Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Kultur, Sport, Ehrenamt
Streitpunkte vor der Landtagswahl – Das planen die Parteien
STUTTGART - Vieles, was Spaß macht, ist während der Pandemie nicht oder nur eingeschränkt möglich: Fußballplätze sind verwaist, Theater stehen seit Monaten leer, Musikvereine proben nur noch digital, große Konzerte finden schon lange nicht mehr statt. Dabei sind es die schönen Dinge, die eine Gesellschaft ausmacht und zusammenhält. Viele Parteien widmen der Kultur, dem Sport und dem Ehrenamt deshalb große Teile ihres Wahlprogrammes und versprechen Förderung durch die Krise und darüber hinaus. Was und wer genau jedoch gefördert werden soll, bewerten die Parteien vor der Landtagswahl ganz unterschiedlich. Ein Überblick.
Keine Livekonzerte, geschlossene Kinos, Museen und Clubs: Kulturschaffende hat die Corona-Pandemie besonders getroffen. Doch auch im Kontext der hohen Neuverschuldung soll nicht an Kunst und Kultur gespart werden – so versprechen es zumindest die meisten Parteien.
Den Grünen ist die wirtschaftliche Situation vieler Künstler und Kulturschaffenden ein Anliegen. Sie versprechen, sich für eine tarifvertragliche Bezahlung einzusetzen. „Für uns ist der Mindestlohn die Lohnuntergrenze im Kulturbereich“, schreiben sie in ihrem Wahlprogramm. Die Club- und Nachtkultur bezeichnen sie als Standortfaktor. Sie wollen der Clubkultur Perspektiven schaffen, als Kulturräume gefördert werden zu können, sowie Sperrzeiten für die Gastronomie abschaffen.
Die CDU will ein Sonderprogramm für die Breitenkultur auflegen. Die Chorleiter- und Dirigentenpauschale für die Chor- und Blasmusikvereine soll künftig entsprechend der Zahl der Ensembles pro Verein ausgezahlt werden. „Damit erreichen wir eine lange geforderte Angleichung an den Sport“, heißt es im Wahlprogramm. Die Landesförderung für die Amateurtheater sowie die Heimat- und Trachtenverbände soll um mindestens 50 Prozent erhöht werden. Außerdem soll die Förderung von Musik- und die Jugendkunstschulen erhöht werden – auf 15 Prozent der anerkannten Kosten für das pädagogische Personal.
Die AfD will die Grundfinanzierung der „zentralen“Institutionen der Kulturlandschaft Baden-Württembergs sicherstellen. Dazu zählt die Partei unter anderem die Symphonieorchester, die Museen, die Theater sowie die Opernhäuser. Sie betont jedoch: Der „Kampf gegen rechts“sei keine Kunstgattung. Die staatliche Förderung „kulturlinker Vereine, die unter dem Deckmantel von Kunst und Kultur Klientelpolitik betreiben“, lehne sie ab.
Die SPD hat sich zum Ziel gesetzt, ein Kultursterben infolge der Corona-Krise zu verhindern und neue Impulse zu ermöglichen. Soloselbstständigen Künstlern und Kreativen soll durch Fördermaßnahmen der Einstieg in die Digitalisierung ihrer Tätigkeit erleichtert werden. Die Kulturpolitik soll für transparente Förderung und verlässliche Finanzierung stehen. Bei Dauerausstellungen und Präsentationen von Sammlungen in baden-württembergischen Museen, an denen das Land beteiligt ist, soll der Eintritt frei sein. Kulturbotschafter sollen insbesondere Kinder und Jugendliche im schulischen Kontext für Kunst, Kultur und Tanz begeistern. Die Förderfähigkeit soll auf Institutionen wie Clubs ausgeweitet werden.
Die FDP will die Jahre 2021 und 2022 „durch eine besondere Förderung zu baden-württembergischen Kulturjahren“machen und „durch mehr kulturelle Bildungsangebote die Nachfrage nach Kunst und Kultur stimulieren“. Der Bürokratieaufwand bei der Kulturförderung soll reduziert werden, außerdem will die FDP die private Unterstützung von Kulturschaffenden und Kultureinrichtungen fördern.
„In der Kulturbranche arbeiten in Baden-Württemberg so viele Menschen wie in der Autoindustrie, doch erhalten sie nicht annährend die gleiche Unterstzützung und Aufmerksamkeit“, schreiben die Linken in ihrem Wahlprogramm und fordern unter anderem, dass öffentlich bezuschusste Kultureinrichtungen kostenfrei und barrierefrei allen offenstehen. Die Club- und Partyszene soll gestärkt und einem Clubsterben entgegengewirkt werden, zum Beispiel durch ein Gewerbemietrecht mit regulierten Mieten und Kündigungsschutz. Die Linke setzt außerdem auf mehr Kunst am Bau und im öffentlichen Raum.
In Baden-Württemberg sind mehr als 3,7 Millionen Menschen in rund 11 400 Sportvereinen organisiert. Doch für viele Kommunen ist der Unterhalt der Sportstätten zu kostspielig. In rund jeder vierten Grundschule kann deshalb etwa kein Schwimmunterricht mehr stattfinden.
Die Grünen verweisen auf Erreichtes. „Mit dem Solidarpakt Sport III hat die grün-geführte Landesregierung die ehrenamtlichen Übungsleiter besser ausgestattet und die Fördermittel für den Bau von Sportstätten, insbesondere durch ein Sonderprogramm, deutlich erhöht.“Um die Sportvereine zu unterstützen, wollen die Grünen dies verlängern. Beim Bau und Unterhalt von Sportstätten und bei Sportveranstaltungen legen sie einen Schwerpunkt auf Klimaschutz und Nachhaltigkeit. Sie unterstützen die Initiative „Spitzensportland BadenWürttemberg“. Frauen sollen besonders gefördert werden. Des Weiteren wollen sich die Grünen für eine gute Bäderinfrastruktur einsetzen und den Schwimmunterricht an Schulen und in Vereinen stärken. E-Sport-Vereine sollen genauso von der Gemeinnützigkeit profitieren können wie andere Sportvereine.
Auch die CDU verspricht einen Solidarpakt IV. Damit sollen die Voraussetzungen für einen barrierefreien Zugang zu den Sportstätten, für eine bessere Qualifizierung von ehrenamtlichen Übungsleitern, für die Sanierung von Sportstätten und die
Sicherung des Breiten- sowie Spitzensport, geschaffen werden. Zusätzlich will die CDU in die digitale Infrastruktur investieren, „damit sich Sportvereine noch besser miteinander vernetzen, ihre Mitglieder informieren und einen reibungslosen Übungs- sowie Wettbewerbsbetrieb sicherstellen können“, wie es im Wahlprogramm heißt. Außerdem verspricht die CDU, in die Sanierung kommunaler Sportstätten und Schwimmbäder einzusteigen.
Das will auch die SPD. Mithilfe eines Bäderprogramms in Höhe von 30 Millionen Euro sollen Bäder saniert werden. „Unser Land muss Austragungsort von nationalen und internationalen Wettkämpfen sein können“, schreiben die Sozialdemokraten. Dafür wollen sie die Spitzensportstätten im Land wieder „in Schwung bringen“.
Die FDP verspricht, dafür zu sorgen, dass jedes Kind in Baden-Württemberg schwimmen lernen kann. „Deshalb braucht Baden-Württemberg ein Programm zur Förderung kommunaler Schwimmbäder“, heißt es im Wahlprogramm. Zudem soll die Kooperation zwischen Schulen und Sportvereinen gestärkt und Bürokratie gesenkt werden. Die Selbstverwaltungshoheit der Sportverbände soll so weit wie möglich respektiert werden.
Die Linke kritisiert die vorrangige Förderung des Spitzensports und fordert unter anderem eine bedarfsgerechte Förderung der Amateursportvereine. Das Land soll künftig alle Kosten zur Umrüstung von Kunstrasenplätzen für Sportvereine übernehmen und dabei ökologische Aspekte berücksichtigen. Geht es nach den Linken, gibt es an Grundschulen flächendeckenden Schwimmunterricht.
Die AfD hingegen legt keinen besonderen Schwerpunkt auf den Sport. Sie will lediglich die „behördliche Gängelung“von Sportschützen beenden und spricht sich für eine Lockerung des Waffenrechts aus.
In Baden-Württemberg engagiert sich laut Information der Landeszentrale für politische Bildung fast jede zweite Person über zehn Jahren ehrenamtlich oder freiwillig. Mit 49 Prozent Beteiligung liegt das Bundesland neun Prozentpunkte über dem deutschen Durchschnitt. Die meisten der ehrenamtlich Engagierten sind demnach im kirchlichen Bereich tätig, gefolgt vom Ehrenamt in Kultur und Musik sowie im Sport. Viele Gemeinden, Vereine und karitative Einrichtungen können nur mit ehrenamtlich Engagierten ihre Aufgaben vollständig wahrnehmen.
Die SPD setzt einen Schwerpunkt auf Jugendverbandsarbeit. Sie will ehrenamtliche Tätigkeiten zum Beispiel als Ersatzleistungen in Schule und Studium anerkennen. Die Fördertagessätze für Jugendarbeit sollen weiter erhöht und dem realen Förderbedarf von 25 Euro pro Tag angepasst werden. Den Betreuungszuschuss und die Tagessätze für Qualifikation und Bildung von Jugendleitern soll erhöht und ein besseres Betreuungsverhältnis von Betreuern zu Kindern gefördert werden.
Die Grünen versprechen gar eine Ehrenamtsoffensive. Dazu gehört der Abbau bürokratischer Hürden, eine stärkere Vernetzung von Ehrenamtlichen, mehr Weiterbildungsmöglichkeiten und eine Ehrenamtskarte, mit der die Inhaberinnen Vergünstigungen, zum Beispiel beim Eintritt in Schwimmbäder oder Museen, erhalten. Die Landesmittel für die Jugendfreiwilligendienste sollen erhöht und der hohen Nachfrage nach Plätzen im Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) und Freiwilligen Ökologischen Jahr (FÖJ) gerecht werden.
„Um die breite ehrenamtliche Beteiligung zu sichern, werden wir die Unterstützung des Landes ausbauen und die Stelle eines Landesbeauftragten für das Ehrenamt schaffen“, steht im Wahlprogramm der CDU. Auch sie verspricht die Einführung einer Ehrenamtskarte. Außerdem soll die Beratungsund Serviceleistungen bei den Registergerichten weiter ausgebaut werden. Vereine und Ehrenamt sollen insgesamt entlastet werden.
Die FDP will vor allem Hürden abbauen – steuerliche, datenschutzrechtliche und ordnungsrechtliche. Außerdem wollen die Liberalen Anreize schaffen, um auch ältere Menschen und Menschen mit Behinderungen zu ehrenamtlichem Engagement zu ermutigen und ehrenamtliches Engagement im Katastrophenschutz besonders fördern. Die Linke betont die Stärkung der Vereinsstrukturen vor Ort und will Landesfördermittel für Vereins- und Jugendheime ausweiten. So soll etwa die Übungsleiterpauschale deutlich erhöht werden. Die AfD führt unter dem Schlagwort „Ehrenamt“vor allem die Wiedereinsetzung der Wehrpflicht an. Auch sie fordert außerdem eine Anpassung der Übungsleiterund Ehrenamtspauschale.