Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Engel schnitzen erfüllt Christian Felder
Lebensgroßes Unikat begleitet im Advent die evangelische Gemeinde in Kißlegg
KISSLEGG - Ein außergewöhnlicher lebensgroßer Holzengel begrüßt an den Adventssonntagen die Kirchenbesucher der evangelischen Pfarrei in Kißlegg. Auch im Gemeindehaus sowie in der Kirche sind geschnitzte Engel zu bestaunen. Der Künstler ist Christian Felder aus Reichenhofen. Seine Engel bestehen aus Kopf, Körper und Flügel, ohne Gesicht und Schnick-Schnack. Der lebendige Werkstoff Holz soll wirken, Maserungen, Strukturen, Rinde und Form sowie die immer anderen Flügel machen jeden Engel zum Unikat, zur „einmaligen Skulptur“, zum Kunstwerk schlechthin.
Holz hat für den gelernten Zimmermann Felder schon immer rein beruflich große Bedeutung gehabt. Privat interessierte ihn aber die Kunst des Schnitzens, und er arbeitete sich gründlich ein. Durch eine längere Krankheit fand er im Engelschnitzen Zufriedenheit, Glück und Erfüllung. „In meinem Leben hat sich durch diese Kunst unglaublich Schönes ergeben. Ich habe viele Menschen kennengelernt, viele Geschichten gehört, und ich weiß, dass Engel den Menschen gut tun“, sagt Felder.
Den Engel für Kißlegg hat er aus einem alten Birnenbaum aus Litzis bei Wigratzbad nahe Wangen herausgearbeitet. Gut eine Woche hat es gedauert, bis der lebensgroße Engel mit rund 200 Kilo Gewicht fertig war. Aus dem alten Stamm kam durchs Schnitzen eine außergewöhnliche
Maserung heraus, die viel dunkler als das Birnenholz war und ein fast abstraktes löchriges Muster zeigte. Das Holz der fertigen Figur wurde nur mit Leinöl eingelassen. Nun wirkt sie fast majestätisch.
Doch nicht nur das Erscheinungsbild eines Felder-Engels, auch die Bedeutung, die Seele, wie es der Künstler nennt, sind einmalig. Oft bekommt er einen Holzrohling aus Kirsch- oder Walnussholz, aus dem der gewünschte Engel entstehen soll.
Felder schnitzt auf Wunsch Engel für Kranke oder Verstorbene, für Gräber oder Friedwald, für Menschen fern der Heimat, für Kinder, Enkel und Angehörige zur ewigen Erinnerung. Er lässt sich zuerst über die Person, die den Engel bekommen soll, etwas erzählen. Dieses geistige Bild nimmt er mit in die Werkstatt, wenn er das Kunstwerk angeht. Es entsteht, was entstehen soll. Manche Engel haben Namen, jedoch nie ein Gesicht. Etwas geheimnisvoll-mystisches soll bleiben, denn Engel sind besondere Wesen. Christian Felder glaubt als Christ daran, dass Engel unter den Menschen sind und jeder seinen eigenen Schutzengel hat. „Engel schnitzen ist für mich weniger ein Hobby, es ist eine Art Erfüllung. Ich habe damit nicht nur meine eigene Krankheitskrise bewältigt, sondern gemerkt, wie ich bei anderen Menschen Herz und Seele öffnen kann“, sagt der Allgäuer mit ruhiger, warmer Stimme. Zu jeder Jahreszeit schnitzt er, besonders während des Winters.
Pfarrer Friedemann Glaser ging am ersten Adventssonntag im Gottesdienst auf das Thema Engel ein und erklärte, dass die Engel von Christian Felder nicht glatt und perfekt wirken, sondern dass man dem Holz seine Geschichte ansieht. Vergleichbar mit einem Menschenleben mit Höhen und Tiefen, mit Wachstum, aber auch Verletzungen und Narben. Wie beim Baum wird daraus etwas Ganzes, Wertvolles, Individuelles. Auch ging der Seelsorger auf die Bedeutung von Engeln und Erzengeln in der Bibel ein.