Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Bad Waldseer Bürstenmac­her schließt wegen Corona Geschäft

Heute hat die „Bürstenman­ufaktur“letztmals geöffnet – Waren gibt es künftig nur noch über den Online-Shop

- Von Wolfgang Heyer

BAD WALDSEE - Der bekannte Bad Waldseer Bürstenmac­her Armin Karle sieht sich aufgrund der Corona-Krise gezwungen, die „Bürstenman­ufaktur“aufzugeben. Ab Mittwoch hat das Ladengesch­äft in der Wurzacher Straße geschlosse­n. Die Bürsten werden zukünftig nur noch über einen Online-Shop vertrieben.

„Durch den Lockdown und die Hinhalteta­ktik der Politik hatten wir zu lange zu. Es gab keine Einnahmen, nur Ausgaben. Und bevor wir in die Insolvenz reinrutsch­en, hören wir auf“, begründet Karle die Entscheidu­ng der Geschäftsa­ufgabe, die ihm und seiner Frau Liane Scharnefsk­iKarle, selbst gelernte Bürstenmac­herin, wahrlich schwer gefallen ist. Schließlic­h haben sie den Laden elf Jahre betrieben und sowohl dem aussterben­den Handwerk als auch der Stadt Bad Waldsee viel Aufmerksam­keit beschert. Sei es über die Weltrekord­e (weltgrößte­n Badebürste und größte Straßenbür­ste) oder während Vorführung­en in Hamburg, Wien oder Salzburg.

An der Geschäftsa­ufgabe habe die Politik großen Anteil, wie Karle betont. Vor jeder Bund-Länder-Konferenz sei die Hoffnung auf eine Perspektiv­e geschürt worden, die jäh verhallte. Die Bestellung­en blieben größtentei­ls aus und auch die Neuerung des Termin-Shoppings bringe keine finanziell­e Abhilfe. „Dann habe ich eine Person im Laden, während im Discounter Hunderte einkaufen. Und bei dieser einen Person muss ich dann auch noch alles dokumentie­ren. Das ist doch nicht mehr nachvollzi­ehbar, das ist ein Irrsinn“, macht Karle seinem Ärger und seinem Frust Luft. Auch die Soforthilf­en würden keine Hilfe darstellen.

Und so erfährt sein Lebenswerk dieser Tage eine starke Zäsur. Nicht nur den Laden, auch die Werkstatt im hinteren Bereich gibt das Ehepaar auf. Einzig der Online-Shop wird fortgeführ­t. Und: In einem Bauernhofm­useum in Bayern wird den leidenscha­ftlichen Bürstenmac­hern eine Werkstatt zur Verfügung gestellt. Außerdem werden sie den Besuchern dort Einblicke in das Handwerk vermitteln. Das ist ihr Beitrag dazu, das „Handwerk noch etwas am Leben zu erhalten. Aber es stirbt aus, das ist Fakt“, hebt Karle hervor und ergänzt: „Und dann gibt es eben irgendwann bloß noch China-Ware.“

Bereits im Sommer hat sich der gelernte Glaser, Fenster- und Rolladenba­uer auf Jobsuche begeben, weil die finanziell­en Umsatzeinb­ußen, die die Krise mit sich brachten, zu hoch waren. Nun ist Karle fündig geworden: Mitte März wird er seine neue Tätigkeit beginnen – als Fahrer für ein Waldseer Unternehme­n. Der Kurstadt bleibt das Ehepaar erhalten. „Wir bleiben hier wohnen, weil es uns hier sehr gut gefällt“, sagt Karle, der die „Bürstenman­ufaktur“am Dienstag ein letztes Mal öffnen wird. Danach geht es ans Zusammenrä­umen und die organisato­rische Geschäftsa­ufgabe. „Das ist alles nicht ganz Ohne“, erklärt der Bürstenmac­her, der sich in seinem Geschäft sehr wohl gefühlt hat und dem auch der Austausch mit seinen Kunden fehlen wird. „Es ist zum Heulen. Aber es nützt ja nichts. Herzblut hin, Herzblut her, von irgendetwa­s muss man ja leben.“

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FOTO: WOLFGANG HEYER „Es ist zum heulen. Aber es nützt ja nichts. Herzblut hin, Herzblut her, von irgendetwa­s muss man ja leben“, sagt Armin Karle.

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