Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
„Wir sind noch da – uns gibt es noch“
Licht an, Türen auf: Aktion im Isnyer Einzelhandel überrascht Kunden
ISNY - Wer am vergangenen Samstagvormittag durch das sonnige Wetter aus dem Haus gelockt wurde und durch die Isnyer Innenstadt geschlendert ist, konnte überraschenderweise rund 15 geöffnete Einzelhandelsgeschäfte vorfinden.
Der Zutritt zum Verkaufsraum war jedoch blockiert. Die Ladeninhaber klärten überall bereitwillig über die Aktion auf. Ein kurzes Gespräch über einen Tisch hinweg war in den meisten Fällen möglich – oder, um die zuvor telefonisch oder online bestellte Ware abzuholen. Denn einen Onlineshop haben sich mittlerweile viele der Isnyer Geschäfte coronabedingt zugelegt.
Seit diesem Montag dürfen die Isnyer Einzelhändler für das sogenannte „Click & Meet“-Konzept wieder öffnen, das wie folgt funktioniert: Telefonisch oder per EMail kann ein Termin ausgemacht werden, zu dem der Kunde Einlass in die Ladenräume bekommt und wieder richtig im Geschäft stöbern kann. Je nach Größe des Ladens dürfen auch mehrere Kunden zur selben Zeit wieder ins Innere – abhängig ist die Kundenzahl von den Quadratmetern Ladenfläche.
Auf einer Liste zur Kontaktnachverfolgung müssen die Kundendaten festgehalten werden. Über diese Perspektive sind die Ladenbesitzer froh, war am Samstag zu hören. Allerdings hätten sie sich deutlich mehr erwartet: Buchläden, Supermärkte, Drogeriemärkte, Blumenläden und andere dürften ohne Kontaktnachverfolgung öffnen. Einzelhändler, die seit Montag geöffnet haben, müssen Listen zur Kontaktnachverfolgung auslegen.
Dorothe Balß, Inhaberin von „Spiel & Freizeit Binder“und Mitinitiatorin der samstäglichen Aktion für die geöffneten Türen in Isny, hat von einer ähnlichen Aktion in Lindau gelesen, mit der die Einzelhändler auf ihre teilweise prekäre Situation aufmerksam machen. Bereits am Freitag und Samstag vorvergangener Woche konnte Balß einige Einzelhändler in Isny dafür gewinnen, bei der „Guerilla“-Aktion mitzumachen. „Wir wollen damit unseren Kunden sagen, dass wir noch da sind“, erklärt sie. Der Onlineshop, den sie sich zugelegt habe, laufe zwar, aber es sei schon zäh. Die Terminvereinbarung zum Einkaufen könne seit diesem Montag auch direkt an der Ladentür stattfinden, wenn die erlaubte Kundenanzahl pro Quadratmeter dies zulasse.
Eine Kundin aus Christazhofen mit einer kleinen Tochter, die dieses Jahr eingeschult wird, wollte am Samstag zielstrebig die geöffnete Ladentür des Spielwarengeschäfts nutzen. Sie wurde dann aufgeklärt, dass sie erst ab Montag wieder in den Laden dürfe. „Ich hatte schon die Hoffnung,
dass wir nach einem Geburtstagsgeschenk schauen und einen Schulranzen kaufen können. Online einzukaufen ist nicht mein Ding. Ich möchte die Sachen sehen und anfassen“, erklärte die Mutter. Sie empfinde es als unlogisch, dass sich Menschen im Supermarkt drängten, aber man nicht kontrolliert im Einzelhandel einkaufen dürfe.
Diese Meinung teilen auch andere Einzelhändler, die mittlerweile sehr verärgert sind über die Verordnungen der Politik. Elke Zarges vom Stoffladen „Die kleine Scheune“konstatiert: „Diejenigen, die diese Beschlüsse machen, machen das an der Praxis vorbei.“
Im Damenbekleidungsgeschäft „La Vie“von Gabriela Staicu herrscht derweil schon Frühlingsstimmung. Obwohl sie die Pandemie besonders stark getroffen hat. Vor rund einem Jahr hat sie ihr Geschäft eröffnet und wurde gleich vom ersten Lockdown im März 2020 überrascht. Nun ist das Schaufenster mit Blumen und der neuen Ware dekoriert. Staicu hat während des Lockdowns viel Werbung über soziale Medien im Internet gemacht. Das habe sehr gut funktioniert: „Die Isnyer sind super – sie haben mich toll unterstützt“, ist sie begeistert.
Walter Schaffer vom Reisebüro am Wassertor unterstützt die Aktion ebenfalls und erklärt sich rundum solidarisch mit den anderen Ladenbesitzern. Zu einem Beratungsgespräch dürfen Reiselustige das Büro sogar betreten. „Es kommen schon die ersten Sommerbuchungen“, zeigt er sich vorsichtig optimistisch.
In der Espantorstraße beteiligten sich die Werkstatt für Schmuck von Elmar Hermanutz und „Wolle und Gestricktes“von Monka Raabe an den „offenen Türen“. „Ab Montag werde ich im Laden sitzen und wenn jemand klopft, werde ich ihn zum Aussuchen der Wolle in den Laden lassen“, erklärt Raabe. Es müsse jetzt einfach wieder weitergehen, sagt sie.
Bei Euronics Durach ist eine Beratung und das Abholen der bestellten Ware am Seiteneingang möglich. Geschäftsführer Manuel Schmähl ist der Meinung, dass der Einzelhandel schnell wieder öffnen muss: „Unser Hygienekonzept hat funktioniert und die Menschen sind sensibilisiert“. Die Türen sind an diesem Samstagvormittag allerdings nicht geöffnet. „Wir haben am letzten Wochenende mitgemacht. Für die Bereiche Telekommunikation und Internet ist sogar eine Beratung im Geschäft möglich“, sagt Geschäftsführerkollege Becir Metanovic. Die Beratung am Telefon sei sehr zeitintensiv, deshalb freue er sich, wenigstens ab Montag wieder eingeschränkt öffnen zu können: „Alle sehnen sich wieder nach Leben in der Stadt“, fasst er zusammen.