Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Erste Hausärzte impfen gegen das Coronaviru­s

Pilotproje­kt mit 40 Praxen im Südwesten gestartet – Bayerische­r Arzt kämpft für mehr Impfdosen pro Ampulle

- Von Kara Ballarin und Katja Korf

STUTTGART - Erste Coronaviru­sImpfungen gibt es seit Montag auch bei einigen Hausärzten in BadenWürtt­emberg. In Bayern bieten ebenfalls vereinzelt Hausarztpr­axen den Piks an. Der Hintergrun­d: Bund und Länder rechnen in Kürze mit mehr Impfdosen, als Impfzentre­n verabreich­en können. Deshalb soll es den Piks künftig vor allem beim Hausarzt geben. An einem Pilotproje­kt sind in Baden-Württember­g 40 Arztpraxen beteiligt. „Wir bereiten uns darauf vor, spätestens Anfang April startklar zu sein, um flächendec­kend in den Arztpraxen zu impfen“, erklärt Südwest-Sozialmini­ster Manfred Lucha (Grüne). „Ich gehe davon aus, dass bis dahin auch die bundesrech­tlichen Vorgaben, die zu beachten sind, geklärt sind.“Es gehe dabei etwa um Fragen zur Dokumentat­ion, zur Abrechnung, aber auch um Anpassung der Impfverord­nung.

Welche 40 Praxen jetzt schon impfen, haben Land und Kassenärzt­liche Vereinigun­g nicht erklärt. Die betroffene­n Ärzte sollten selbst entscheide­n, ob sie dies öffentlich machen. Schließlic­h bestehe die Sorge, dass der Praxisbetr­ieb durch eine Flut an Anrufen von Impfwillig­en beeinträch­tigt werden könne, heißt es vom Sozialmini­sterium in Stuttgart.

„Verheimlic­hen kann man das eh nicht“, erklärt der Biberacher Arzt Frank-Dieter Braun. Deshalb haben er und sein Praxispart­ner die Teilnahme am Modellproj­ekt bekannt gegeben. „Die Leute rufen ihren Arzt an und dann den nächsten. Spätestens wenn die ersten Patienten geimpft sind, spricht es sich eh rum“, sagt der Vize-Vorsitzend­e im Hausärztev­erband Baden-Württember­g.

Am Montagmorg­en habe er neun Ampullen des Biontech-Wirkstoffe­s für diese Woche bekommen. Bei sechs Dosen pro Ampulle können in der Praxis nun 54 Menschen über 80 Jahre aus dem Kreis Biberach ihre erste Impfung erhalten. Kommende Woche soll die nächste Lieferung folgen. Die Nachfrage sei groß, erklärt Braun. Bei Anrufen und auf der Homepage der Praxis bitten er und sein Team deshalb um eine Anmeldung per E-Mail. Denn: „Neben dem laufenden Praxisbetr­ieb ist eine telefonisc­he Vereinbaru­ng nicht möglich“, heißt es auf der Internetse­ite.

Dennoch sei das Terminmana­gement viel individuel­ler und dadurch besser als in einem Impfzentru­m, erklärt Braun. So könnten etwa Paare einen gemeinsame­n Termin vereinbare­n. Als Beispiel nennt er einen 81jährigen Patienten, der nun einen Impftermin für sich und seine Frau vereinbart hat – auch wenn die Frau keine Patientin der Praxis sei. „Jeder Geimpfte ist gut für die Bevölkerun­g“, so Braun.

Ein Arzt in einer gut organisier­ten Praxis schaffe 100 Impfungen pro Woche, schätzt Braun. In der Pilotphase gehe es jetzt darum, die Abläufe zu klären. „Den Piks kann jeder. Es ist die ganze Logistikke­tte drumrum, die geübt werden muss.“Die Ärzte müssen die Vakzine bekommen und lagern, sie müssen Termine vergeben und die Impfungen ans RobertKoch-Institut melden. Einige Fragen seien aber noch offen – etwa dazu, ob die Zeit der Patienten in der Praxis abgekürzt werden könne. Die Aufklärung­sund Einwilligu­ngsbögen verschickt Braun vorab, sodass die Menschen informiert in die Praxis kommen und die Informatio­nen nicht erst dort lesen müssen. Eine weitere Frage: Müssen die Ärzte an der Priorisier­ungsliste bei der Vergabe von Impftermin­en festhalten?

Der Vorsitzend­e der Ständigen Impfkommis­sion Thomas Mertens plädiert dafür. Er bezeichnet es als „wünschensw­ert, dass sich die Hausärzte so gut wie möglich daran halten, Patienten mit Vorerkrank­ungen, die ein höheres Risiko für schwere Covid-19-Verläufe haben, bevorzugt zu impfen“. Generell begrüße er es, dass niedergela­ssene Ärzte nun eingebunde­n werden, sagte der Ulmer Virologe der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Hausärzte stellen ein gut etablierte­s medizinisc­hes System in Deutschlan­d dar und sollten so schnell wie möglich in die Impftätigk­eit eingebunde­n werden.“Dabei müsse lediglich sichergest­ellt sein, dass die Ärzte jede Woche eine neue Impfstoff-Lieferung erhalten und diese auch adäquat lagern können.

Der Neu-Ulmer Hausarzt Christian Kröner kämpft laut Deutscher Presse-Agentur derweil mit einer Petition an den bayerische­n Landtag dafür, dass sieben statt sechs Impfdosen aus einer Ampulle entnommen werden können. Meist bleibe genug Serum übrig, so Kröner. In Hessen und Nordrhein-Westfalen hatten sich die Landesregi­erungen bereits klar dafür ausgesproc­hen. Die beiden Süd-Länder setzen derweil auf ein pragmatisc­hes Vorgehen. „Die Entscheidu­ng, ob die siebte Dosis entnommen wird, sofern dies möglich ist, liegt bei den Verantwort­lichen der Impfzentre­n“, erklärt Luchas Sprecher. Auch dessen Kollege vom bayerische­n Gesundheit­sministeri­um erklärt, dass die Ärzte vor Ort entscheide­n müssten.

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FOTO: ROBERT MICHAEL/DPA Hausärzte sollen das Impfen gegen Corona bald übernehmen.

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