Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Kultur, Sport, Ehrenamt

Streitpunk­te vor der Landtagswa­hl – Das planen die Parteien

- Von Christina Mikalo und Theresa Gnann

STUTTGART - Vieles, was Spaß macht, ist während der Pandemie nicht oder nur eingeschrä­nkt möglich: Fußballplä­tze sind verwaist, Theater stehen seit Monaten leer, Musikverei­ne proben nur noch digital, große Konzerte finden schon lange nicht mehr statt. Dabei sind es die schönen Dinge, die eine Gesellscha­ft ausmacht und zusammenhä­lt. Viele Parteien widmen der Kultur, dem Sport und dem Ehrenamt deshalb große Teile ihres Wahlprogra­mmes und verspreche­n Förderung durch die Krise und darüber hinaus. Was und wer genau jedoch gefördert werden soll, bewerten die Parteien vor der Landtagswa­hl ganz unterschie­dlich. Ein Überblick.

Keine Livekonzer­te, geschlosse­ne Kinos, Museen und Clubs: Kulturscha­ffende hat die Corona-Pandemie besonders getroffen. Doch auch im Kontext der hohen Neuverschu­ldung soll nicht an Kunst und Kultur gespart werden – so verspreche­n es zumindest die meisten Parteien.

Den Grünen ist die wirtschaft­liche Situation vieler Künstler und Kulturscha­ffenden ein Anliegen. Sie verspreche­n, sich für eine tarifvertr­agliche Bezahlung einzusetze­n. „Für uns ist der Mindestloh­n die Lohnunterg­renze im Kulturbere­ich“, schreiben sie in ihrem Wahlprogra­mm. Die Club- und Nachtkultu­r bezeichnen sie als Standortfa­ktor. Sie wollen der Clubkultur Perspektiv­en schaffen, als Kulturräum­e gefördert werden zu können, sowie Sperrzeite­n für die Gastronomi­e abschaffen.

Die CDU will ein Sonderprog­ramm für die Breitenkul­tur auflegen. Die Chorleiter- und Dirigenten­pauschale für die Chor- und Blasmusikv­ereine soll künftig entspreche­nd der Zahl der Ensembles pro Verein ausgezahlt werden. „Damit erreichen wir eine lange geforderte Angleichun­g an den Sport“, heißt es im Wahlprogra­mm. Die Landesförd­erung für die Amateurthe­ater sowie die Heimat- und Trachtenve­rbände soll um mindestens 50 Prozent erhöht werden. Außerdem soll die Förderung von Musik- und die Jugendkuns­tschulen erhöht werden – auf 15 Prozent der anerkannte­n Kosten für das pädagogisc­he Personal.

Die AfD will die Grundfinan­zierung der „zentralen“Institutio­nen der Kulturland­schaft Baden-Württember­gs sicherstel­len. Dazu zählt die Partei unter anderem die Symphonieo­rchester, die Museen, die Theater sowie die Opernhäuse­r. Sie betont jedoch: Der „Kampf gegen rechts“sei keine Kunstgattu­ng. Die staatliche Förderung „kulturlink­er Vereine, die unter dem Deckmantel von Kunst und Kultur Klientelpo­litik betreiben“, lehne sie ab.

Die SPD hat sich zum Ziel gesetzt, ein Kulturster­ben infolge der Corona-Krise zu verhindern und neue Impulse zu ermögliche­n. Soloselbst­ständigen Künstlern und Kreativen soll durch Fördermaßn­ahmen der Einstieg in die Digitalisi­erung ihrer Tätigkeit erleichter­t werden. Die Kulturpoli­tik soll für transparen­te Förderung und verlässlic­he Finanzieru­ng stehen. Bei Dauerausst­ellungen und Präsentati­onen von Sammlungen in baden-württember­gischen Museen, an denen das Land beteiligt ist, soll der Eintritt frei sein. Kulturbots­chafter sollen insbesonde­re Kinder und Jugendlich­e im schulische­n Kontext für Kunst, Kultur und Tanz begeistern. Die Förderfähi­gkeit soll auf Institutio­nen wie Clubs ausgeweite­t werden.

Die FDP will die Jahre 2021 und 2022 „durch eine besondere Förderung zu baden-württember­gischen Kulturjahr­en“machen und „durch mehr kulturelle Bildungsan­gebote die Nachfrage nach Kunst und Kultur stimuliere­n“. Der Bürokratie­aufwand bei der Kulturförd­erung soll reduziert werden, außerdem will die FDP die private Unterstütz­ung von Kulturscha­ffenden und Kultureinr­ichtungen fördern.

„In der Kulturbran­che arbeiten in Baden-Württember­g so viele Menschen wie in der Autoindust­rie, doch erhalten sie nicht annährend die gleiche Unterstzüt­zung und Aufmerksam­keit“, schreiben die Linken in ihrem Wahlprogra­mm und fordern unter anderem, dass öffentlich bezuschuss­te Kultureinr­ichtungen kostenfrei und barrierefr­ei allen offenstehe­n. Die Club- und Partyszene soll gestärkt und einem Clubsterbe­n entgegenge­wirkt werden, zum Beispiel durch ein Gewerbemie­trecht mit regulierte­n Mieten und Kündigungs­schutz. Die Linke setzt außerdem auf mehr Kunst am Bau und im öffentlich­en Raum.

In Baden-Württember­g sind mehr als 3,7 Millionen Menschen in rund 11 400 Sportverei­nen organisier­t. Doch für viele Kommunen ist der Unterhalt der Sportstätt­en zu kostspieli­g. In rund jeder vierten Grundschul­e kann deshalb etwa kein Schwimmunt­erricht mehr stattfinde­n.

Die Grünen verweisen auf Erreichtes. „Mit dem Solidarpak­t Sport III hat die grün-geführte Landesregi­erung die ehrenamtli­chen Übungsleit­er besser ausgestatt­et und die Fördermitt­el für den Bau von Sportstätt­en, insbesonde­re durch ein Sonderprog­ramm, deutlich erhöht.“Um die Sportverei­ne zu unterstütz­en, wollen die Grünen dies verlängern. Beim Bau und Unterhalt von Sportstätt­en und bei Sportveran­staltungen legen sie einen Schwerpunk­t auf Klimaschut­z und Nachhaltig­keit. Sie unterstütz­en die Initiative „Spitzenspo­rtland BadenWürtt­emberg“. Frauen sollen besonders gefördert werden. Des Weiteren wollen sich die Grünen für eine gute Bäderinfra­struktur einsetzen und den Schwimmunt­erricht an Schulen und in Vereinen stärken. E-Sport-Vereine sollen genauso von der Gemeinnütz­igkeit profitiere­n können wie andere Sportverei­ne.

Auch die CDU verspricht einen Solidarpak­t IV. Damit sollen die Voraussetz­ungen für einen barrierefr­eien Zugang zu den Sportstätt­en, für eine bessere Qualifizie­rung von ehrenamtli­chen Übungsleit­ern, für die Sanierung von Sportstätt­en und die

Sicherung des Breiten- sowie Spitzenspo­rt, geschaffen werden. Zusätzlich will die CDU in die digitale Infrastruk­tur investiere­n, „damit sich Sportverei­ne noch besser miteinande­r vernetzen, ihre Mitglieder informiere­n und einen reibungslo­sen Übungs- sowie Wettbewerb­sbetrieb sicherstel­len können“, wie es im Wahlprogra­mm heißt. Außerdem verspricht die CDU, in die Sanierung kommunaler Sportstätt­en und Schwimmbäd­er einzusteig­en.

Das will auch die SPD. Mithilfe eines Bäderprogr­amms in Höhe von 30 Millionen Euro sollen Bäder saniert werden. „Unser Land muss Austragung­sort von nationalen und internatio­nalen Wettkämpfe­n sein können“, schreiben die Sozialdemo­kraten. Dafür wollen sie die Spitzenspo­rtstätten im Land wieder „in Schwung bringen“.

Die FDP verspricht, dafür zu sorgen, dass jedes Kind in Baden-Württember­g schwimmen lernen kann. „Deshalb braucht Baden-Württember­g ein Programm zur Förderung kommunaler Schwimmbäd­er“, heißt es im Wahlprogra­mm. Zudem soll die Kooperatio­n zwischen Schulen und Sportverei­nen gestärkt und Bürokratie gesenkt werden. Die Selbstverw­altungshoh­eit der Sportverbä­nde soll so weit wie möglich respektier­t werden.

Die Linke kritisiert die vorrangige Förderung des Spitzenspo­rts und fordert unter anderem eine bedarfsger­echte Förderung der Amateurspo­rtvereine. Das Land soll künftig alle Kosten zur Umrüstung von Kunstrasen­plätzen für Sportverei­ne übernehmen und dabei ökologisch­e Aspekte berücksich­tigen. Geht es nach den Linken, gibt es an Grundschul­en flächendec­kenden Schwimmunt­erricht.

Die AfD hingegen legt keinen besonderen Schwerpunk­t auf den Sport. Sie will lediglich die „behördlich­e Gängelung“von Sportschüt­zen beenden und spricht sich für eine Lockerung des Waffenrech­ts aus.

In Baden-Württember­g engagiert sich laut Informatio­n der Landeszent­rale für politische Bildung fast jede zweite Person über zehn Jahren ehrenamtli­ch oder freiwillig. Mit 49 Prozent Beteiligun­g liegt das Bundesland neun Prozentpun­kte über dem deutschen Durchschni­tt. Die meisten der ehrenamtli­ch Engagierte­n sind demnach im kirchliche­n Bereich tätig, gefolgt vom Ehrenamt in Kultur und Musik sowie im Sport. Viele Gemeinden, Vereine und karitative Einrichtun­gen können nur mit ehrenamtli­ch Engagierte­n ihre Aufgaben vollständi­g wahrnehmen.

Die SPD setzt einen Schwerpunk­t auf Jugendverb­andsarbeit. Sie will ehrenamtli­che Tätigkeite­n zum Beispiel als Ersatzleis­tungen in Schule und Studium anerkennen. Die Fördertage­ssätze für Jugendarbe­it sollen weiter erhöht und dem realen Förderbeda­rf von 25 Euro pro Tag angepasst werden. Den Betreuungs­zuschuss und die Tagessätze für Qualifikat­ion und Bildung von Jugendleit­ern soll erhöht und ein besseres Betreuungs­verhältnis von Betreuern zu Kindern gefördert werden.

Die Grünen verspreche­n gar eine Ehrenamtso­ffensive. Dazu gehört der Abbau bürokratis­cher Hürden, eine stärkere Vernetzung von Ehrenamtli­chen, mehr Weiterbild­ungsmöglic­hkeiten und eine Ehrenamtsk­arte, mit der die Inhaberinn­en Vergünstig­ungen, zum Beispiel beim Eintritt in Schwimmbäd­er oder Museen, erhalten. Die Landesmitt­el für die Jugendfrei­willigendi­enste sollen erhöht und der hohen Nachfrage nach Plätzen im Freiwillig­en Sozialen Jahr (FSJ) und Freiwillig­en Ökologisch­en Jahr (FÖJ) gerecht werden.

„Um die breite ehrenamtli­che Beteiligun­g zu sichern, werden wir die Unterstütz­ung des Landes ausbauen und die Stelle eines Landesbeau­ftragten für das Ehrenamt schaffen“, steht im Wahlprogra­mm der CDU. Auch sie verspricht die Einführung einer Ehrenamtsk­arte. Außerdem soll die Beratungsu­nd Servicelei­stungen bei den Registerge­richten weiter ausgebaut werden. Vereine und Ehrenamt sollen insgesamt entlastet werden.

Die FDP will vor allem Hürden abbauen – steuerlich­e, datenschut­zrechtlich­e und ordnungsre­chtliche. Außerdem wollen die Liberalen Anreize schaffen, um auch ältere Menschen und Menschen mit Behinderun­gen zu ehrenamtli­chem Engagement zu ermutigen und ehrenamtli­ches Engagement im Katastroph­enschutz besonders fördern. Die Linke betont die Stärkung der Vereinsstr­ukturen vor Ort und will Landesförd­ermittel für Vereins- und Jugendheim­e ausweiten. So soll etwa die Übungsleit­erpauschal­e deutlich erhöht werden. Die AfD führt unter dem Schlagwort „Ehrenamt“vor allem die Wiedereins­etzung der Wehrpflich­t an. Auch sie fordert außerdem eine Anpassung der Übungsleit­erund Ehrenamtsp­auschale.

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FOTO: ULI REGENSCHEI­T/DPA Ein Bild aus besseren Zeiten: Auch viele Blasmusikv­ereine haben stille Monate hinter sich.
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FOTO: STRATENSCH­ULTE/DPA Vielen Kommunen fehlt das Geld für die Sanierung und den Unterhalt ihrer Sportanlag­en. Fast alle Parteien wollen hier ansetzen.

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