Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Vereine haben es jetzt leichter
Seit dem 1. Januar gelten neue Regeln – Wovon gemeinnützige Gruppen nun profitieren
RAVENSBURG - Steuerliche Erleichterungen und bessere Bedingungen für Vereine – darauf haben sich CDU und SPD bereits 2017 geeinigt. Seit dem 1. Januar gilt für Vereine ein neues Gesetz. Ein darin festgeschriebenes Maßnahmenpaket soll Entlastungen und höhere Freigrenzen bringen.
Von welchen Erleichterungen profitieren die Vereine?
Kern des Pakets ist die Erhöhung der Übungsleiterpauschale. Diese können Vereine steuerfrei an Ehrenamtler wie etwa Fußballtrainer, Chorleiter oder Betreuer zahlen. Bislang durften Vereine Übungsleiter maximal mit 2400 Euro pro Jahr honorieren, ohne dass Steuern oder Sozialabgaben anfallen. Diese Grenze liegt seit dem 1. Januar bei 3000 Euro. Zudem ist die steuer- und sozialabgabenfreie Ehrenamtspauschale von 720 auf 840 Euro gestiegen. Diese zahlen Vereine als Aufwandsentschädigung an Mitglieder. Übungsleiterund Ehrenamtspauschale werden auf das Jahr gerechnet. Der Fußballtrainer bekommt damit genausoviel wie der Betreuer in einem zweiwöchigen Sommercamp.
Auch dürfen Vereine im wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb mehr einnehmen. Sprich: Sie dürfen beispielsweise mit Ausschank oder Kuchenverkauf bei Veranstaltungen mehr steuerfrei verdienen. Sie müssen erst Einnahmen ab 45 000 Euro, statt bisher 35 000 Euro, versteuern. Für Sportvereine gilt diese Freigrenze schon. „Wir wollten, dass das für alle Vereine gilt und alle gleichberechtigt sind“, erklärt Antje Mohrmann, Sprecherin des baden-württembergischen Finanzministeriums. Kleine Spenden und Zuwendungen an Vereine werden künftig einfacher. Diese müssen erst ab 300 Euro einen Spendennachweis ausstellen, darunter genügt ein Kontoauszug als Nachweis für das Finanzamt. Bislang war das nur bis 200 Euro möglich.
Was gibt es neben den Entlastungen bei der Steuer?
Die Bundesregierung hat im Juni 2020 die Stiftung Engagement und Ehrenamt gegründet. Sie soll Vereine bei Anträgen für Fördermittel und Vernetzung unterstützen. Außerdem soll sie auch Ideen, etwa für die Digitalisierung, weitergeben.
Welchen Zweck verfolgt das neue Paket?
Im Koalitionsvertrag von 2017 haben CDU/CSU und SPD die „Stärkung der Zivilgesellschaft und des Ehrenamts“als Ziel erklärt. Konkret sollte es weniger Bürokratie und mehr Wertschätzung für die Freiwilligen geben. Der Bundesrat hatte im Oktober nochmals auf diese Verbesserungen gedrängt. Im Südwest-Finanzministerium begrüßt man das neue Gesetz. Finanzministerin Edith
Sitzmann (Grüne) betont: „Mit der Anhebung der jährlichen Freigrenze für Einnahmen aus dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb von 35 000 Euro auf 45 000 Euro werden Vereine doppelt unterstützt. Es bleibt mehr Geld für die gemeinnützigen Tätigkeiten und der Verwaltungsaufwand wird reduziert.“
Was denken die Vereine über das neue Paket?
Tobias Lemmer vom Musikverein Gornhofen (Ravensburg) weiß, dass Vereine oft hohe Kosten decken müssen. „Viele Dirigenten sind mittlerweile freiberuflich unterwegs“, sagt der Vorsitzende. Diese müssten die Vereine bezahlen. Deshalb freut er sich auch über die Erhöhung der Übungsleiterpauschale. Damit kann der Verein Dirigenten und Chorleiter entlohnen. In der Corona-Pandemie bedeuten ausgefallene Konzerte zudem enorme Einnahmeeinbußen.
Auch Christian Heieck, der Vizepräsident des schwäbischen Chorverbands, lobt die neuen Hilfen: „Die Mitglieder bekommen einen höheren Anreiz, sich ehrenamtlich zu engagieren“, sagt er. Solche Maßnahmen gebe es immer wieder, sie seien durchaus sinnvoll. Vor allem die Erhöhung der steuerlichen Freigrenze entlaste kleine Vereine. Denn oft gehen die Einnahmen nicht über eine Grenze von 45 000 Euro hinaus. „Die bleiben dann vom Verwaltungsaufwand befreit“, erklärt Heieck. Auch die einfacheren Spendennachweise hält Heieck für wichtig. Denn auch diese bedeuteten weniger Bürokratie. „Jeder Schritt in Richtung Entbürokratisierung ist ein guter Schritt“, sagt Heieck.
Trotzdem hat er weitere Wünsche an die Politik. So müsse man überlegen, wie man Vereinsvorstände zusätzlich entlasten könne. Deshalb ist der Chorverband auch im ständigen Austausch mit dem Land.
Vor allem im Hinblick auf die Zukunft, wenn die Corona-Pandemie vorbei sei. Dann müsse man die Vereine wieder aufbauen. „Es ist wichtig, dass die Vereine als Pfeiler der Gesellschaft gut erhalten bleiben.“
Patrik Zimmermann, Sprecher des Landessportverbands BadenWürttemberg, sieht die neue Regelung ebenfalls positiv. Er sagt: „Die höheren Freigrenzen zahlen auf das aktuelle Problem der Corona-Krise ein.“Die Vereine könnten jetzt mehr Geld beiseitelegen und so künftig ausbleibende Einnahmen kompensieren. Die um 10 000 Euro angehobene Grenze mache sich vor allem für kleine und mittlere Vereine bemerkbar, so Zimmermann.
Auch das Bayerische Rote Kreuz profitiert von den Neuerungen. Sprecher Sohrab Taheri-Sohi sagt: „Wir finden auch die Signalwirkung gut, dass das Ehrenamt gestärkt wird.“Beim BRK trifft die Neuregelung etwa die Aufwandsentschädigungen für ehrenamtliche Rettungsdienstler.
Wo hapert es noch?
Laut Koalitionsvertrag sollten auch Bundesfreiwilligendienst und das Freiwillige Soziale Jahr gestärkt werden. Im November hat die Bundesregierung eingeräumt, dass hier nicht genügend Stellen bereitstehen, um die Nachfrage decken zu können. Viele Vereine sind auf die freiwilligen Kräfte angewiesen.
Der Bundesrat hat zudem eine Regelung aus dem Gesetz gestrichen, auf die viele Vereine gehofft hatten. Sie sollte Rechtssicherheit für den gemeinnützigen Status von Vereinen schaffen. Seit einem Urteil des Bundesfinanzhofs von 2019 herrscht hier Verunsicherung. Die Richter hatten damals den Globalisierungsgegnern von Attac die Gemeinnützigkeit entzogen. Sie argumentierten, der Verein sei nicht „geistig offen“. Attac muss seitdem deutlich mehr Steuern bezahlen und darf keine Spendennachweise mehr ausstellen. Für andere Vereine mit politischer oder ideologischer Ausrichtung bedeutet das, dass sie vorsichtiger agieren müssen.
Die Allianz für Rechtssicherheit für politische Willensbildung will nach dem Urteil Klarheit schaffen. Der Vorsitzende Stefan DiefenbachTrommer kritisiert in einer Mitteilung den Bundesratsbeschluss. Fatal sei die Weigerung der Mehrheit im Rat, Rechtssicherheit für Vereine und Stiftungen zu schaffen. „Viele Vereine und Stiftungen sind spätestens seit dem Attac-Urteil in Sorge um ihren Status, wenn sie sich politisch einmischen“, sagt er. Allerdings erweitert das neue Gesetz den Katalog an Vereinszwecken, die für eine Gemeinnützigkeit Voraussetzung sind, um die Punkte Klimaschutz, Freifunk und Ortsverschönerung. Vereine müssen einem Zweck aus diesem Katalog dienen, um als gemeinnützig gelten zu können.