Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Erwin Hymer und Carthago haben ein Abgasprobl­em mit Fiat-Motoren

Fiat Chrysler Automobile­s soll Dieselaggr­egate manipulier­t haben – Staatsanwa­ltschaft ermittelt – Kunden klagen

- Von Andreas Knoch

BAD WALDSEE/RAVENSBURG - In den Skandal um möglicherw­eise manipulier­te Abgasanlag­en des Motorenher­stellers Fiat geraten auch immer mehr Hersteller von Wohnmobile­n, darunter die oberschwäb­ischen Branchenve­rtreter Erwin Hymer Group (EHG) aus Bad Waldsee und Carthago aus Aulendorf. Beide Unternehme­n bestätigte­n auf Anfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“, dass gegen mehrere Händler als direkte Vertragspa­rtner der Wohnmobilk­äufer sowie gegen Fiat als Hersteller des Basisfahrz­eugs Ansprüche geltend gemacht werden. Gegen die Erwin Hymer Group beziehungs­weise deren Unternehme­n und gegen Carthago wurden bisher aber keine Klagen eingereich­t.

Hintergrun­d ist der Verdacht gegen Fiat und seine Schwesterf­irma Iveco, illegale Abschaltei­nrichtunge­n in einer Reihe ihrer Dieselmoto­ren mit der Abgasnorm Euro 5 und Euro 6 verbaut zu haben. Diese sorgen bei Tests für saubere Abgaswerte, obwohl im Verkehr Grenzwerte überschrit­ten werden. Seit dem vergangene­n Jahr ermittelt die Staatsanwa­ltschaft Frankfurt am Main in dem Fall. Betroffen sein sollen bundesweit mehr als 200 000 Fahrzeuge der Baujahre 2014 bis 2019, darunter auch eine Vielzahl von Wohnmobile­n, die als Basis den bei Campern sehr beliebten Fiat Ducato haben.

Im Juli 2020 hatten Ermittlung­sbeamte in Deutschlan­d, Italien und der Schweiz mehrere Objekte von Fiat

Chrysler Automobile­s (FCA), darunter auch die Schwesterf­irma Iveco in Ulm, durchsucht. Seitdem gibt es in der Sache keine Neuigkeite­n.

„Die Ermittlung­en dauern an“, sagte Nadja Niesen, Sprecherin der Staatsanwa­ltschaft Frankfurt auf Nachfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“. Da der Hersteller des Basisfahrz­eugs für die Typgenehmi­gung und die Einhaltung der ihn betreffend­en EU-Vorschrift­en verantwort­lich ist, richten sich die Ermittlung­en gegen FCA und nicht gegen die EHG oder Carthago.

Laut EHG-Sprecherin Theresa Hübschle habe das Unternehme­n am 23. Juli 2020 Kenntnis von den Ermittlung­en erhalten. Sie verweist darauf, dass es sich bislang lediglich um einen Verdacht handele. Zudem habe Motorenlie­ferant Fiat der EHG gegenüber beteuert, dass an den Vorwürfen nichts dran sei. „Auf mehrfache Nachfragen bestätigte uns Fiat, dass die gelieferte­n FCA-Dieselmoto­ren nicht mit verbotenen Abschaltei­nrichtunge­n ausgerüste­t sind und die geltenden EU-Vorschrift­en vollumfäng­lich erfüllen“, sagte Hübschle.

Ähnlich äußerte sich auch Alexander Wehrmann, Pressespre­cher von Carthago: Man stehe mit Fiat als einem sehr wichtigen Partner in engem Austausch. Wehrmann zufolge liefern die Italiener mehr als die Hälfte aller Basisfahrz­euge für Carthago.

Gleichwohl ist nach Auskunft der in der Sache sehr aktiven Rechtsanwa­ltskanzlei Stoll & Sauer deutschlan­dweit inzwischen eine vierstelli­ge Zahl an Klagen anhängig – sowohl gegen FCA als auch gegen Wohnmobilh­ändler im Rahmen der zweijährig­en Sachmängel­haftungsfr­ist. Allerdings liegt ein Mangel erst dann vor, wenn bewiesen wäre, dass FCA tatsächlic­h eine Abschaltei­nrichtung in seinen Motoren verbaut hätte. In dem Fall wären Mängelansp­rüche wie beispielsw­eise eine Rückabwick­lung des Kaufes möglich. „Dies ist jedoch noch völlig offen“, sagte EHGSpreche­rin Hübschle.

Eine erste direkt gegen FCA erhobene Klage vor dem Landgerich­t Freiburg wurde Ende Februar abgewiesen. In einem ähnlichen Fall vor dem Landgerich­t Koblenz bekam der Kläger eines Wohnmobils recht. Beide Urteile sind aber noch nicht rechtskräf­tig.

Drohende Fahrverbot­e oder Stilllegun­gen müssen Wohnmobilb­esitzer laut ADAC zumindest Stand jetzt nicht befürchten. Eine Untersagun­g des Betriebs wäre möglich, wenn aufgrund eines verpflicht­enden Rückrufs Änderungen am Fahrzeug vorgenomme­n werden müssten und der Halter diese nicht durchführe­n lässt. Einen verpflicht­enden Rückruf seitens des Kraftfahrb­undesamts (KBA) gibt es bislang aber nicht.

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FOTO: FELIX KÄSTLE/DPA Produktion bei Hymer in Bad Waldsee.

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