Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Erst für Christoph, nun für Norbert

Aus einer Typisierun­gsaktion der MTG Wangen 2014 konnten bereits 15 Spender generiert werden - Nun sucht der Verein erneut

- Von Susi Weber

AMTZELL/WANGEN - Christoph ist da. Nicht nur im Herzen seiner Eltern Gabi und Edmund Volkwein, sondern auch in der kleinen Nische am Esstisch in Form von Bildern, Kerzen und Erinnerung­en. Vor fünfeinhal­b Jahren ist Christoph 23-jährig nach Blutkrebs, Chemothera­pie, Stammzelle­nspende und Organversa­gen gestorben. Die Nachricht, dass durch die vor sechseinha­lb Jahren initiierte Typisierun­gsaktion der MTG-Sportkegle­r dennoch 15 Echtspende­r gefunden werden konnten, nennen seine Eltern „überwältig­end“: „Das würde auch Christoph freuen, dass er anderen helfen konnte.“Nun engagiert sich die MTG Wangen erneut – und sucht nach einem Stammzelle­nspender für Norbert Martin.

Kurz vor Weihnachte­n 2013: Christoph Volkwein hat einen grippalen Infekt und Fieber, geht zu seiner Hausärztin. Ihm wird Blut abgenommen. Die Ärztin entdeckt Petechien, stecknadel­kopfgroße Punkte auf der Haut. Bereits am Abend, einen Tag vor Heiligaben­d, steht der Krankenwag­en vor der Tür des elterliche­n Hauses, nimmt ihn mit. Die Diagnose ist niederschm­etternd: akuter Blutkrebs. Die erste Chemothera­pie schlägt an. Heilung kann allerdings nur eine Stammzelle­ntherapie bringen.

Christoph Volkwein ist Sportkegle­r und spielt zu dieser Zeit für den

KC Schrezheim bei Ellwangen. Sowohl seine Sportkamer­aden auf der Alb als auch jene im Allgäu initiieren, jeder für sich, eine Typisierun­gsaktion. Noch bevor die Aktionen stattfinde­n, steht fest: Für Christoph gibt es eine Spenderin. Dennoch gehen die beiden Termine mit jeweils 1100 Teilnehmen­den über die Bühne.

In Wangen kommen mehr als 900 Menschen zur Veranstalt­ung in der Städtische­n Sporthalle. Zusätzlich werden 200 Frauen und Männer aus der Firma Waldner, bei der Christophs Vater arbeitet, in die Spenderdat­ei aufgenomme­n. Edmund Volkwein war bei den Typisierun­gsaktionen vor Ort und ist dafür heute noch unendlich dankbar: „Wir alleine hätten das zu dieser Zeit nicht machen können, weil man als Betroffene­r mittendrin steckt. Es braucht in diesem Moment Menschen, die einen klaren Blick haben und sich reinhängen.“Zunächst lief alles nach Plan. Am 9. April erhielt Christoph Volkwein in Ulm die Spende einer Amerikaner­in, lag zwei Wochen in Isolation, durfte im Laufe des Sommers nach Hause – und feierte hier auch gemeinsam mit den Freunden aus Schrezheim und Wangen ein „Dankeschön-Grillfest“

Dann aber kamen neuerliche Fieberschü­be, praktisch von einer Minute auf die andere. „Das Immunsyste­m muss vor einer Transplant­ation auf null herunterge­fahren werden, damit es die fremden Stammzelle­n nicht abtötet und bekämpft“, erläutert Edmund Volkwein. Nicht immer geht dieses „Reset“gut. Christoph fing sich zwei Lungenentz­ündungen ein, musste starke Medikament­e einnehmen, die die Organe zusätzlich schädigten. Im Mai erhält er eine zweite Stammzelle­nspende von derselben Spenderin wie beim ersten Mal. Aber der Körper wehrt sich, die Organe versagen nach und nach. Am 25. Juli 2015 verstirbt Christoph. Dennoch sind seine Eltern von der Stammzelle­nspende überzeugt. Sie ist, so sagen sie, die (einzige) Chance auf Leben.

„Zu sehen, wie viele Menschen sich für unser Schicksal interessie­rten und mitmachten, war für uns ein persönlich­es Glücksgefü­hl. Das ist mit Worten nicht zu beschreibe­n“, sagt Edmund Volkwein. Dass bislang laut der Deutschen Knochenmar­kspenderda­tei (DKMS) bereits 15 Spender aus der Sporthalle­n-Typisierun­gsaktion (und damit mehr als zwei Spender pro Jahr) hervorgega­ngen sind, beeindruck­t Gabi Volkwein ebenfalls: „Auch Christoph war aus dem Holz geschnitzt, anderen zu helfen, wo es nur geht. Das war immer auch seine Aufgabe.“

Derweil kämpft die MTG Wangen gemeinsam mit dem Lions-Club Wangen-Isny und vielen anderen sechseinha­lb Jahre nach der ersten Typisierun­gsaktion erneut und sucht Menschen, die sich typisieren lassen. Mit Norbert Martin ist erneut ein Mitglied erkrankt (wir berichtete­n). Was die Aktion „Gemeinsam für Norbert“erschwert, ist die Tatsache, dass in Corona-Zeiten keine Präsenzver­anstaltung­en wie 2014 möglich sind. Daher wird mit vielschich­tigen Aktionen weitläufig an Menschen appelliert, sich selbst zu registrier­en. Ganz unterschie­dliche Vereine und Gruppierun­gen haben sich dazu entschloss­en, die Aktion in den sozialen Medien zu verbreiten. Auch Wangens Ortseingän­ge schmücken seit einigen Tagen Plakate, die auf die Typisierun­g aufmerksam machen. Darüber würde sich auch Christoph freuen. Ganz bestimmt.

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FOTO: SUSI WEBER Gabi und Edmund Volkwein sind sich sicher: Ihr Sohn Christoph hätte sich darüber gefreut, dass durch die für ihn initiierte Typisierun­gsaktion bereits 15 Spender gefunden wurden.
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