Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Die Bäume und die demokratische Streitkultur
Gemeinderat gibt Ausschreibung für Marktplatzgestaltung frei – Zentraler Wochenmarkt erst ab 2023
ISNY - Die Mitglieder des Ausschusses für Technik-, Immobilien- und Umwelt hatten mit ihrer Abstimmung am 1. März wie berichtet den Gemeinderäten empfohlen, dem von der Stadtverwaltung vorgestellten Entwurf zur Gestaltung des Marktplatzes zuzustimmen. Die Entscheidung dazu und die Ausschreibungen der Baumaßnahmen standen am vergangenen Montag nun auf der Tagesordnung des gesamten Gemeinderates.
Ein zusätzlich neuer Aspekt in den Beratungen war allerdings die Rückmeldung von Marktmeister Markus Fischer nach einer Umfrage unter den Marktbeschickern, dass diese erst nach einer kompletten Fertigstellung des Marktplatzes mit dem Wochenmarkt umziehen möchten.
Obwohl im Technischen Ausschuss, dem zehn Mitglieder aller Fraktionen angehören, der Entwurf für die Marktplatzgestaltung samt der Verlegung des Straßenpflasters ausführlich diskutiert worden war, fiel die Entscheidung am Montag nicht einstimmig aus und verlief nicht ohne erneute Diskussion. Fragen aus den Reihen der SPD-Fraktion zogen sogar grundsätzliche Wortmeldungen zu demokratischen Gepflogenheiten und zur Gesprächskultur im Gemeinderat nach sich.
Der gemeinsame Antrag der Fraktionen, der Mitte Dezember 2020 zur schnellstmöglichen Fertigstellung des Marktplatzes gestellt worden war, sieht vor, Stahlbänder in den Boden im Bereich des früheren Amtshauses einzulassen, um die archäologisch erforschte Stadtarchitektur darzustellen; und ebenso eine Stahlplatte an der Fundstelle des Prangersteins. Außerdem soll der Stadtbach zwischen der noch vor dem Hallgebäude stehenden Platane und der geplanten „Barfüßer“-Gastronomie offengelegt und ein „Kleinbaum“vor der Bar „Hello My Deer“unter der Hirschterrasse gepflanzt werden.
Zur der Bezeichnung, was denn ein „Kleinbaum“sei, fragte SPD-Stadtrat Wolf-Dieter Massoth noch einmal nach. Er hatte der Ausschusssitzung am 1. März als Zuhörer beigewohnt, seine Frage – und weitere – schon damals formulieren wollen. Das Rederecht war ihm allerdings seitens Bürgermeister Rainer Magenreuter und Hauptamtsleiter Frank Reubold verweigert worden; auch nach Intervention von SPD-Fraktionssprecher Edwin Stöckle und einer Gegenrede von Gebhard Mayer, Fraktionssprecher der Freien Wähler (FW).
Gestört wurde Massoths Anfrage am Montag im Gemeinderat nun auch durch von Versammlungsleiter Magenreuter nicht sanktionierten Zwischenrufen von CDU-Fraktionssprecher Alexander Sochor, der offensichtlich keine weiteren Nachfragen mehr hören wollte. Aber auch Sibylle Lenz (FW) warf ein: „Besprecht das doch in eurer Fraktionssitzung.“
Markus Lutz, Tiefbauexperte im Bauamt des Rathauses, sorgte schließlich trotzdem für Aufklärung: Ein Kleinbaum werde keine vier bis fünf Meter hoch, sondern eher nur bis zu drei. „Dadurch, dass an dieser Stelle viele Leitungen im Boden verlegt sind, die durch die Wurzeln eines größeren Baums geschädigt werden könnten, ist das die beste Möglichkeit“. In der Obertorstraße würden dafür drei „richtige“Bäume gepflanzt, erklärte Lutz.
Erhard Bolender, Stadtrat der SPDFraktion und Landschaftsplaner, ergänzte, es handle sich aus seiner Sicht wohl eher „um einen Strauch“, wogegen es im Entwurfsplan so aussehe, als ob es sich um einen richtigen großen
Baum handle. Daher hielte er es für angebracht, die Darstellung in der Zeichnung um circa Zweidrittel zu reduzieren. Peter Clement fragt sicherheitshalber nochmal nach, ob der Baum nicht doch größer werden könne, er habe Sorge, dass das Bedienungspersonal der Bar sonst nur geduckt laufen könne. Und Wolf-Dieter Massoth ließ nicht locker: In der Hofstatt seien drei Bäume vorgesehen, von denen erst zwei gepflanzt wären. „Wann kommt der dritte Baum?“. Markus Lutz erklärte, der könne erst gepflanzt werden, wenn die Pflasterung an der Stadtmauer soweit fertiggestellt sei.
Weitere lautstarke Störungen aus den Reihen der CDU kamen bei der Anfrage von SPD-Fraktionssprecher Edwin Stöckle. Er wollte wissen, wie die Bewässerung der Bäume geregelt werde. Das veranlasst Claudia Müller (Grüne) wiederum zu der Wortmeldung, dass in einer demokratischen Gesprächskultur, wie sie im Gemeinderat herrschen sollte, das AusredenLassen und Fragenstellen doch eigentlich selbstverständlich sein sollte.
Peter Clement wiederum stieß der Verzicht aufs Fontänenfeld sauer auf: „Der Marktplatz wird immer mehr zur Betonwüste.“Er sei sich sicher, dass „das auch nachfolgende Generationen bemängeln werden“. Der offene Stadtbach sei nur ein „Minimalkompromiss“, und die Kosten seien inzwischen nahezu gleich hoch, worüber er sein Unverständnis äußern wolle.
Bei einer Gegenstimme von Clement und der Enthaltung von Jürgen Ziegler (Grüne) gab der Gemeinderat schließlich den Entwurf zur Ausschreibung frei. Wenn alles nach Plan läuft, sagte Lutz, könne er Mitte des Jahres die Vergabe der Materiallieferung in den Gemeinderat einbringen.
Dass der Wochenmarkt auf dem Marktplatz abgehalten werden soll, haben die Testmärkte sowie die Befragung der Marktbesucher gezeigt. Mehrheitlich hatten sich auch die Standbetreiber dafür ausgesprochen, den Wochenmarkt zu verlegen. Lutz informierte die Gemeinderäte am Montag über eine dahingehende Mitteilung von Marktmeister Fischer und den Marktbeschickern. Die hätten sich einstimmig dafür ausgesprochen, dass der Umzug aus Wassertor- und Espantorstraße erst stattfinden solle, wenn der Marktplatz fertig ist – also erst Anfang 2023.