Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Junge Frau hat „Backpfeifen und Schellen“verteilt
Leutkircher Amtsgericht verurteilt sie zu Geldstrafe von 60 Tagessätzen – Erinnerungslücken mindern Urteil
LEUTKIRCH/AICHSTETTEN - Wegen vorsätzlicher Körperverletzung in vier Fällen ist am Dienstag in öffentlicher Hauptverhandlung eine junge Frau vor dem Leutkircher Amtsgericht angeklagt worden. Der Staatsanwalt schöpfte seine Ausführungen aus den Protokollen der Polizei, die im Dezember 2020 die Anzeigen der Geschädigten – drei Geschwister und ein Freund – aufgenommen hatte.
Ort der Auseinandersetzung war Ende November der Aichstettener Bahnhof, an dem die Beklagte die vier Personen mit Faustschlägen und Ohrfeigen körperlich misshandelt, gesundheitlich geschädigt und den Freund einer Schwester sogar auf das Bahngleis gestoßen haben soll. Letzterer sei kurzzeitig bewusstlos gewesen und musste mit Kopfschmerzen im Krankenhaus untersucht werden.
Diesen massiven Vorwürfen hielt die Beklagte entgegen, sie habe lediglich den Streit schlichten und ihren Bruder verteidigen wollen. Dabei sei auch sie beleidigt und bedroht worden und habe sich nur mit „Backpfeifen und leichten Schellen“gewehrt. Sie habe zudem niemanden geschubst und sei dann, „die Faxen dicke“mit ihrem Bruder, gegangen, wobei die Anderen ihr noch Steine nachgeworfen hätten.
Entgegen der eindeutigen Aussagen in den Polizeiprotokollen brachte die anschließende Vernehmung von fünf Zeugen aber wenig Erhellendes zu Tage: So konnten sich die Geschädigten entweder an nichts („Keine Ahnung mehr.“; „Das ist schon lange her.“; „Da waren so viele Leute.“) oder nur bruchstückhaft erinnern. Ein Geschädigter bekannte zudem, dass er nur „benutzt“worden sei. Der Bruder der Angeklagten machte außerdem von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch.
Angesichts dieser erheblich veränderten Sachlage reduzierte der Staatsanwalt im Plädoyer die Anklage auf „wenige Faustschläge, ein gewisses Aggressionspotenzial und eine leichtfertige Haltung zur Gewalt“. Da die Beklagte bislang strafrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten sei, forderte er eine Strafe von 100 Tagessätzen. Dem schloss sich der Leiter des Amtsgerichtes, Franz Hölzle, weitgehend an.
Er begründete das Mindern auf 60 Tagessätze unter anderem wie folgt: Die Angeklagte sei doch mit guten Absichten hingegangen, dort doch angestachelt und provoziert worden. Außerdem habe sie dabei auch notwehrähnlich gehandelt. Das Urteil ist bereits rechtskräftig, da beide Seiten weder Berufung noch Revision einlegen werden.