Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
„Ein Stück Heimat verschwindet“in Oberstaufen
Viele Staufner sind sauer, dass der Turm auf dem Schlossberg weichen muss – Was die Verantwortlichen sagen
OBERSTAUFEN - Viele Menschen in Oberstaufen sind stinksauer, nachdem sie erfahren haben, dass der Turm auf dem Gelände der ehemaligen Schlossbergklinik abgerissen werden soll. Ihre Kritik richtet sich an die Geiger Unternehmensgruppe, die dort ein Hotel bauen möchte. Und an Architekt Felix Schädler. Dieser hatte im Dezember 2019 in einer öffentlichen Gemeinderatssitzung gesagt, dass der Turm bleibe, „um den Schlosscharakter zu erhalten“. Geiger hat bestätigt, dass das Gebäude weichen wird. Ursprünglich sei man davon ausgegangen, dass es sich bei dem Turmgebäude um eine erhaltenswerte Bausubstanz handle. Das sei aber nicht der Fall, erklärt Schädler die Planänderung.
Hans-Peter Wucherer, ehemaliger Chef des Aquaria und in Oberstaufen aufgewachsen, hat vor ein paar Tagen „zufällig erfahren, dass der Turm für immer verschwindet“. Die Nachricht hat sich sofort in den digitalen Netzwerken verbreitet. Dort kritisieren viele den geplanten Abriss. „Wie schnell man einfach so ein Stück Staufner Geschichte kaputtmachen kann“, lautet einer der Kommentare.
Wucherer steht vor dem Bauzaun der ehemaligen Krebsklinik. Dort laden Bagger den Bauschutt auf die Lastwagen. Wucherer schüttelt immer wieder den Kopf. „Ich kann es nicht fassen und auch nicht glauben, dass hier ein Stück Heimat verschwindet“, sagt der 76-Jährige. „Der Turm ist ein Symbol unserer Geschichte. Auf diesem Gelände haben wir unsere Kindheit verbracht“, erzählt Wucherer. Den Turm in ein neues Hotel zu integrieren, wäre doch für einen Architekten eine Herausforderung gewesen.
Neben Wucherer steht Georg Wagner, der sich als Heimatforscher mit der Staufner Geschichte auskennt. „Ich kann nicht begreifen, dass man hier bis auf den letzten Stein alles plattmacht“, sagt der 80-Jährige. Natürlich sei der Turm kein historisches Gebäude. Aber er erinnere „an unsere gemeinsame Geschichte und das im 12. Jahrhundert erbaute
Schloss“, berichtet Wagner. Es würde noch eine Mauer aus dieser Zeit existieren. Wagner zieht eine alte Postkarte aus seiner Jackentasche und zeigt mit dem Finger auf ein noch existierendes rund acht Meter langes Steinfundament. Wenigstens dieses Stück Geschichte hätte erhalten werden sollen. „Wie wollen wir unseren Kindern, Enkeln einmal erklären, dass dort ein Schloss gestanden hat, wenn alles verschwindet?“, fragt Wagner.
Entsetzt ist auch Filmemacherin Brigitta Weizenegger, die gerade einen Kurzfilm über das ehemalige Staufner Schloss dreht und Wagner sowie Wucherer dazu interviewt. Die 50-Jährige ist hier geboren und aufgewachsen. „Mit dem Turm verbinden wir Staufner viele Emotionen und ein Stück Geschichte mit unserem Ort, die jetzt verloren geht“, sagt Weizenegger. „Das hier kann doch alles nicht still und heimlich verschwinden.“
Ursprünglich sei man davon ausgegangen, in dem Turmgebäude „eine historisch erhaltenswerte Bausubstanz vorzufinden – auch wenn diese nicht unter Denkmalschutz steht“, erklärt Architekt Felix Schädler. Doch das sei nicht der Fall. „Deshalb lässt sich kein wirklich ehrlicher Grund erkennen, diesen Turm zu erhalten.“
„Wir sind uns der Verantwortung bewusst, die uns im Zusammenhang mit dem Neubau aufgetragen wird“, lässt Michael Kromphorn wissen. Er ist Geschäftsfeldleiter der Projektentwicklung der Geiger Unternehmensgruppe. Es sei eine wichtige Aufgabe der Architekten, „ein wiederum herausragendes Gebäude zu planen und zu errichten, das mit seiner Strahlkraft diesen Ort in besonderer Weise würdigt“.
Dass der Turm „nostalgische, sentimentale Gefühle bei Teilen der Bevölkerung hervorruft, kann ich nachvollziehen“, sagt Bürgermeister Martin Beckel. Die Gemeinde habe jedoch
TRAUERANZEIGEN beim Abriss kein Mitspracherecht. „Uns ist wichtig, dass wir über einen vorhabenbezogenen Bebauungsplan das Heft des Handelns in der Hand haben, was den
Hotelneubau und dessen Gestaltung angeht.“Es gebe auch viele Bürgerinnen und Bürger, „die sich auf ein neues, ästhetisches Bauwerk am Schlossberg freuen.“