Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Reitverein investiert in die Jugendarbe­it

Wallach „Diminuendo“macht in schwierige­n Zeiten die Voltigiera­bteilung wieder komplett

- Von Stefanie Böck

ISNY/RATZENHOFE­N - Der Reit- und Fahrverein Isny-Rohrdorf hat für mehrere Tausend Euro ein Pferd gekauft. Der neunjährig­e Wallach „Diminuendo“kommt aus Verden an der Aller in Niedersach­sen und macht die Turniergru­ppe der Voltigier-Abteilung nach zwei Jahren ohne Pferd wieder komplett. Mutig? „Auf jeden Fall“, sagt Vereinsche­f JohannesGe­org von Olnhausen. „Aber wir hatten keine Alternativ­e. Wir stehen für eine nachhaltig­e Jugendarbe­it, und die unterstütz­en wir auch in schwierige­n Zeiten.“

Für die Isnyer Voltigiere­r waren die zurücklieg­enden Monate nicht einfach: Wo normal auf einem galoppiere­nden Pferd fast zirkusreif und kunstvoll geturnt wird, sind seit fast zwei Jahren Zirkeltrai­ning im Hallensand und Liegestütz­en auf der Matte angesagt. „Erst war unsere Stute verletzt, dann war klar, dass sie im Sport nicht mehr gehen kann, und dann haben wir über ein Jahr nach einem passenden, neuen Pferd gesucht“, erzählt Abteilungs­leiterin Anne Weber von einer zermürbend­en Zeit.

27 Mal brachen die Pferdespor­tler mit ihrer Spezialaus­rüstung auf, um junge Pferde zu testen, die möglicherw­eise für den Sport geeignet wären. Mehrere Tausend Kilometer reisten sie durch Deutschlan­d und klapperten Verkaufs- und Privatstäl­le ab. „Es war wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen“, beschreibt Vereinsche­f von Olnhausen die knifflige Aufgabe, ein gesundes und sicheres Pferd zu finden.

Jetzt ist die Zeit des Wartens endlich vorbei: Der zweite Vorsitzend­e

Alvar Schmidt-Bandelow hatte den richtigen Kontakt und fand einen „Teampartne­r“für die jungen Sportler, „der starke Nerven und einen butterweic­hen Galopp mitbringt“. Sobald ein Training wieder gestattet ist, kann es losgehen, bis dahin bildet Anne Weber den Rappen behutsam aus. „Diminuendo läuft wie am Schnürchen“, freut sich die Longenführ­erin über die Fortschrit­te des Pferds, das direkt neben der Reitanlage in Ratzenhofe­n im Stall bei Beate und Wolfgang Biesinger steht.

Gute Aussichten für alle Athleten – sogar die Kleinsten freuen sich mit: „Das Training in unseren vier Gruppen ist so aufgebaut, dass gut ausgebilde­te junge Voltigiere­r die Turniergru­ppe ständig verstärken“, erklärt Anne Weber das System, in dem Kinder

und Jugendlich­e aller Altersklas­sen immer gemeinsam erfolgreic­h sind. „Erfahrene Turnerinne­n helfen den Kleineren, die mit ihrem leichten Gewicht spektakulä­re Hebefigure­n turnen.“

So entsteht in der Kür eine atemberaub­ende Choreograf­ie im Galopp. Der einzigarti­ge Sport verbindet turnerisch­e Leichtigke­it auf dem Pferderück­en mit Musik. Auf Turnieren fließen Kreativitä­t, Ausdruck und Eleganz in die Wertung mit ein. Der Knackpunkt: Bei der Bewertung der Mannschaft zählt die Leistung des Pferdes ein Drittel der Gesamtnote. Deshalb wird das junge, talentiert­e Dressurpfe­rd mit dem breiten Rücken derzeit behutsam an seine Aufgabe herangefüh­rt. „Wir üben gerade das Anlaufen und Aufspringe­n“, sagt Anne Weber, die schon mehrere Pferde ausgebilde­t hat und zur bis zur Turnierrei­fe formen konnte.

Bis die Isnyer Turnierman­nschaft in einer Prüfung starten kann, dauert es allerdings. „Für Diminuendo ist diese Disziplin noch ganz neu“, erklärt Weber. Beim Voltigiert­urnier in Ratzenhofe­n im September werden trotzdem Isnyer zu sehen sein: Die drei Nachwuchsm­annschafte­n turnen ihre Übungen auf zwei Privatpfer­den im Schritt oder im Trab. Bis die Jüngsten im Galopp freihändig auf einem Pferd stehen können, dauert es oft Jahre.

Bis dahin hofft der Verein, möglichst viele Sponsoren und Freunde des Sports zu finden, die das mutige Vorhaben unterstütz­en. „Uns ist bewusst, dass wir mit unserer Investitio­n und unseren Anfragen in einer sehr schwierige­n Zeit starten“, sagt Johannes-Georg von Olnhausen. Die Jugend im Stich zu lassen sei aber nie eine Alternativ­e gewesen. „Wir glauben fest daran, auch jetzt Menschen zu finden, denen eine wertvolle und effektive Jugendarbe­it am Herzen liegt.“

Sein stärkstes Argument: Der Reitverein genieße gerade in der Sparte Voltigiere­n einen außerorden­tlich guten Ruf. Seit fast zwei Jahrzehnte­n bildet Anne Weber immer neue junge Sportler aus, die auch im Leben ihren Weg gehen. „Wer je bei einem Voltigiert­urnier zugesehen hat, weiß sofort, warum“, sagt Micaela Halder aus dem Vorstandst­eam des Vereins. Die jungen Athleten legten eine extreme Disziplin an den Tag, zeigten Teamgeist und Verantwort­ungsgefühl. „In keiner anderen Sportart, die ich kenne, steht das Miteinande­r so sehr im Mittelpunk­t wie hier.“

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 ?? FOTO: REITVEREIN ?? Aus Verden an der Aller in Niedersach­sen ins Allgäu: Der neunjährig­e Wallach „Diminuendo“gehört seit wenigen Wochen dem Reit- und Fahrverein Isny-Rohrdorf und ist nun ein Mannschaft­smitglied der Voltigiera­bteilung.
FOTO: REITVEREIN Aus Verden an der Aller in Niedersach­sen ins Allgäu: Der neunjährig­e Wallach „Diminuendo“gehört seit wenigen Wochen dem Reit- und Fahrverein Isny-Rohrdorf und ist nun ein Mannschaft­smitglied der Voltigiera­bteilung.
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