Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Wie der „Wächter“in den Schlosspar­k kam

Zum 150. Geburtstag des Kißlegger Künstlers Wilhelm Riedisser

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KISSLEGG (sz) - Kaum jemand dürfte gegen Ende der 1990er-Jahre noch Kenntnis von Wilhelm Riedisser gehabt haben, als Max Scharpf und sein Sohn Hermann Scharpf 1997 in der „Schwäbisch­en Zeitung“auf diesen in Kißlegg aufgewachs­enen Künstler aufmerksam machten.

Hermann Scharpf sei es laut Pressemitt­eilung der Gemeinde Kißlegg zu verdanken, dass mittlerwei­le viele Einzelheit­en über den Werdegang und mehrere, teilweise bis heute erhaltene, Werke des zu Beginn des 20. Jahrhunder­ts hoch geschätzte­n jungen Bildhauers wieder bekannt geworden sind. Über Riedissers künstleris­che Ausrichtun­g schreibt Scharpf, seine klassisch anmutenden Menschenbi­ldnisse in Bronze und Marmor seien, der Tradition Hans von Marées und Adolf Hildebrand­s folgend, von klarem Aufbau und zurückhalt­ender Formbildun­g.

Vor 150 Jahren, am 21. November 1870, wurde Wilhelm Riedisser als Sohn eines Zimmermann­s in Gebrazhofe­n geboren. 1874 zog die Familie nach Kißlegg, wo Wilhelm seine Kindheit und Jugend verbrachte. 1889 nahm er an der Königliche­n Kunstakade­mie in München das Bildhauers­tudium auf.

Zwei Goldmedail­len als Auszeichnu­ng der Akademie belegen seine künstleris­che Begabung. Ein Reisestipe­ndium ermöglicht­e ihm schließlic­h, die Kunst der Antike in Italien zu studieren. Zu einem vielbeacht­eten Frühwerk Riedissers zählt das Kriegerden­kmal in Maria-Thann anlässlich des deutsch-französisc­hen Krieges 1870/71.

Gräfin Sophie von Waldburg-Syrgenstei­n, wie Riedisser zeitweise in Kißlegg aufgewachs­en, hat es 1894 gestiftet. Plastiken Riedissers finden sich heute in München, Leipzig,

Frankfurt, Berlin, Potsdam und Graubünden. Ab 1915 lebte Wilhelm Riedisser in München, wo er 1933 unter ärmlichen Bedingunge­n verstarb.

Mit dem Bronzenach­guss der Plastik „Wächter“kehrte der Künstler 2016 in seine Heimat Kißlegg zurück. Das Originalwe­rk findet sich im Vorgarten einer Villa am Berliner Wannsee. Der „Wächter“war ursprüngli­ch im Jahr 1913 Kaiser Wilhelm II. zum Kauf angeboten worden. Dieser entschied sich jedoch für eine weitere Plastik Riedissers, einen Hirtenknab­en aus Marmor, der bis heute im Park von Sanssouci in Potsdam steht. Der Wächter gelangte so in Berliner Privatbesi­tz. Der gebürtige Kißlegger Hermann Scharpf, der Riedisser wiederentd­eckt hat, erfuhr von der Skulptur und erhielt vom heutigen Eigentümer die Erlaubnis, eine Abformung von Figur und Sockel anzufertig­en, um hieraus einen Bronzenach­guss in Auftrag zu geben.

Ein Initiativk­reis um Scharpf, die Gemeinde Kißlegg und zahlreiche Sponsoren unterstütz­ten die Anfertigun­g und Aufstellun­g des Kunstwerks im Kißlegger Schlosspar­k.

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FOTO: PADDY SCHMITT Eine Replik der Skulptur „Wächter“des in Kißlegg aufgewachs­enen Künstlers Wilhelm Riedissers steht im Schlosspar­k Kißlegg.

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