Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
„Dann sind ganz schnell ein paar Millionen weg“
Krumme Immobiliendeals, Sensationstitel und Löw als Trainer – Andreas Buck hat in seiner Karriere einiges erlebt
STUTTGART - Er war in den 1990erJahren der schnelle Mann auf der Außenbahn – genannt Turbo. Mit dem VfB Stuttgart holte er 1992 die Meisterschaft sowie 1997 den DFB-Pokal und erlebte als Krönung die Sensationsmeisterschaft des 1. FC Kaiserslautern 1998. Doch gab es nicht wenige Tiefen in der Karriere von Andreas Buck. Mit Felix Alex hat der 52-Jährige über sein Buch „Turbo – mein Wettlauf mit dem Fußballgeschäft“, die Zukunft der Branche sowie die Flüchtigkeit von Geld gesprochen.
Herr Buck, Sie sind Versicherungsund Vermögensberater, haben in Ihrer Karriere genug Menschen kennengelernt, rufen in der Corona-Krise alle an und wollen Hilfe?
Die ehemaligen Profis weniger, die sind ja größtenteils aus dem Fußball raus, die trifft es je nachdem, in welcher Branche sie arbeiten. Bei den aktuellen Profis sieht das schon anders aus. Da haben zwar die Highend-Spieler weniger Probleme, aber vor allem die Spieler, deren Verträge auslaufen und die sich die Vereine nicht aussuchen können – die haben gerade ein Riesenproblem und die melden sich schon.
Als ich 1990 in die Bundesliga kam, hieß es, dass ein Nationalspieler 400 000 DM brutto Jahresgehalt verdient. Das war das Limit. 200 000 Euro brutto im Jahr! Da lachen die Nationalspieler heutzutage drüber, und schon damals hat man gedacht, irgendwann ist die Spirale mal am Ende, aber es war nie der Fall.
Was muss denn noch passieren, dass bei den Entscheidern ankommt, dass es eben nicht nur um höher, schneller, weiter und die nächsten Umsatzrekorde geht?
Die Diskussion dreht sich ja häufig darum, dass die Spieler diese Gehälter fordern und den Hals nicht voll bekommen, aber das ist komplett der falsche Ansatz. Ein Neymar oder ein Mbappé würden nicht sagen: „Ich höre auf mit Fußball spielen, wenn ich keine 20 Millionen bekomme, sondern nur fünf“und dann zum Maler umschulen. Das heißt, das Geld kommt von außen, von Investoren, von Fernsehanstalten, vom Pay-TV. Und warum kommt es rein? Weil irgendjemand sich etwas davon verspricht in diesem Markt. Erst wenn die Gelder von außen nicht mehr in diesem Maße fließen, wird sich wirklich etwas ändern. Ich glaube, dass es nun durch die Corona-Krise notgedrungen ein Umdenken geben wird – wie nachhaltig dieses sein wird, das ist allerdings die Frage.
Wenn man Sie hört, wirken Sie wie ein typischer Fußballfan und -nostalgiker, dabei waren sie 15 Jahre Teil der Blase. Macht das vor allem Ihre Kindheit in Geislingen?
Wahrscheinlich hat das mit der schwäbischen Erziehung zu tun, da ist man per se eher bodenständig. Ich bin eben immer noch Fußballfan, freue mich an guten Spielen und einem Wettbewerb. Den Reiz des Fußballs macht ja normalerweise aus, dass man nicht weiß, wie es ausgeht – aber das ist etwas abhanden gekommen. Ich würde mir wünschen, dass man so eine Art Play-off-System am Ende der Bundesliga einführt – denn in einem Spiel ist es immer mal möglich, die Bayern zu schlagen. In einer langen Saison wird man sie aber nicht mehr aufhalten können.
In Ihrem Buch schreiben Sie offen von den Schattenseiten des Geschäfts. Warum trauen Sie sich das und so viele andere nicht?
Ich bin schon ein paar Jahre raus und führe ein gutes Leben – das macht es natürlich einfacher, über schwierige Momente zu schreiben. Zudem bekommen die Titel und alles Tolle ja ohnehin alle mit, aber die schwierigen Momente erfährt niemand, weil man während der Karriere nicht drüber redet. Die Leute vergessen immer, dass das junge Menschen sind, die da auf dem Platz stehen und mit Hass konfrontiert werden, wenn es mal nicht läuft. Zum Beispiel jetzt auf Schalke, natürlich spielen die einen Müll und echt furchtbar, aber ich möchte da im Augenblick kein Fußballer sein. Wenn jetzt noch Fans im Stadion wären, könnte man ja beinahe gar nicht mehr auf den Platz gehen, weil man so voller Angst wäre, einen Fehler zu machen.
Da kommt dann immer das Totschlagargument von Außenstehenden, dass die Fußballer es sich ja selbst ausgesucht hätten und so viel Geld verdienen ... Natürlich ist es so, gibt es viel Geld und auch Ruhm in guten Zeiten, aber die anderen Seiten werden eben nie gesehen. Immer so toll und Traumjob ist es eben auch nicht. Rücksicht und Empathie haben im Profisport keinen Platz.
Spielt bei den Profis Geld als eine der wenigen Formen der Anerkennung deshalb eine so große Rolle?
Es gibt in den Teams ja immer hierarchische Strukturen. Heutzutage ordnet es sich sogar nach Dingen wie Instagram-Klicks. Die Frage lautet immer: Wer hat mehr? So ist es auch bei der Gehaltsstruktur. Der Verein drückt damit eine Wertschätzung aus. Und wenn man mitbekommt, dass man nur die Hälfe eines anderen verdient, dann denkt man, dass dich dein Club weniger wertschätzt. Das hat Auswirkungen auf die interne Hierarchie.
Ich bin ja gottfroh, dass es bei mir so gut ausgegangen ist, sonst hätte ich darüber wohl auch nicht geschrieben, da bin ich ganz ehrlich. Man ist eben als Profi noch recht jung und hat bei Finanzen keinen Einblick. Da gibt es immer Leute, die eine wahnsinnig gute Idee haben. Der große Knackpunkt ist bei jedem Spieler die Frage: Wie geht es nach der Karriere weiter? Da kommen dann viele und bieten dir eine Lösung für dein weiteres Leben, und wenn es in Richtung Karriereende geht, ist man sehr anfällig für alle möglichen Ideen.
Wie kann man denn heute noch Millionen einfach so versenken? Was war denn Ihre persönliche größte Protzerei?
Das war ein Urlaub am Comer See, bei dem ich mit meiner Familie eine riesige Villa gemietet habe mit eigenem Koch – wahrscheinlich eine ähnliche wie sie George Clooney gerade bewohnt (lacht). Bei anderen gab es immer jede Menge mit Autos oder 20 000-Euro-Uhren. Aber das Problem bei den Fußballern, die pleitegehen, ist ja nicht, dass sie das Geld verprassen – das ist bei den heutigen Gehältern in der Spitze ja auch kaum möglich. Es sind die falschen Investitionsentscheidungen. Man kann zum Beispiel extrem schlechte Immobiliendeals machen, und dann sind ganz schnell ein paar Millionen weg.
Die hätte ja kein vernünftiger Mensch abgeschlossen. Also ich bin ein Schwabe und habe eine schwäbische Erziehung, da ist man ja immer vorsichtig, und daher habe ich eben die geringe Ablösesumme im Abstiegsfall gewählt. Ein Südländer, der das Leben mehr als Risiko sieht, hätte wahrscheinlich gesagt: „Warum denn nicht?“Ich hätte wohl weniger Schwabe und mehr Südländer sein müssen. Aber man sieht ja in der Fußballhistorie, wie wahrscheinlich es ist, als Aufsteiger Meister zu werden, darum bin ich auch ohne Klausel froh, das Sensationelle und Geschichtsschreibende erlebt zu haben.
Das Thema ist schon ärgerlich. Wenn ich zweimal dabei gewesen wäre, wäre ich wohl dauerhaft drin gewesen. Teilweise wurden da irgendwelche Spieler nach außen auf meine Position verschoben, da man niemanden hatte. Die Europapokalspiele waren zudem immer meine besten, ich habe es genossen, international zu spielen. Da wäre Nationalmannschaft nicht das Schlechteste gewesen. Aber ich hatte auch so oft Glück in meiner Karriere – gerade mit den zwei Meisterschaften. Und wer weiß, vielleicht hätte ich mich auch in so einem Länderspiel verletzt.
Diese Mannschaft damals, 1997, mit dem Pokalsieg war ja außergewöhnlich gut. Wir hatten unter anderem noch Frank Verlaat und Zvonimir Soldo im Mittelfeld. Das war eine außergewöhnliche Truppe, da war es ja beinahe schade, dass wir viel zu wenig erreicht haben. So viel Talent und Mentalität in einer Mannschaft findet man echt selten. Wenn wir da noch einen gescheiten Trainer gehabt hätten, dann wäre viel mehr möglich gewesen.
Zu seiner Entschuldigung muss man sagen, dass es seine erste große Trainerstation und er einfach zu unerfahren war. Mit einem erfahrenen Trainer und der Mannschaft hätten wir viel mehr erreichen können. Er hat sich sicher auch weiterentwickelt, aber ich glaube, als Vereinstrainer ist es für ihn auch eher schwer. Als Nationaltrainer muss man ja keine Mannschaft entwickeln und über das ganze Jahr begleiten.
Der VfB macht mir sehr viel Freude. Ich habe schon geahnt, dass, wenn wir einen guten Start hinbekommen, und die Jungs merken, dass sie in der Liga angekommen sind, einiges möglich ist. Man sieht, was da für ein Potenzial ist, und das macht im Gegensatz zu den vergangenen Jahren Hoffnung, dass da etwas entstehen kann. Zudem gewinnt man die Spiele nicht durch Glück, sondern verdient. Was diese Mannschaft vor allem auch hat, ist Geschwindigkeit, und das ist heutzutage so wichtig.
Im Gegensatz zu vielen meiner ehemaligen Kollegen könnte ich aufgrund der Schnelligkeit wohl da mitspielen. Ich habe mal als junger VfBHüpfer gegen Andreas Brehme gespielt, der war Weltmeister und spielte damals bei Inter Mailand. Er ist ein begnadeter Fußballer, aber halt sehr langsam und hat dann noch außen gespielt – so etwas würde es heute nicht mehr geben.
Man hat ja als Gegner immer Angst, dass man von den Bayern abgeschossen wird, und da stellt sich die Frage, ob ich eben so frisch spiele wie immer oder mich zurückziehe und die Räume dicht mache. Wenn man von Anfang an offen mitspielen möchte, kann es böse enden. Wenn ich Trainer wäre, würde ich mir das gut überlegen. Im Endeffekt weiß man aber sowieso erst nach dem Spiel, was die beste Lösung gewesen wäre.
Herr Buck, zum Abschluss, was ist denn die beste Lösung für den Fußball in dieser schwierigen Zeit? Gibt es die oder kommt es irgendwann zum großen Fußball-Crash?
Ich würde mir erst mal wünschen, dass wir diese unsägliche Nations League einstampfen. Dass wir zurückgehen und weniger Spiele haben. Dass man auch bei Champions League, Europa- und Weltmeisterschaften die Mannschaften reduziert. Denn gerade die Topspieler haben viel zu viele Spiele. Die Beine werden müde, aber auch der Kopf. So können sie auf Dauer ihr Topniveau nicht halten, und dann wird alles immer mehr verwässert. Du musst den Jungs einfach mal gönnen, dass sie den Kopf leer bekommen. Aber leider werden die Spielpläne von denen gemacht, die im Sessel sitzen und nicht selbst spielen. Es geht nur ums Geld, und das ist echt schade.