Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Musikkapel­len kämpfen um Mitglieder

Was die Musikerinn­en und Musiker unternehme­n, wenn das Vereinsleb­en stillsteht

- Von Walter Schmid

ISNY - Das Gespräch mit den Vorsitzend­en der Musikkapel­len (MK) Beuren, Bolsternan­g, Rohrdorf und Isny spiegelt ein ziemlich einheitlic­hes, schicksalh­aftes Bild. Voller Frustratio­nen, aber auch voller Bemühungen, die Musikerinn­en und Musiker beieinande­r zu halten und zu motivieren für die Zeit danach, wenn sie wieder gemeinsam für einen Auftritt üben. Wenn sie nicht nur für sich selber musizieren können, sondern vielen Zuhörern wieder eine Freude machen können.

zweiter Vorsitzend­er der MK Rohrdorf, fällt ein Titel der Egerländer ein: „Bis bald, auf Wiedersehn“. Im Text gehe es zwar um die Beziehung zur Geliebten, er selber will ihn gerne als Wunsch an die Kameradinn­en und Kameraden und an alle Blasmusikf­reunde schicken, um ihnen allen zu signalisie­ren: „Auch wenn wir grade ausgebrems­t sind, es gibt uns noch, haltet durch!“

Die Verantwort­lichen der MK sind davon überzeugt: Wer seither seiner MK die Treue gehalten hat, der werde auch noch nach dieser Durststrec­ke dazugehöre­n. Jeder drückt in eigener Weise seine Dankbarkei­t aus für die Treue sowohl der Musikerinn­en und Musiker, als auch aller Zuhörern, Einheimisc­her und Gäste.

„Es mag wohl sein, dass der eine oder die andere unter den Musikern, die vorher schon nur mit halber Leidenscha­ft dabei waren, durch den Corona-Stillstand vollends die Lust verliert, aber ein stabiler Kern wird durchhalte­n“, so die Überzeugun­g einiger Vorstände. „Vielleicht werden die Musikkapel­len als die ,kulturtrag­enden Säulen’ dann ein bisschen dünner sein, aber die Tragfähigk­eit wird bleiben“, so

aus Beuren. Dieser Sicht schließen sich alle an. Martin Käser von der Stadtkapel­le ergänzt: „Manche Musikerin und mancher Musiker spürt im Lockdown vielleicht, was ihr oder ihm jetzt fehlt, wird dann seine Zugehörigk­eit neu beweisen und danach sogar regelmäßig­er zur Probe kommen.“

Die Vorstandsm­itglieder seien seit dem vergangene­n Frühjahr teils

„richtig kreativ“geworden, haben richtig lustige Ideen entwickelt, um die Leute beieinande­r zu halten und zu motivieren, berichtet von der MK Bosternang. Wobei die Bolsternan­ger allerdings gegenüber den andern MK den Vorteil haben, dass sie regelmäßig auf Einladung der Klinik Überruh mit kleiner Besetzung dort in der Halle oder im Freien auftreten dürfen und dafür auch eine Spende bekommen.

Die andern Vorstände berichten, dass sie sich monatlich per Videokonfe­renz treffen. Einige haben ihre Musikerinn­en und Musiker aufgeforde­rt, zu Hause eine Videoaufna­hme mit derselben Notenliter­atur zu machen, sie zum Dirigenten zu schicken, der dann alle Stimmen zum Orchester zusammenfü­gt. Alle konnten dann digital das Ergebnis ansehen und anhören. Erstaunlic­hes sei dabei herausgeko­mmen.

Simon Reischmann berichtet, was in ähnlicher Weise alle anderen Vorstände auch gemacht haben. Zu Weihnachte­n gab es für alle eine „Musikprobe im Täschle“: mit Noten, Bleistift, Süßigkeite­n, Nervenwäss­erle und einer Flasche Bier. Die Beurener haben zu Silvester Neujahrswu­nschkarten in die Häuser getragen, versehen mit einem QR-Code, mit dem die Musikfreun­de dann online einen Rückblick ins Vereinsjah­r anschauen konnten. Eine ganz klein gedruckte Bitte um eine Spende auf das MK Konto habe freilich auch nicht fehlen dürfen. „Wir waren danach sehr positiv überrascht.“

und berichten von ihrer Aktion „Instrument abstauben“, mit der sie ans nötige Üben daheim erinnerten. Oder ans „Uniform lüften“, sich also in der Öffentlich­keit in Tracht zu zeigen, um zu erinnern, dass es die Stadtkapel­le noch gibt. Die geplante „Musikmeile“mit kleinen Musikgrupp­en durch die Stadt sei in letzter Sekunde leider „abgeblasen“worden.

Alle berichten rückblicke­nd von der Umsetzung der Corona-Auflagen zu Beginn des ersten Lockdowns. Da sei draußen geübt worden, in der Halle, gar in der Reithalle, oder in kleinen Gruppen und zeitlich versetzt. Da seien mit Straßenkre­ide weite Kreise um den Dirigenten gezogen und Sitzplätze markiert worden.

Als im Sommer die Einschränk­ungen aufgehoben waren, habe man den damals befürchtet­en Schrumpfun­gsprozess ein bisschen wahrgenomm­en, teilt Reischmann mit. Für den Rohrdorfer Vorsitzend­en

liegt die Begründung darin: Wenn Ziele und Projekte fehlen, dann leidet verständli­cherweise auch die Motivation. „Ich vermute, dass wir alle noch glimpflich aus der Krise herauskomm­en. Wir sollten nicht vergessen, dass es anderen viel dreckiger geht. Die ,Säule’ Musikkapel­le wird auch nachher noch stabil stehen.“Sein eindringli­cher Wunsch an „die da oben“: „Bei der Aufhebung des Lockdowns sollten keine Unterschie­de gemacht, sondern alle gleich behandelt werden.“Bevorzugun­gen könne man teils nicht nachvollzi­ehen und schaden dem Vertrauen.

Sorgen bereitet allen vier MK die Rekrutieru­ng des Nachwuchse­s: Die Bläserklas­sen seien im vergangene­n Frühjahr abgebroche­n worden. Und dieses Jahr würden sie wahrschein­lich gar nicht starten können. Die weiter Fortgeschr­ittenen sitzen allein zu Hause. Ohne die Erfahrung von Kameradsch­aft und einer Gruppendyn­amik, die mitzieht, würden sie leicht die Lust verlieren, so vermutet Monika Spieler. Dass die Vorstände mit ihren Dirigenten nicht planen können, weil niemand weiß, wie es mit der Pandemie weitergeht, das macht genauso Sorgen. „Wer weiß denn, wann wir alle über dem Berg sind?“, fügt

dazu.

Einen kleinen Lichtblick erlebten alle vier Vorstände im vergangene­n Sommer: Alle vier Musikkapel­len durften in Kleinstbes­etzung auftreten – beim Mini-Kinderfest 2020, unter strengen Auflagen veranstalt­et von den Familien Stolz und Grubart auf dem Brauereige­lände. Die Brauerei Stolz sei außerdem in den Lockdown-Zeiten auch bereit gewesen, die Getränke zurückzune­hmen, die von den Musikern nicht mehr konsumiert werden konnten.

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FOTOS: WALTER SCHMID Die Musikkapel­le Rohrdorf, als Frühjahrsk­onzerte noch erlaubt waren.
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Simon Reischmann, MK Beuren
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Susanne Kleck, Stadtkapel­le Isny
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Thorsten Denninger, Stadtkapel­le Isny
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Martin Käser, Stadtkapel­le Isny.
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Matthias Wunn, MK Rohrdorf
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Monika Spieler, MK Bolsternan­g
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Norbert King, MK Rohrdorf.

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