Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Sinkende Reißnagel-Inzidenz
Natürlich bringt der Distanzunterricht neben anderen Schwierigkeiten ganz erhebliche Probleme im Bereich des Schülerstreichs mit sich. Ist die Klasse per Videokonferenz versammelt, riskiert der Klassenkasper, kurzerhand abgeschaltet zu werden, wenn er seinem Metier nachgeht. Ist es zu laut, kann die Lehrkraft das nervende Geräuschniveau am Computer wie beim Radio einfach leiser drehen.
Auch die rustikale Disziplin des körperlichen Scherzes stößt an Grenzen. Wie, bitte schön, soll ein versierter Schlingel einen Reißnagel auf den Stuhl der Lehrerin bugsieren, wenn kein Präsenzunterricht stattfindet? Auf dem Postweg die Reißzwecken zu senden, mit der freundlichen Bitte, sie mit Dorn nach oben selbst auf dem Sitz zu platzieren, wird selbst beim feinfühligsten Pädagogen wenig Erfolg haben.
Andere Rüpeleien sind beim Homeschooling wiederum viel einfacher umzusetzen, zum Beispiel heimlich auf der Toilette zu rauchen. Auch despektierliche Schmierereien auf den Klokacheln können vollkommen ungestört entstehen. Dafür einen Verweis einzufangen, ist sowieso ausgeschlossen, zumal es im Moment nicht möglich ist, den Flegel ins Rektorenzimmer zu zitieren. Das verbietet die gültige Infektionsschutzverordnung.
Ohnehin sind die Schulleiter eh nicht zugegen. Vermutlich arbeiten sie gerade an einer ausgeklügelten Digital-Strategie für die vierte oder fünfte Welle. Nur manchmal, nachts, wenn alle Schüler schlafen, kann man sie durch die leeren Schulflure wandeln sehen. Und melancholisch den Schulgong betätigen. (nyf)