Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Umkämpftes Kriegsgerät
CDU und SPD streiten über die Anschaffung bewaffneter Drohnen – Schützen sie Leben von Soldaten oder droht anonymisiertes Töten?
BERLIN - Der Bundestag entscheidet im März über eine Verlängerung des Afghanistan-Mandats. Dabei spielt die Frage eine Rolle, ob die Bundeswehr künftig bewaffnete Drohnen einsetzen darf. Befürworter halten diese für unverzichtbar, um die Soldaten bestmöglich zu schützen. Kritiker sehen keine ausreichenden Belege für diese These und warnen, der Einsatz solcher Kampfdrohnen senke gegebenenfalls die Hemmschwelle für gezieltes Töten von Menschen. Im Folgenden die wichtigsten Fragen und Antworten zum Streit um bewaffnete Drohnen und den möglichen Folgen für den AfghanistanEinsatz der Bundeswehr.
Welche Drohne gibt es und welche setzt die Bundeswehr ein?
Die Bundeswehr hat mehrere Drohnen des israelischen Herstellers Typ Heron XP, die auch mit Waffen ausgerüstet werden können. Doch noch hat der Bundestag dieser nicht zugestimmt. Die Unionsparteien sind klar dafür. Die mitregierende SPD hatte zuletzt aber überraschend weiteren Debattenbedarf zum Thema angekündigt, obwohl dieses Projekt Teil des Koalitionsvertrags von 2018 ist. Die USA setzten Kampfdrohnen seit Langem ein, unter anderem, um vermeintliche Terroristen zu töten. Dies geschieht ohne Gerichtsurteil und verstößt nach Ansicht vieler Juristen und Menschenrechtler daher gegen internationales Recht. Im Norden Afghanistans setzen die USA ebenfalls bewaffnete Drohnen ein, auch zur Unterstützung der Bundeswehr. Allerdings werden diese nicht wie bei Geheimdiensteinsätzen aus den USA gelenkt, sondern von Kräften vor Ort.
Wieso spielt der Streit um den Kauf bewaffneter Drohnen auch bei der Verlängerung des Afghanistan-Mandats eine Rolle?
Ohne den Einsatz bewaffneter Drohnen stelle sich die Frage, ob eine Verlängerung des Mandats wirklich sinnvoll sei, sagt der CDU-Außenexperte Roderich Kiesewetter. „Die Soldatinnen und Soldaten dort bleiben unter ihren Möglichkeiten, weil wir nicht aus eigener Kraft ihren Schutz gewährleisten können.“Deutschland ist bislang im Notfall auf die Unterstützung der USA und anderer Nato-Partner angewiesen, die mit Kampfjets und bewaffneten Drohnen den Bundeswehrsoldaten zur Seite stehen. Die Situation im Einsatzgebiet im Norden Afghanistans dürfte von Anfang Mai an noch brenzliger werden. Die Taliban, die mit den USA unter dem früheren Präsidenten Donald Trump einen Abzug der Nato-Truppen bis Ende April dieses Jahres ausgehandelt hatten, drohen mit Krieg gegen die „ausländischen Besatzer“, sollten diese länger im Land bleiben. Nach dem Willen der Bundesregierung soll das Mandat für bis zu 1300 deutsche Soldaten in Afghanistan bis Ende Januar 2022 verlängert werden. Die Ausgaben für eine weitere Beteiligung an dem Nato-Einsatz namens „Resolute
Support“beziffert die Regierung auf rund 382 Millionen Euro. Ziel dieser Mission ist es unter anderem, die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte so auszubilden, dass sie künftig selbst für die Sicherheit in ihrem Land sorgen können.
Was sagen die Kritiker der Anschaffung bewaffneter Drohnen zur geplanten Mandatsverlängerung?
Auch sie argumentieren mit der Sicherheit der Truppe und der Sinnhaftigkeit des Einsatzes: Die Bundesregierung müsse sich fragen lassen, „ob mit der Verlängerung des Mandats nicht Soldatinnen und Soldaten in gefährliche Situationen gebracht werden, ohne dass der Einsatz noch Aussicht auf Erfolg hat“, teilt die Grünen-Verteidigungsexpertin Agnieszka Brugger mit. „Das ist eine politische Frage, die nicht mit Kampfdrohnen beantwortet werden kann.“Die Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) benutze die Debatte um Afghanistan, „um ihre Pläne von der Beschaffung von Kampfdrohnen voranzutreiben“, kritisiert die Bundestagsabgeordnete für den Wahlkreis Ravensburg. Doch selbst wenn eine Kaufentscheidung zustande gekommen wäre, würde dies, so Brugger, den Soldaten, die derzeit im Einsatz seien, nichts bringen. „Würde man morgen die Entscheidung treffen, wären die Drohnen frühstens ab 2023 bewaffnet. Das zeigt, wie unseriös die Diskussion aus der Union geführt wird.“Die
Linksfraktion im Bundestag verweist darauf, dass seit 2014 keine Bundeswehrsoldaten in den Auslandseinsätzen getötet worden seien. „Zu deren Schutz müssen deshalb keine Kampfdrohnen beschafft werden“, heißt es in einem Antrag an die Bundesregierung von Ende Februar.
Und welche Argumente zählen für die Befürworter?
Das Hauptargument bleibt die Sicherheit deutscher Soldaten – und dies wird nicht nur von der Union, sondern auch von der FDP und Kirchenvertretern betont. Die politische Diskussion über den Einsatz bewaffneter Drohnen sei „allzu oft der Komplexität der Angelegenheit nicht angemessen“. Es werde unterbewertet, „dass solche Instrumente auch dem Schutz der Soldatinnen und Soldaten dienen können“, sagte der katholische Militärbischof Franz-Josef Overbeck in einem Interview der Deutschen Welle. Auch die FDP-Wehrexpertin Agnes StrackZimmermann betont den zusätzlichen Schutz deutscher Soldaten. „Die Wirkung einer Drohne ist nur dann gegeben, wenn sie nicht nur aufklärt, was am Boden passiert, sondern auch die eigenen Truppen beschützt – und im Zweifelsfall rettet, indem Waffen eingesetzt werden“, sagt sie mit Verweis auf das Karfreitagsgefecht in Afghanistan, bei dem 2010 auch drei deutsche Soldaten starben. „Wenn das früher möglich gewesen wäre, hätten wir diese Soldaten vielleicht retten können.“
Welche weiteren Aspekte spielen im Streit um die Drohnen-Bewaffnung eine Rolle?
Der Aalener Bundestagsabgeordneten Kiesewetter sieht Deutschlands internationales Ansehen gefährdet, sollte es dauerhaft bei der Entscheidung gegen bewaffnete Drohnen bleiben. „Das ist das falsche Signal an unsere Bündnispartner“, sagt der CDU-Politiker. „Wir vermitteln international den Eindruck, Rosinenpickerei bei den Einsätzen zu betreiben, indem wir riskante Situationen vermeiden und andere die Kohlen aus dem Feuer holen lassen.“Die Gefahr, dass sich Kriege verselbstständigen könnten durch den Einsatz dieser Waffensysteme, sieht er im Falle Deutschlands nicht. „Diesen Einwand haben wir bereits mit der Forderung entkräftet, dass die Steuerung und der Einsatz vor Ort und ausschließlich zum Schutz der Truppe geleistet werden muss“, so Kiesewetter. Die Drohnenpiloten seien „Seite an Seite mit den anderen Soldaten“stationiert – ihre Aufgabe sei es, die Truppe zu schützen und nicht Angriffe zu starten. Gezielte Tötungen mittels Drohnen, die in den USA seit Jahren Praxis sind, werde es von Deutschland aus und im Einsatzgebiet nicht geben. Die Verteidigungsexpertin Brugger sieht dennoch die Gefahr, „dass es irgendwann dazu kommt, dass Algorithmen über Fragen von Leben und Tod entscheiden“, weil weltweit wirksame Regelungen für den Einsatz bewaffneter Drohnen fehlten. Zugleich kritisiert sie, dass entgegen „der Verheißungen der
Drohnenbefürworter“, die Zahl der zivilen Opfer „sehr oft extrem hoch“sei bei Drohnen-Einsätzen.
Wie verhält sich jetzt die SPD im Streit um den Kauf bewaffneter Drohnen?
Die Partei ist nach wie vor gespalten. Anders als Parteichef Norbert Walter-Borjans und Fraktionschef Rolf Mützenich sprach sich unter anderem die Wehrbeauftragte Eva Högl für deren Anschaffung aus. Über diese Frage sei fast zehn Jahre eine „sachgerechte, differenzierte, transparente und ausführliche Debatte“geführt worden, schreibt sie in ihrem aktuellen Jahresbericht. Der frühere verteidigungspolitische Sprecher der SPD, Fritz Felgentreu, hatte wegen der Absage der Parteispitze an das Projekt im Dezember sein Amt niedergelegt. Seine Nachfolgerin, Siemtje Möller, Abgeordnete für den Wahlkreis Friesland/Wilhelmshaven/Wittmund, teilte auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“mit, sie respektiere die Entscheidung der Partei, trotz einer anderslautenden Empfehlung der Fraktion „weitere Diskussionen auch außerhalb von Expertenzirkeln durchführen“zu wollen. Kiesewetter geht mit dem Koalitionspartner hart ins Gericht. „Die Bundesregierung wird von Leuten gelähmt, die weder Kabinettsnoch Regierungsverantwortung tragen.“Die SPD ziehe sich aus der Verantwortung, indem sie die Entscheidung über den Kauf bewaffneter Drohnen der kommenden Regierung aufbürde.