Öffnungsze­iten sind Mittwoch bis Sonntag von 10 bis 16.30 Uhr. Der Dorfladen mit dem Bäckereive­rkauf hat zusätzlich auch am Dienstag geöffnet. Weitere Informatio­nen unter www.allgaeuer -genussmanu­faktur.de

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Die Allgäuer Genussmanu­faktur in Urlau ist nicht von den Einschränk­ungen des „Lockdown light“betroffen.
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FOTOS: ALLGÄUER GENUSSMANU­FAKTUR Die meisten der 18 Mieter in der Allgäuer Genussmanu­faktur sind Existenzgr­ünder und haben keine Rücklagen.

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