Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
München droht das EM-Aus
UEFA-Präsident Ceferin fordert Zuschauer bei Spielen der EURO 2021 – Organisatoren zeigen sich überrascht
MÜNCHEN (SID/dpa) - München droht das EURO-Aus – doch die Bayern wollen kämpfen. „Ein Rückzug Münchens war und ist kein Thema“, antworteten die Organisatoren der Stadt am Mittwoch schroff auf die neueste Ansage der Europäischen Fußball-Union (UEFA). Deren Präsident Aleksander Ceferin hatte zuvor in Gutsherrenmanier den Druck auf die EM-Ausrichterstädte durch die Forderung einer Zuschauer-Garantie erhöht. „Jeder Ausrichter muss garantieren, dass Fans zu den Spielen dürfen“, sagte Ceferin. „Die Option, dass irgendein Spiel der EM ohne Fans ausgetragen wird, ist vom Tisch.“
Die UEFA war am Mittwoch bemüht die Wogen nach den Aussagen ihres Präsidenten zumindest ein wenig zu glätten. Keine der zwölf Ausrichterstädte werde „automatisch“gestrichen, wenn dort nur Geisterspiele möglich sein sollten, teilte der Verband mit. Es müsse dann aber abgewogen werden, ob es nicht sinnvoller wäre, die Partien an einen anderen Ort zu verlegen. Bis zum 7. April müssen sich die zwölf Ausrichterstädte bei der UEFA hinsichtlich der Zuschauerfrage erklären.
Die Entscheidung über das Format der Endrunde (11. Juni bis 11. Juli), die erstmals als paneuropäisches Turnier ausgetragen werden soll, wird hingegen wohl frühestens beim UEFA-Kongress am 20. April fallen. „Die ideale Variante ist, in allen zwölf Ländern zu spielen. Aber es ist möglich, dass das Turnier in zehn oder elf Ländern gespielt wird, wenn einige Länder die Bedingungen nicht erfüllen“, sagte Ceferin über die EM, die am 17. März 2020 aufgrund der Corona-Pandemie um ein Jahr verschoben worden war. München, Amsterdam, Baku, Bilbao, Budapest, Bukarest, Dublin, Glasgow, Kopenhagen, Rom, St. Petersburg und London sind die geplanten Gastgeber.
Zuletzt wurde immer wieder darüber spekuliert, welche Städte gestrichen werden könnten. Dabei ging es meist um Baku, Dublin, Bilbao und Glasgow. Zudem halten sich die Gerüchte, wonach ein Großteil der Partien in Großbritannien stattfinden soll. Diese Vermutung ist naheliegend, weil auf der Insel die Impfungen schon weit fortgeschritten sind – was Zuschauer in den Stadien ermöglichen könnte.
Nach den UEFA-Plänen sollen in München die Gruppenspiele der deutschen Nationalmannschaft gegen Frankreich (15. Juni), Portugal (19. Juni) und Ungarn (23. Juni) sowie ein Viertelfinale ausgetragen werden. Entsprechend irritiert von den Ceferin-Aussagen
zeigte sich Oberbürgermeister Dieter Reiter: „Es ist zum jetzigen Zeitpunkt schlicht nicht möglich, eine Aussage darüber zu treffen, ob es das Infektionsgeschehen der Corona-Pandemie zulässt, im Juni Zuschauer zuzulassen oder nicht. Klar ist aber, dass Veranstaltungen dieser Art mit Zuschauern nach den aktuellen Vorschriften nicht erlaubt sind“, sagte der SPD-Politiker. „Ich würde mir gerade in diesen Zeiten wünschen, dass die Verantwortlichen der UEFA hier den direkten Austausch mit den Gastgeber-Städten suchen, um gemeinsam eine Lösung zu erarbeiten.“
Um die Auflage der UEFA zu erfüllen, bräuchte es eine Sonderregelung vonseiten der Politik. Ob eine solche „Extrawurst“Akzeptanz in der Bevölkerung finden würde, darf angesichts steigender Fallzahlen und weitaus drängenderer Probleme bezweifelt werden. Was Dagmar Freitag von den UEFA-Bedingungen hält, machte die Sportausschuss-Vorsitzende des Bundestags unmissverständlich deutlich: „Die Forderung der UEFA ist angesichts der pandemiebedingten Herausforderungen, denen sich auch die zwölf Austragungsländer nach wie vor stellen müssen, ignorant und verantwortungslos, gleichwohl aber für mich alles andere als überraschend“, sagte Freitag. „Sie dokumentiert nur einmal mehr die dort herrschende Hybris
und zeigt erneut, wie weit sich die Parallelwelt des Fußballs von der aktuellen Lebenswirklichkeit unserer Gesellschaften entfernt hat.“
Angesichts des Zeitdrucks müsste das Thema wohl schon bei den BundLänder-Beratungen am Montag erörtert werden – der Punkt „Veranstaltungen“steht immerhin auf der Agenda. Allerdings stellte die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer am Mittwoch auf die Ceferin-Aussagen angesprochen klar: „Wir handeln immer lageabhängig mit unseren Empfehlungen und Beschlüssen.“Momentan erscheint eine Endrunde auf dem gesamten Kontinent mit Zuschauern undenkbar, da das Reisen von allen Experten als Treiber der Pandemie angesehen wird. Die derzeit geltenden Restriktionen in vielen Ländern würden Grenzüberschreitungen von Fans sowieso weitestgehend unmöglich machen.
Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) sagte, dass er weiter an allen Szenarien arbeite. „Wir möchten gerne im Sinne der Fans die Vision erfüllen, dass auch Zuschauer – unter den dann geltenden Bestimmungen – die Spiele der EURO 2020 in München besuchen können“, hieß es in einer Stellungnahme. Ob dies machbar ist, ließ der Verband offen. In den weiterführenden Gesprächen soll erörtert werden, „ob und wie die Umsetzung dieser Ziele gelingen kann“.