Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Alt und Jung werden Brieffreun­de

„Herz und Gemüt“und Werkrealsc­hule Bad Wurzach bringen Jugendlich­e und Senioren zusammen

- Von Steffen Lang

BAD WURZACH - Ein neues Projekt haben Susanne Baur von der Aktion „Herz und Gemüt“und Schulsozia­larbeiter Edmund Butscher in Bad Wurzach ins Leben gerufen.

Schon seit langem engagieren sich die beiden, um Alt und Jung zusammenzu­bringen. Bis die Pandemie es unmöglich machte, unterstütz­ten Jugendlich­e der neunten Klasse der Werkrealsc­hule zum Beispiel in ihrer Freizeit ältere Menschen mit Hilfsdiens­ten oder besuchten sie regelmäßig. „Nun mussten wir neu denken und kreativ werden“, sagt Susanne Baur. Und so entstand im Zusammensp­iel mit Edmund Butscher im Herbst die Idee, Brieffreun­dschaften zwischen Alt und Jung zu vermitteln.

Mit einer Videobotsc­haft wurde den Schülerinn­en und Schülern das Projekt vorgestell­t. Und es traf auf große Gegenliebe. 24 Jugendlich­e der achten und neunten Klasse meldeten sich an, dazu stießen noch zwei Sechstkläs­slerinnen. Auch Susanne Baur hatte in ihrem Netzwerk keine Schwierigk­eiten, Interessen­ten zu finden. „Von unserer Aktion ,Bad Wurzach schreibt’ im vergangene­n Frühjahr wusste ich schon, wer gerne Briefe erhält und schreibt.“Mit einem Alter von Mitte 50 bis 92

Jahren sei das „eine bunt gemischte Gruppe“, so Susanne Baur.

Mitte Dezember gingen die ersten Briefe hin und her. Die Jugendlich­en, Jungs und Mädchen gleicherma­ßen, erhielten dabei zunächst von Edmund Butscher eine Anleitung an die Hand, wie die Briefe inhaltlich gestaltet sein sollten. Einmal im Monat schreiben sich seitdem die Generation­en. Eine Brieffreun­dschaft entstand darüber hinaus zwischen einer Schülerin und einem behinderte­n Mädchen.

Das Besondere an den Brieffreun­dschaften ist, dass der Kontakt weitestgeh­end anonym ist. „Man kennt sich nur beim Vornamen“, erläutert Susanne Baur. Die Briefe werden bei ihr oder bei Edmund Butscher abgegeben, die sie an den jeweiligen Adressaten weiterleit­en. „Im Sommer soll es aber ein großes Kennenlern­fest geben“, kündigt Susanne Baur voller Vorfreude an.

„Wir lesen die Briefe selbstvers­tändlich nicht“, betont Edmund Butscher. „Wir leiten sie nur weiter.“Er und Susanne Baur freuen sich, dass so viele mitmachen und dabei sehr kreativ werden. „Es ist toll, wie liebevoll und wunderschö­n viele Umschläge gestaltet sind.“

„Dass Kinder sich bereit erklären, auch mal einen Brief mit der Hand zu schreiben, hat mich so sehr beeindruck­t, dass ich gerne mitmache“, so ein Senior, der aus genannten Gründen hier namenlos bleiben soll. „Aber natürlich gilt das auch für uns Ältere. Auch wir schreiben heutzutage ja meistens mit dem PC.“

„Erstmal war ich von der Idee, einen Brief zu schreiben, ja nicht so begeistert“, gesteht die Werkrealsc­hülerin der neunten Klasse. „Und mir hat beim ersten Mal danach die Hand ganz schön weh getan. Aber jetzt macht es mir richtig Spaß. Das letzte Mal habe ich sogar anderthalb Seiten geschriebe­n. Und ich freue mich jedesmal, wenn ich einen Brief erhalte.“

Auch der Senior ist angetan. „Briefe zu schreiben ist etwas ganz Besonderes. Man macht sich viel mehr Gedanken, was man schreibt, schließlic­h hat man ja keine Löschtaste.“Trotz der Anonymität des

Brieffreun­ds entstehe „eine unwahrsche­inliche Verbindlic­hkeit“. Man erfahre durchs Fragenstel­len und Antworteng­eben viel voneinande­r. „Ich habe schon viel gelernt, wie es früher war“, pflichtet ihm die Schülerin bei.

Und weil man ja schon neugierig wird, wie denn der Briefpartn­er aussieht, freuen sich beide heute schon aufs „Blind Date“im Sommer.

Weil die Brieffreun­dschaften so gut angekommen sind, werde man die Aktion auch nach der Pandemie fortsetzen, sagt Butscher. „Die Achtklässl­er schreiben Briefe, in der neunten Klasse gibt es dann persönlich­e Treffen.“

„Soziales Engagement ist auch ein Bildungszi­el der Schule“, erläutert der Schulsozia­larbeiter den hohen Stellenwer­t dieser und ähnlicher Aktionen. Beide Generation­en würden dadurch die Probleme und die Sichtweise­n der jeweils anderen kennenlern­en. „Und die Schüler lernen auch, zuverlässi­g, höflich und verbindlic­h zu sein.“„Die soziale Kompetenz zählt in meinen Augen am Ende mehr als eine 1,0 im Abschlussz­eugnis“, sagt der Senior.

„Dieser soziale Aspekt hat in der Vergangenh­eit auch schon so manchem nach der Schule Türen geöffnet und Lebenswege aufgezeigt“, berichtet Susanne Baur von ihren Erfahrunge­n.

Edmund Butscher hebt dabei hervor, dass dieses soziale Engagement der Schüler in ihrer Freizeit erfolgt, auch wenn die Schulleitu­ngen die Aktionen vorbildlic­h unterstütz­en und dafür auch mal eine Schulstund­e für das Bewerben zur Verfügung stellen. „Als Belohnung gibt es für die Schüler nur einen gemeinsame­n Ausflug oder ein gemeinsame­s Essen, und am Ende der Schulzeit ein Zertifikat, das bei der Abschlussf­eier überreicht wird.“

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FOTO: STEFFEN LANG Susanne Baur und Edmund Butscher freuen sich, dass die Aktion bei Jung und Alt so gut ankommt.

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