Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
VfB steht vor der Wut-Probe
Stuttgart erwartet nach dem 5:1-Sieg im Dezember gereizte Dortmunder zum Topspiel – Mangala verlängert
STUTTGART - Thomas Hitzlsperger ist nicht gerade bekannt für seine emotionalen Ausbrüchen. Mitte Dezember platzte es allerdings aus dem Vorstandsvorsitzenden des VfB Stuttgart heraus: „Ich könnte Konfetti kotzen, so happy bin ich über das, was ich gerade sehen durfte.“Der Aufsteiger hatte soeben 5:1 bei Borussia Dortmund gewonnen, das Ergebnis ging auch in dieser Höhe absolut in Ordnung. „Das hat Megaspaß gemacht. Die Jungs vor mir haben durchweg Gas gegeben. Dieser Erfolg wird uns super viel Selbstvertrauen geben“, jubelte auch VfB-Torhüter Gregor Kobel im ersten Freudentaumel.
Er sollte recht behalten. Spätestens seit dem Coup in Dortmund zählt der VfB Stuttgart zu den großen Überraschungen dieser Bundesligasaison – eine Rolle, die den Schwaben nach dem Wiederaufstieg nicht unbedingt zuzutrauen war. „Das Spiel hat uns gutgetan, weil wir gesehen haben, dass wir in der Lage sind, Spitzen gegen Mannschaften wie Borussia Dortmund setzen zu können“, sagt VfBTrainer Pellegrino Matarazzo vor dem Rückspiel am Samstagabend (18.30 Uhr/Sky). Dennoch möchte er die Bedeutung des Kantersiegs im Dezember nicht zu hoch hängen. „Das Dortmund-Spiel war ein Stück weit symbolisch für unsere Saison, weil wir sehr selbstbewusst aufgetreten sind. Aber die breite Brust haben wir uns nicht in diesem Spiel, sondern im Verlauf der ganzen Saison geholt.“
In der Tat: Obwohl der VfB mit einem Altersdurchschnitt von etwas mehr als 23 Jahren die jüngste Mannschaft aller Bundesligisten stellt, ist von Zurückhaltung auf dem Platz wenig zu sehen. Stattdessen lässt Matarazzo einen mutigen Offensivfußball spielen und klopft mit dem VfB sieben Spieltage vor Schluss sogar an der Qualifikation für den Europapokal. Beim Rückspiel gegen den BVB in der Mercedes-Benz-Arena könnten die Schwaben den nächsten Schritt machen und mit einem erneuten Sieg bis auf einen Punkt an den ChampionsLeague-Viertelfinalisten heranrücken. Bei diesem läuft es momentan alles andere als rund. Mit zuletzt nur einem Punkt aus den beiden Spielen gegen Köln und Frankfurt haben die Westfalen die erneute Qualifikation für die Königsklasse so gut wie verspielt, zudem droht im ViertelfinalRückspiel am Mittwoch gegen Manchester City trotz guter Leistung beim 1:2 unter der Woche das Aus.
Besonders schwer schmerzt die Borussen aber nach wie vor die Heimklatsche gegen den VfB vor vier Monaten. „Es war – nicht nur in dieser Saison, sondern wahrscheinlich in den letzten Jahren – die schlechteste Leistung, die wir gezeigt haben“, sagt BVB-Trainer Edin Terzic. Es sei unmöglich, diese Partie auszublenden. „Nach diesem Spiel ist ja auch einiges passiert“, ergänzt der Coach, der damals noch als Co-Trainer auf der Bank saß. Einen Tag nachdem der BVB von der jungen Stuttgarter Truppe mit 1:5 filetiert wurde, zog der Revierclub die Reißleine und entließ Lucien Favre. Terzic übernahm, das größte Manko ist jedoch geblieben: die Leistungsschwankungen. Auch deshalb kommt im Sommer der jetzige Gladbacher Coach Marco Rose als neuer Trainer zur Borussia. Der aktuelle Übungsleiter möchte zuvor Wiedergutmachung gegen Stuttgart betreiben und das Debakel im Hinspiel mit den BVB-Profis nochmals thematisieren. „Eine Portion Wut darf auch mit dabei sein, wenn man in so ein Spiel geht.“
Auf den VfB wartet also eine Wutprobe. Pellegrino Matarazzo ist jedenfalls gewarnt: „Ich gehe davon aus, dass wir eine Top-Borussia-Dortmund-Mannschaft sehen werden.“
Wie schon beim 1:0-Heimsieg in der Vorwoche gegen Bremen muss der 43Jährige weiter auf seine Angreifer Nicolás González (Muskelfaserriss) und Silas Wamangituka (Kreuzbandriss) verzichten. Zudem hat sich Mittelfeldspieler Orel Mangala unter der Woche erneut am Oberschenkel verletzt und droht gar bis zum Saisonende auszufallen. Dennoch hat der Club den Vertrag mit dem 23 Jahre alten Belgier am Freitag vorzeitig um ein weiteres Jahr bis 2024 verlängert. „Orel hat sich in den vergangenen Jahren überaus positiv entwickelt. Er bringt nach unserer Überzeugung alle Voraussetzungen mit, um ein absoluter Top-Spieler zu werden“, lobt VfBSportdirektor Sven Mislintat.
Der Ex-Dortmunder bastelt bereits fleißig am Kader für die kommende Spielzeit. So stehen die Schwaben laut übereinstimmenden Medienberichten kurz vor der Verpflichtung des Sturmtalents Alou Kuol. Der 19-Jährige wurde im Sudan geboren, flüchtete im Alter von drei Jahren mit seinen Eltern nach Ägypten und zog schließlich weiter nach Australien, wo er zum Profi reifte. Kuol passt ins Beuteschema von „Diamantauge“Mislintat, der mit seinen Verpflichtungen einst geholfen hat, den BVB zurück in die Spitze des deutschen Fußballs zu führen. Mit dem VfB verfolgt er nun dasselbe Ziel. Zumindest tabellarisch könnten die Stuttgarter die Borussia schon am Samstag fast einholen. Ein erneuter Gefühlsausbruch von Thomas Hitzlsperger wäre garantiert.