Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Reitverein investiert in die Jugendarbeit
Wallach „Diminuendo“macht in schwierigen Zeiten die Voltigierabteilung wieder komplett
ISNY/RATZENHOFEN - Der Reit- und Fahrverein Isny-Rohrdorf hat für mehrere Tausend Euro ein Pferd gekauft. Der neunjährige Wallach „Diminuendo“kommt aus Verden an der Aller in Niedersachsen und macht die Turniergruppe der Voltigier-Abteilung nach zwei Jahren ohne Pferd wieder komplett. Mutig? „Auf jeden Fall“, sagt Vereinschef JohannesGeorg von Olnhausen. „Aber wir hatten keine Alternative. Wir stehen für eine nachhaltige Jugendarbeit, und die unterstützen wir auch in schwierigen Zeiten.“
Für die Isnyer Voltigierer waren die zurückliegenden Monate nicht einfach: Wo normal auf einem galoppierenden Pferd fast zirkusreif und kunstvoll geturnt wird, sind seit fast zwei Jahren Zirkeltraining im Hallensand und Liegestützen auf der Matte angesagt. „Erst war unsere Stute verletzt, dann war klar, dass sie im Sport nicht mehr gehen kann, und dann haben wir über ein Jahr nach einem passenden, neuen Pferd gesucht“, erzählt Abteilungsleiterin Anne Weber von einer zermürbenden Zeit.
27 Mal brachen die Pferdesportler mit ihrer Spezialausrüstung auf, um junge Pferde zu testen, die möglicherweise für den Sport geeignet wären. Mehrere Tausend Kilometer reisten sie durch Deutschland und klapperten Verkaufs- und Privatställe ab. „Es war wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen“, beschreibt Vereinschef von Olnhausen die knifflige Aufgabe, ein gesundes und sicheres Pferd zu finden.
Jetzt ist die Zeit des Wartens endlich vorbei: Der zweite Vorsitzende
Alvar Schmidt-Bandelow hatte den richtigen Kontakt und fand einen „Teampartner“für die jungen Sportler, „der starke Nerven und einen butterweichen Galopp mitbringt“. Sobald ein Training wieder gestattet ist, kann es losgehen, bis dahin bildet Anne Weber den Rappen behutsam aus. „Diminuendo läuft wie am Schnürchen“, freut sich die Longenführerin über die Fortschritte des Pferds, das direkt neben der Reitanlage in Ratzenhofen im Stall bei Beate und Wolfgang Biesinger steht.
Gute Aussichten für alle Athleten – sogar die Kleinsten freuen sich mit: „Das Training in unseren vier Gruppen ist so aufgebaut, dass gut ausgebildete junge Voltigierer die Turniergruppe ständig verstärken“, erklärt Anne Weber das System, in dem Kinder
und Jugendliche aller Altersklassen immer gemeinsam erfolgreich sind. „Erfahrene Turnerinnen helfen den Kleineren, die mit ihrem leichten Gewicht spektakuläre Hebefiguren turnen.“
So entsteht in der Kür eine atemberaubende Choreografie im Galopp. Der einzigartige Sport verbindet turnerische Leichtigkeit auf dem Pferderücken mit Musik. Auf Turnieren fließen Kreativität, Ausdruck und Eleganz in die Wertung mit ein. Der Knackpunkt: Bei der Bewertung der Mannschaft zählt die Leistung des Pferdes ein Drittel der Gesamtnote. Deshalb wird das junge, talentierte Dressurpferd mit dem breiten Rücken derzeit behutsam an seine Aufgabe herangeführt. „Wir üben gerade das Anlaufen und Aufspringen“, sagt Anne Weber, die schon mehrere Pferde ausgebildet hat und zur bis zur Turnierreife formen konnte.
Bis die Isnyer Turniermannschaft in einer Prüfung starten kann, dauert es allerdings. „Für Diminuendo ist diese Disziplin noch ganz neu“, erklärt Weber. Beim Voltigierturnier in Ratzenhofen im September werden trotzdem Isnyer zu sehen sein: Die drei Nachwuchsmannschaften turnen ihre Übungen auf zwei Privatpferden im Schritt oder im Trab. Bis die Jüngsten im Galopp freihändig auf einem Pferd stehen können, dauert es oft Jahre.
Bis dahin hofft der Verein, möglichst viele Sponsoren und Freunde des Sports zu finden, die das mutige Vorhaben unterstützen. „Uns ist bewusst, dass wir mit unserer Investition und unseren Anfragen in einer sehr schwierigen Zeit starten“, sagt Johannes-Georg von Olnhausen. Die Jugend im Stich zu lassen sei aber nie eine Alternative gewesen. „Wir glauben fest daran, auch jetzt Menschen zu finden, denen eine wertvolle und effektive Jugendarbeit am Herzen liegt.“
Sein stärkstes Argument: Der Reitverein genieße gerade in der Sparte Voltigieren einen außerordentlich guten Ruf. Seit fast zwei Jahrzehnten bildet Anne Weber immer neue junge Sportler aus, die auch im Leben ihren Weg gehen. „Wer je bei einem Voltigierturnier zugesehen hat, weiß sofort, warum“, sagt Micaela Halder aus dem Vorstandsteam des Vereins. Die jungen Athleten legten eine extreme Disziplin an den Tag, zeigten Teamgeist und Verantwortungsgefühl. „In keiner anderen Sportart, die ich kenne, steht das Miteinander so sehr im Mittelpunkt wie hier.“