Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Reue bei Hitzlsperger, gute Vorsätze beim Trainer
Während sich der Vorstandschef des VfB beim Präsidenten entschuldigt, will der Coach endlich zu Hause siegen
STUTTGART - Achtzehn Tage hatte Vorstandschef Thomas Hitzlsperger Zeit, über die Macht seiner gnadenlosen Worte nachzudenken. Über seinen Frontalangriff auf Präsident Claus Vogt, der am 28. Dezember für ein Erdbeben beim VfB Stuttgart gesorgt hatte – und in der Folge auch für viel Widerstand der Fans gegen den 38jährigen Ex-Nationalspieler, der selbst Clubchef werden will. „Ein starker Präsident hätte mit der Rückendeckung seiner Gremien unweigerlich den Chef der Tochtergesellschaft am gleichen Tag entlassen müssen“, sagte kürzlich nicht ganz zu unrecht der Sportrechtsexperte Christoph Schickhardt, der dem Club nahesteht. Nur: Vogt hatte diese Rückendeckung offenbar nicht – und wehrte sich seinerseits mit einem offenen Brief.
Schickhardt sah die Lage bis Donnerstag so: „Hitzlsperger wird wissen, welches Risiko er eingeht: Wenn er die Wahl zum Präsidenten verliert, dann wird er wohl auch als Vorstandsvorsitzender gehen müssen. Mutig ist dies schon. Plausibel auch. Es ist jedoch ein sehr schmaler Grat und ein Ritt auf dem Rasiermesser. Hitzlsperger war bis jetzt die letzte intakte Integrationsfigur beim VfB – so jedenfalls haben ihn viele Mitglieder und die Öffentlichkeit in den letzten turbulenten Jahren gesehen. Diese ausgleichende Position hat er mit der Auslösung dieses Konflikts und dem öffentlich ausgetragenen Streit endgültig aufgegeben.“
Und offenbar sah Hitzlsperger nun ein, dass er übers Ziel hinausgeschossen ist. Am Freitag ging er zumindest einen Schritt auf Vogt zu und entschuldigte sich in einem weiteren offenen Brief beim Präsidenten für seine Attacke. An seiner Kampfkandidatur um dessen Amt hält er aber offenbar fest. „Es tut mir aufrichtig leid, dass ich gegenüber Claus Vogt Worte gewählt habe, die nicht angemessen waren und ihn persönlich getroffen haben“, schrieb Hitzlsperger: „Es liegt mir fern, ihn als Person zu verletzen. Ich habe mich im Ton vergriffen.“Er habe in seinem Schreiben lediglich seine Motive für die Kandidatur begründen wollen. Dabei habe er die Wucht seiner Aktion ebenso „unterschätzt“wie den Fakt, dass er Vogt damit angegriffen habe, schrieb Hitzlsperger. Deshalb wolle er Vogt, wie am Montag bereits in einer Aufsichtsratssitzung angekündigt, „um Entschuldigung bitten“. Bei allen Differenzen in der Sache „sollten wir unter VfBlern jetzt und in Zukunft respektvoll miteinander umgehen“.
Neben Hitzlsperger und Vogt hat sich auch der Remstäler Geschäftsmann Volker Zeh um das Präsidentenamt beworben. Der Vereinsbeirat wird maximal zwei Kandidaten für die Wahl im Frühjahr auswählen, ob Hitzlsperger mit seiner Reue im Wahlkampf Pluspunkte gesammelt hat, ist schwer zu beurteilen.
Das sportliche Urteil über die Leistungen des Bundesliga-Zehnten bleibt derweil einfacher: Man lerne und wachse weiter mit jedem Spiel, sagte Trainer Pellegrino Matarazzo am Freitag. Das 4:1 beim FC Augsburg war das beste Beispiel – und führte zu einer merkwürdigen Diskrepanz: Auswärts ist der VfB mit 17 Zählern Ligaerster, zu Hause mit vier Zählern Ligasechzehnter und noch sieglos, was sich am Samstag gegen Borussia Mönchengladbach (18.30 Uhr), auf das der VfB zwei Wochen später zudem im PokalAchtelfinale trifft, ändern soll.
Matarazzo hatte zuletzt scherzhaft erwogen, vielleicht werde man künftig auch vor Heimspielen ins Hotel ziehen, am Freitag meinte er, man überlege, mit dem Mannschaftsbus vor dem Stadion die Route zu ändern und die Spieler im Kreisverkehr ein wenig zu schütteln. „Vielleicht setzt das Energie frei.“Auch das war natürlich nur Spaß. Andere Teams – etwa Köln, Mainz oder Bremen – seien auswärts ebenfalls stärker als zu Hause, dennoch sei „die Disbalance bei uns natürlich krass“, räumte der Trainer ein. Er bleibt aber dabei, dass das Phänomen dem Zufall geschuldet sei. „Unsere Heimgegner waren bisher im Schnitt etwas stärker, aber nicht weltbewegend. Und wir haben auch zu Hause stets unsere Leistung gebracht. Auch heutzutage ist im Fußball noch nicht alles erklärbar.“
Zuversichtlich ist Matarazzo derweil, dass der VfB weiter Freude an seinen Jungstars wie Nicolas Gonzalez oder Orel Mangala hat: „Als Trainer kann ich dafür sorgen, dass sie sich wohlfühlen und sich sportlich entwickeln, und das können sie bei uns. Ich bin guter Dinge, dass wir diese Spieler halten können.“