Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Gründen in der Krise

Warum zwei junge Unternehme­r von Berlin zurück in die Heimat gezogen sind

- Von Stefanie Böck

ISNY/WANGEN – Verblüffen­d: Mitten in der Krise starten zwei junge Unternehme­r mutig in die Selbständi­gkeit. „Wir sind optimistis­ch“, sagen Viktoria Bader und Felix Sach, die beide bei der Firma Dethleffs ihre Ausbildung gemacht haben. Nach einer Zeit in Berlin haben die beiden Anfang des Jahres die „Immobilien­schmiede Allgäu“in Wangen eröffnet.

Die gelernten Industriek­aufleute bieten dort Dienstleis­tungen rund um den Verkauf von Häusern an. Zwar hat Viktoria Bader das Abitur am Isnyer Gymnasium gemacht, sich danach aber für eine praktische Ausbildung entschiede­n. „Ich wollte gleich was arbeiten – und habe das auch bis heute nicht bereut.“

Nach ihren Lehrjahren, in denen sie auch ihren Partner Felix Sach kennenlern­te, zog es die junge Allgäuerin in die Millionenm­etropole Berlin. Bei einem internatio­nalen Immobilien­unternehme­n lernte sie, mit Menschen aller Art umzugehen. „Ich hab‘ von der kleinen Wohnung bis zur denkmalges­chützten 10-Millionen-Villa am Wannsee alles an alle möglichen Leute vermittelt.“

Und das offensicht­lich mit dem entspreche­nden Talent. Schon nach kurzer Zeit betreute sie Kunden wie den Regisseur des Films „Fuck ju Göthe“und die Schauspiel­erin Karoline Herfurth. So bunt und vielfältig das Leben in Berlin auch war: „Wir haben ziemlich schnell gemerkt, dass das auf Dauer nichts für uns ist.“

Die Natur und die hohe Lebensqual­ität lockte das Paar zurück in die Heimat. Jetzt bieten sie ihr Wissen rund um den Immobilien­verkauf hier in der Region an. Und das sei extrem spannend im Moment: „Die Pandemie bringt Bewegung in den Markt“, sagt Felix Sach, der Preise und Entwicklun­gen fest im Blick hat.

Konkret: Seit Beginn der Krise sind die Verkaufspr­eise der Häuser im Allgäu um rund 7,8 Prozent gestiegen. Die Gründe sind eigentlich logisch: „Der Platzbedar­f hat sich bei den Menschen durch Homeoffice und Homeschool­ing deutlich verändert. Vielen fehlt jetzt schlicht ein Zimmer.“Zwar sei die Nachfrage noch nicht ganz so groß wie in den

Ballungsrä­umen – aber „auch hier suchen Menschen seit dem Lockdown Immobilien mit Balkon oder Garten.“

Gute Nachrichte­n für alle Eigentümer, die jetzt verkaufen möchten, finden die Gründer, die bereits ein Mehrfamili­enhaus in Wigratzbad in der Vermarktun­g haben. Für alle Interessen­ten bietet das junge Team eine kostenlose Erstbewert­ung der Immobilie auf ihrer Homepage an. „Einfach die Eckdaten in eine Maske eingeben, das Programm errechnet dann automatisc­h eine grobe Preisspann­e.“Eine richtige Bewertung ersetzte das natürlich nicht, sagt Felix Sach. Er und seine Partnerin empfehlen immer eine profession­elle Besichtigu­ng und den Einsatz von modernen Wertermitt­lungstools.

„Den optimalen Marktwert kann nur ein echter Profi ermitteln“, ist Viktoria Bader überzeugt. Dazu brauche es Erfahrung. Sind die Gründer dafür nicht noch etwas jung? „Ja – und sehr dynamisch“, sagt die 25-Jährige und lacht charmant. Ihre Sicherheit

hat sie in Berlin erworben. „Der Markt dort ist wie ein Haifischbe­cken. Super knappes Angebot und eine riesige Nachfrage. Da musst du richtig fit sein, um Erfolg zu haben.“

Ihr Lieblingsi­nstrument in Zeiten von Corona: virtuelle Hausbesich­tigungen. Mit 360-Grad-Rundgängen für Interessen­ten stoßen sie schon jetzt auf großes Interesse. „Im Moment arbeiten wir an der Präsentati­on eines landwirtsc­haftlichen Anwesens, am Verkauf einer Innenstadt­wohnung am Bodensee und an der Bewertung eines renovierun­gsbedürfti­gen Einfamilie­nhauses.“Die Kunden schätzen das frische und profession­elle Auftreten der beiden. Und den Blick für das sogenannte „Wertoptimi­erungspote­nzial.“

Genauer: „Manchmal muss man in ein Haus 1500 bis 2000 Euro für neue Fliesen investiere­n und kann so den Verkaufspr­eis um 20000 bis 30000 Euro steigern.“Darauf kämen Eigentümer, deren Herz an der Immobilie hängt, oft nicht. Außerdem stören in der Praxis starke Emotionen die objektive Preisermit­tlung. Erbfälle, Scheidung, Jobverlust: „Manchmal ist es hart für Menschen, ihr Haus überhaupt herzugeben. Da hängen Geschichte­n und Lebenskonz­epte dran“, sagt Viktoria Bader, die diese Aufgabe spürbar gerne und mit Leidenscha­ft und Fingerspit­zengefühl übernimmt.

„Wir freuen uns riesig auf die Zukunft“, sagt auch ihr Partner Felix Sach, der zufrieden in den selbst renovierte­n Büroräumen auf dem braunen Ledersofa sitzt. „Auch, wenn es sich gerade noch ohne Menschen in der Innenstadt etwas absurd anfühlt, sind wir doch überzeugt, dass wir uns richtig entschiede­n haben.“

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FOTO: STEFANIE BÖCK Viktoria Bader und Felix Sach gründen mitten in der Krise die „Immobilien­schmiede Allgäu“in der Bindstraße. Golden Doodle Lui sieht dem Vorhaben gelassen entgegen.

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