Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Wie können Dumpingpreise verhindert werden?
Selten wurden Waren so billig verramscht wie derzeit – Bauernverband hat sich an das Bundeskartellamt gewandt
KEMPTEN - Noch keine Antwort vom Bundeskartellamt hat der schwäbische Bauernverbands-Präsident Alfred Enderle (Wertach/ Oberallgäu). Er hatte sich an die Behörde gewandt und anhand konkreter Beispiele aufgezeigt, dass Discounter zahlreiche Lebensmittel weit unter Einstandspreis verkaufen und das wöchentlich bewerben würden. Der enorme Preisverfall komme letztlich auch beim Erzeuger an und führe zu einem Preisdruck, sagt Enderle. Vom Bundeskartellamt fordert er eine Prüfung der aufgezeigten Fälle. Wenn es zu Verstößen gekommen sei, müssten Bußgelder verhängt werden, so der Verbandspräsident im Gespräch mit unserer Zeitung.
Hans-Peter Rauch, schwäbischer Handwerkskammer-Präsident und selbstständiger Metzger im Oberallgäuer Waltenhofen, hatte nach eigenen Worten vor 25 Jahren einen Prozess gegen eine Lebensmittelkette geführt, die Schweinehälften weit unter Einstiegspreis angeboten hatte. Der Prozess ging verloren, aber das hat Rauch nicht von seinem Weg abgebracht: Sein Betrieb mit 15 Mitarbeitern und zwei Verkaufsgeschäften bezieht die Schlachttiere ausschließlich von Landwirten in der Region. „20 Bauern liefern häufig, 50 gelegentlich“, berichtet er. Feste Verträge brauche es nicht. Mündlich würden faire Preise vereinbart und fixe Untergrenzen, damit es für den Landwirt eine Planungssicherheit während der Aufzucht gebe. Rauch: „Man kennt sich persönlich, das ist wichtig.“
Auch die Von-Hier-Eigenmarke des Lebensmittelunternehmens Feneberg basiert auf fixen Vereinbarungen zwischen dem Einzelhändler und den regionalen Erzeugern, die aus einem Gebiet im 100-Kilometer-Umkreis von Kempten stammen. Mit den etwa 600 Erzeugern – die meisten davon Landwirte – würden klare PreisUntergrenzen vertraglich festgelegt, sagt Firmenchef Hannes Feneberg. Mit Getreidebauern schließe man sogar Verträge über einen Zeitraum von fünf Jahren ab. Mittlerweile gibt es 450 Von-Hier-Produkte – alle in BioQualität
und aus regionaler Herkunft. Der Von-Hier-Anteil macht bei Feneberg inzwischen zwölf Prozent des Gesamtumsatzes aus.
Erstaunlich: In Zeiten der Corona-Krise ist die Nachfrage nach hochwertigen Lebensmitteln offensichtlich gestiegen. Das berichten Feneberg und Metzgermeister Rauch übereinstimmend. Die Menschen hätten vielleicht mehr Zeit zum Kochen, könnten nicht zum Essen gehen, weil die Gastronomie wegen Corona zu ist. Auch lebten manche vielleicht bewusster. Rauch nennt ein Beispiel: Vor allem beim Hackfleisch habe die Nachfrage nach Ware aus der Region enorm zugenommen.
Vom Programm „Prima Rind“profitieren ebenfalls Bauern in der Region. 200 Allgäuer Landwirte liefern pro Jahr etwa 2500 Tiere, schildert Lebensmittelhändler Feneberg. Darunter seien viele kleine Lieferanten, die nur wenige Tiere im Jahr schlachten lassen. „Aber das sind Überzeugungstäter mit Leib und Seele“, schildert der Firmenchef.
Ein Beispiel für regionale Vermarktung ist nach Ansicht von Enderle der Zusammenschluss „Allgäuer Alpgenuss“. 70 Älpler sind dabei und es werden immer mehr. Sie haben sich verpflichtet, an Wanderer nur Brotzeiten, Gerichte und Getränke zu verkaufen, die von heimischen Herstellern stammen. Enderles bewirtschaften die Alpe Vordere Kölle im Grünten-Gebiet und sie waren von Anfang an beim „Alpgenuss“dabei. Der Bauernpräsident sagt: „Für mich ist es eine Selbstverständlichkeit, nur regionale Produkte auf der Alpe zu verkaufen.“Auch die Direktvermarktung auf der Alpe laufe „richtig gut“.