Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
„Einzelhandel spielt nur eine Außenseiterrolle“
Wie Leutkircher Spielwarenhändler den Boom, der gerade herrschen soll, sehen
LEUTKIRCH - „In Zeiten von Lockdown, Homeoffice und Co. geben die Deutschen mehr Geld für Spielzeug aus“– mit diesen Worten ist kürzlich Steffen Kahnt, Geschäftsführer des Bundesverbands des SpielwarenEinzelhandels, in der „Schwäbischen Zeitung“zitiert worden. Die Leutkircher Spielwarenhändler sehen den Aufschwung, der gerade herrschen soll, aber auch kritisch.
Beim beschriebenen Boom der Spielwarenbranche werde etwas ganz Wesentliches vergessen, so Burkhard Zorn, „und zwar die Tatsache, dass dabei der Anteil des Fachhandels von 26 Prozent auf 18 Prozent gesunken ist“. Schuld daran ist seiner Meinung nach der gestiegene Absatz durch Internetkäufe. „Und der Online-Handel boomt extrem, da spielt der Einzelhandel nur eine Außenseiterrolle“, ist er sich sicher.
„Natürlich sind wir nicht ganz unzufrieden. Der Sommer war ein sehr guter“, so der Spielwarenhändler, dessen Geschäft in der Marktstraße liegt. Gäste von Center Parcs hätten gut eingekauft und bei ihm sogar zu einer Sortimentsumorientierung geführt. Insgesamt sei Urlaub in Deutschland gut fürs Geschäft gewesen und Urlaub in Leutkirch sowieso. „Bade- und Outdoorspielsachen räumen wir jetzt nicht mehr über den Winter in den Keller, sondern verkaufen das ganzjährig.“Der zweite
Teil-Lockdown mitsamt den fehlenden Kunden vom Ferienpark Allgäu sei momentan „ordentlich spürbar“, so der Leutkircher, „da fehlt uns jetzt extrem was“.
Das bestätigt auch Norbert Kesenheimer, Inhaber der Spieleecke in der Bachstraße, der „insgesamt eigentlich zufrieden ist“. Doch Lieferschwierigkeiten hätte er auch, und „.natürlich fehlen die Center-ParcsLeute“. Darüber, wie das Weihnachtsgeschäft laufen wird, wagt er noch keine Prognose. „Kommt ganz drauf an, ob mehr im Internet verkauft wird.“Er selbst macht dort gar keine Geschäfte. „Mit Internet? Nein, da mach’ ich gar nichts, da müsste ich mich jetzt ja noch umstellen.“
Der Dritte im Bunde der Leutkircher Spielwarenhändler ist Hans-Joachim Fessler von Fesslers Spielkiste, dem Spielwarenladen in der Fußgängerzone. „Ich mache schon Internet, ungefähr ein Drittel vom gesamten Umsatz.“Zum Glück, wie er sagt, laufe das jetzt automatisch weiter. Er bemerkt „30 Prozent fehlende CenterParcs-Kundschaft durch den zweiten Lockdown“. Außerdem ärgert er sich immer noch über den ersten Lockdown, als er schließen musste, „und Filialisten wie Kaufmarkt oder Müllermarkt weiter Spielsachen verkaufen durften“.
Insgesamt werde in den Familien schon mehr gespielt, das sagen die drei Einzelhändler unisono. Bei Puzzles, Karten- und Gesellschaftsspielen sei schon ein Umsatzplus zu verzeichnen. Was die gestiegene Nachfrage aber erschwere, sei ein Engpass bei der Warenbeschaffung. „Wir haben Firmen, die kommen mit der Warenherstellung nicht mehr nach“, erzählt Zorn. Beim Ravensburger Spieleverlag hätte er gerade 18 Puzzles bestellt und nur eines sei gekommen.
„Dazu kommt noch ein Engpass bei Firmen, die Teile ihrer Ware in Behinderteneinrichtungen fertigen lassen.“Bleiben die Arbeitskräfte coronabedingt daheim, stockt die Produktion. „Dann wird alles sehr kompliziert“, so Zorn, „und für unser Weihnachtsgeschäft ist das nicht gerade förderlich.“Das würde natürlich nicht das gesamte Sortiment betreffen, aber sei „insgesamt schon eine Herausforderung“. Auch HansJoachim Fessler macht der „nicht funktionierende Warenbezug“zu schaffen. „Lego liefert gerade überhaupt nichts an Altwaren“, erzählt er, „nur die ganz neuen Sachen, und bei Ostheimer kriegen Sie keine einzige Krippenfigur, weil die Leute fehlen, die sie herstellen.“
Die drei Leutkircher Spielwareneinzelhändler schauen trotzdem einigermaßen zuversichtlich in die Zukunft. „Aber nur, falls keine weiteren Beschränkungen anstehen“, sagt Hans-Joachim Fessler. „Die Leute gehen ja nicht in Urlaub, bleiben daheim und Geld für Geschenke ist da“, prophezeit er. Und schiebt noch ein „Hoffentlich!“nach.