Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Treffpunkt junger Tüftler
Das Schülerforschungszentrum in Bad Saulgau hat Vorbildcharakter
BAD SAULGAU - Es hat in den 1970erJahren recht bescheiden angefangen. In einer Physik-AG des Bad Saulgauer Störck-Gymnasiums legte Physiklehrer Rudolf Lehn seinen Schülern knifflige Aufgaben vor. Der Lehrer schaffte es so, seine Schüler für naturwissenschaftliche Fragestellungen zu begeistern. Er wusste aber auch, dass diese Neugier innerhalb des bestehenden Schulsystems nicht richtig entwickelt werden kann. Es entstand das erste Schülerforschungszentrum – und setzte Impulse für die ganze Region.
Immer freitags machen sich Schüler und Schülerinnen meist vom Bahnhof aus auf den Weg ins Schülerforschungszentrum. Der Sinn der Schülerforschungszentren ist es, jungen Menschen auch in ihrer Freizeit die Möglichkeit zu geben, sich mit den Naturwissenschaften auseinanderzusetzen. Mädchen und Jungen zerbrechen sich dort den Kopf über die Umsetzung von Erfindungen wie einen Regenschirmtrockner oder einen Wärmer für die Mundstücke der Blechblasinstrumente. Roboter werden programmiert, Sterne beobachtet. Eine Grundschulgruppe entwickelt Lehrmaterialien.
Öffentliche Aufmerksamkeit erreichten Schüler des Schülerforschungszentrums durch ihre Erfolge auf nationaler und internationaler Ebene. Beim Physik-Weltcup oder bei den Ausscheidungen von „Jugend forscht“waren Schüler aus den Schülerforschungszentren immer vorne mit dabei. Mit Teilnehmern aus aller Welt wurde im Jahr 2012 sogar der Physik-Weltcup in Bad Saulgau ausgetragen. Die Sieger hießen zwar Korea, Singapur und Iran. Das Team Deutschland, das mit Kindern des Schülerforschungszentrums besetzt war, musste sich mit einer Silbermedaille zufriedengeben.
Inzwischen ist Bad Saulgau nicht mehr das einzige Schülerforschungszentrum. Auf acht Standorte in der Region ist das Schülerforschungszentrum
Südwürttemberg mittlerweile angewachsen. Bad Saulgau ist das Verwaltungszentrum für diese weitgehend autark arbeitenden Standorte Friedrichshafen, Tuttlingen, Landkreis Biberach, Neckar-Alb mit Tübingen und Reutlingen, Überlingen, Ulm und Wangen.
Dass sich die Idee des Schülerforschungszentrums so entwickelt, hätte sich Rudolf Lehn wohl nie träumen lassen. Getragen von einem Förderverein arbeiten die Zentren mit Unterstützung des Kultusministeriums, des Landkreises und der Stadt. Wert wird auf die Zusammenarbeit mit Unternehmen vor Ort gelegt. Die Zentren bieten Schülern die Möglichkeit, nach der Schule und an Wochenenden an Projekten zu forschen.
Lehn sah aber ein weiteres fehlendes Element der schulischen Bildung in Baden-Württemberg. Damit das Land der Tüftler und Ingenieure auch in Zukunft auf ausreichend Nachwuchs zurückgreifen kann, sollten Spitzenschüler in den MINTFächern Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik besonders gefördert werden. Die Landesregierung nahm die Idee eines zentralen MINT-Exzellenzgymnasiums mit Internat in Baden-Württemberg auf. Die 192 begabtesten Schüler aus dem ganzen Land sollen in den Klassenstufen 10 bis 12 von Spitzenlehrern und bereits in Projektkooperationen mit Unternehmen und Universitäten gefördert werden. Bei der Entscheidung über einen Standort kam Bad Saulgau zum Zug. Die auf den ersten Blick ungewöhnliche Kabinettsentscheidung, dieses Gymnasium in einer Stadt ohne Universität anzusiedeln, hat mehrere Gründe: Zum einen besitzt das Land mit der im 19. Jahrhundert gegründeten Lehreroberschule in Bad Saulgau eine leer stehende Immobilie in ausreichender Größe, mit dem Schülerforschungszentrum bieten sich Kooperationsmöglichkeiten an, und auch
Kommunalpolitiker und Abgeordnete zogen in dieser Frage an einem Strang. Laut Ministerpräsident Winfried Kretschmann entwickelt sich Bad Saulgau zum „Hotspot“im naturwissenschaftlichen Bereich.