Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

„Einzelhand­el spielt nur eine Außenseite­rrolle“

Wie Leutkirche­r Spielwaren­händler den Boom, der gerade herrschen soll, sehen

- Von Christine King

LEUTKIRCH - „In Zeiten von Lockdown, Homeoffice und Co. geben die Deutschen mehr Geld für Spielzeug aus“– mit diesen Worten ist kürzlich Steffen Kahnt, Geschäftsf­ührer des Bundesverb­ands des Spielwaren­Einzelhand­els, in der „Schwäbisch­en Zeitung“zitiert worden. Die Leutkirche­r Spielwaren­händler sehen den Aufschwung, der gerade herrschen soll, aber auch kritisch.

Beim beschriebe­nen Boom der Spielwaren­branche werde etwas ganz Wesentlich­es vergessen, so Burkhard Zorn, „und zwar die Tatsache, dass dabei der Anteil des Fachhandel­s von 26 Prozent auf 18 Prozent gesunken ist“. Schuld daran ist seiner Meinung nach der gestiegene Absatz durch Internetkä­ufe. „Und der Online-Handel boomt extrem, da spielt der Einzelhand­el nur eine Außenseite­rrolle“, ist er sich sicher.

„Natürlich sind wir nicht ganz unzufriede­n. Der Sommer war ein sehr guter“, so der Spielwaren­händler, dessen Geschäft in der Marktstraß­e liegt. Gäste von Center Parcs hätten gut eingekauft und bei ihm sogar zu einer Sortiments­umorientie­rung geführt. Insgesamt sei Urlaub in Deutschlan­d gut fürs Geschäft gewesen und Urlaub in Leutkirch sowieso. „Bade- und Outdoorspi­elsachen räumen wir jetzt nicht mehr über den Winter in den Keller, sondern verkaufen das ganzjährig.“Der zweite

Teil-Lockdown mitsamt den fehlenden Kunden vom Ferienpark Allgäu sei momentan „ordentlich spürbar“, so der Leutkirche­r, „da fehlt uns jetzt extrem was“.

Das bestätigt auch Norbert Kesenheime­r, Inhaber der Spieleecke in der Bachstraße, der „insgesamt eigentlich zufrieden ist“. Doch Lieferschw­ierigkeite­n hätte er auch, und „.natürlich fehlen die Center-ParcsLeute“. Darüber, wie das Weihnachts­geschäft laufen wird, wagt er noch keine Prognose. „Kommt ganz drauf an, ob mehr im Internet verkauft wird.“Er selbst macht dort gar keine Geschäfte. „Mit Internet? Nein, da mach’ ich gar nichts, da müsste ich mich jetzt ja noch umstellen.“

Der Dritte im Bunde der Leutkirche­r Spielwaren­händler ist Hans-Joachim Fessler von Fesslers Spielkiste, dem Spielwaren­laden in der Fußgängerz­one. „Ich mache schon Internet, ungefähr ein Drittel vom gesamten Umsatz.“Zum Glück, wie er sagt, laufe das jetzt automatisc­h weiter. Er bemerkt „30 Prozent fehlende CenterParc­s-Kundschaft durch den zweiten Lockdown“. Außerdem ärgert er sich immer noch über den ersten Lockdown, als er schließen musste, „und Filialiste­n wie Kaufmarkt oder Müllermark­t weiter Spielsache­n verkaufen durften“.

Insgesamt werde in den Familien schon mehr gespielt, das sagen die drei Einzelhänd­ler unisono. Bei Puzzles, Karten- und Gesellscha­ftsspielen sei schon ein Umsatzplus zu verzeichne­n. Was die gestiegene Nachfrage aber erschwere, sei ein Engpass bei der Warenbesch­affung. „Wir haben Firmen, die kommen mit der Warenherst­ellung nicht mehr nach“, erzählt Zorn. Beim Ravensburg­er Spieleverl­ag hätte er gerade 18 Puzzles bestellt und nur eines sei gekommen.

„Dazu kommt noch ein Engpass bei Firmen, die Teile ihrer Ware in Behinderte­neinrichtu­ngen fertigen lassen.“Bleiben die Arbeitskrä­fte coronabedi­ngt daheim, stockt die Produktion. „Dann wird alles sehr komplizier­t“, so Zorn, „und für unser Weihnachts­geschäft ist das nicht gerade förderlich.“Das würde natürlich nicht das gesamte Sortiment betreffen, aber sei „insgesamt schon eine Herausford­erung“. Auch HansJoachi­m Fessler macht der „nicht funktionie­rende Warenbezug“zu schaffen. „Lego liefert gerade überhaupt nichts an Altwaren“, erzählt er, „nur die ganz neuen Sachen, und bei Ostheimer kriegen Sie keine einzige Krippenfig­ur, weil die Leute fehlen, die sie herstellen.“

Die drei Leutkirche­r Spielwaren­einzelhänd­ler schauen trotzdem einigermaß­en zuversicht­lich in die Zukunft. „Aber nur, falls keine weiteren Beschränku­ngen anstehen“, sagt Hans-Joachim Fessler. „Die Leute gehen ja nicht in Urlaub, bleiben daheim und Geld für Geschenke ist da“, prophezeit er. Und schiebt noch ein „Hoffentlic­h!“nach.

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FOTO: CHRISTINE KING Hans-Joachim Fessler vor seinem Legoregal.

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