Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Schmähpreis für dreiste Produktkopien
Fälscher kopieren Bremsentlüftungsgerät von Manotec und Kettensäge von Stihl – Verein Plagiarius kämpft gegen Markenpiraten
TUTTLINGEN - Uhren, T-Shirts, Turnschuhe, Handtaschen oder auch Motorsägen: Es gibt kaum ein Original-Markenprodukt, das nicht irgendwo auf der Welt nachgemacht und gefälscht wird. Der private Verein „Aktion Plagiarius“hat sich den Kampf gegen Produktpiraten zur Aufgabe gemacht und am Freitag erneut seinen Schmähpreis – einen schwarzen Zwerg mit goldener Nase – verliehen, um so Fälschungen anzuprangern. Mit der zum 45. Male wiederholten Aktion will der Verein Konsumenten dazu bringen, sich bewusst für die Originale zu entscheiden. Leidtragende dieses Betruges sind in diesem Jahr auch zwei Unternehmen aus Baden-Württemberg.
Eines davon ist das 2004 gegründete Unternehmen Manotec, das in Villingen-Schwenningen Apparate und Sondermaschinen wie zum Beispiel Bremsentlüftungsgeräte herstellt. Auf eines dieser Geräte hatten es auch Produktpiraten abgesehen. „Das ist ein Mordsding“, sagt der Firmengründer Thomas Schnabel-Jung. Ungläubig hat er die Plagiate seines Bremsentlüftungsgerätes ERS 5 auf mehreren Internetplattformen entdeckt. Besonders dreist: Die Fälscher verwendeten dafür sogar ein Foto von der Manotec-Internetseite.
Erst auf den zweiten Blick erkennt man, dass es sich nicht um das Original handelt. Der Firmenname Manotec fehlt, außerdem ist die Beschriftung fehlerhaft: „Aump“statt „Amp“für Ampère. Der chinesische Hersteller vertreibt sein Plagiat über einen tschechischen Anbieter, der das nachgemachte Produkt wiederum online inseriert. „Wir haben uns an die Betreiber der Internetplattformen gewendet, um den Eintrag löschen zu lassen“, erzählt Schnabel-Jung und ergänzt: „Das ist eine unendliche Geschichte.“Sobald ein Eintrag gelöscht würde, laden die Produktpiraten ein neues Inserat hoch.
Zumindest einen kleinen Erfolg konnte Manotec jedoch erzielen. Thomas Schnabel-Jung hat die Produktpiraterie dem Zoll gemeldet. So kann bei Kontrollen zumindest die Einfuhr der Produkt-Kopie verhindert werden. Um die Herstellung des Plagiats vollständig zu unterbinden, müsste Schnabel-Jung jedoch einen Anwalt nehmen und in China einen Prozess anstrengen. „Das ist für eine kleine Firma wie unsere einfach zu teuer“, sagt der Unternehmer. Den wirtschaftlichen Schaden kann er nicht beziffern. Bei einer Sache ist er sich jedoch sicher: „Es ist vor allem eine Gefahr für unseren Ruf.“Einmal hat sich ein Kunde bei ihm gemeldet, um ein Ersatzteil für das Bremsentlüftungsgerät zu bestellen. Zur Sicherheit schickte er ein Foto des Teils mit. Es stellte sich heraus: Der Kunde hatte unwissentlich das Plagiat gekauft, es aber für das Original gehalten. „Das ist ihm natürlich nach wenigen Malen schon kaputtgegangen“, erinnert sich Schnabel-Jung.
Er hat dem Kunden daraufhin geraten, ein neues Original-Gerät zu kaufen. Auch aus Sicherheitsgründen, denn die Kopien sind teilweise sogar gefährlich. „Dieses Billig-Plagiat entspricht in keinster Weise den gesetzlichen Vorschriften für Elektrik und Druckgeräte: gefährliche Verkabelung, Verunreinigungen, ein nicht für Bremsflüssigkeit geeigneter Druckregler. Das Gerät ist undicht, sodass elektrische Leitungen unterspült werden – ein Blindstopfen verhindert den Ausgleich von Unterdruck,“schreibt die Aktion Plagiarius auf ihrer Internetseite.
Doch auch große Unternehmen sind von Produktpiraterie betroffen: Als krasseste Nachahmung des Jahres wurde die Motorsäge eines chinesischen Herstellers gebrandmarkt, die dem Produkt „MS 250“der Andreas Stihl AG aus Waiblingen bei Stuttgart auf den ersten Blick täuschend ähnlich sieht. Zwar ist der Markenname
„Sthil“auf dem Kettenblatt falsch geschrieben, aber sonst ähnelt die Kopie dem Original stark.
Stihl geht weltweit gegen Produktpiraten vor und hat nach eigenen Angaben gegen den diesmal ausgewählten Nachahmer bereits acht Gerichtsverfahren gewonnen und rund 170 000 Euro Schadenersatz erstritten. In den vergangenen Jahren konnten laut Angaben des Unternehmens Fälschungen im Wert von vielen Millionen Euro beschlagnahmt und vernichtet werden.
„Der Markenname Stihl ist in 170 Ländern der Welt geschützt. Unsere Farbmarke Orange-Hellgrau, welche unsere typische Stihl Farbkombination schützt, ist in mittlerweile über 100 Ländern rechtskräftig eingetragen, unter anderem auch in der EU, in den USA und in China“, teilte eine Sprecherin des Unternehmens auf Anfrage mit. Als Ergebnis gebe es zumindest in Ländern mit verlässlichen Rechtssystemen so gut wie keine Stihl-Fälschungen mehr. Dafür arbeitet Stihl eng mit den Zollbehörden zusammen und überwacht Hunderte von Verkaufsplattformen.
Kunden rät das Unternehmen beim Fachhändler einzukaufen. „Käufer von Produktfälschungen hingegen müssen nicht nur mit Qualitätsmängeln rechnen, sondern gehen häufig auch ein hohes Sicherheitsund Gesundheitsrisiko ein“, sagte die Stihl-Sprecherin.
Über den angerichteten Schaden sind viele Schätzungen im Umlauf. Rund 100 Millionen gefälschte Produkte werden jährlich in der EU von Zollbehörden und Polizei entdeckt, den weltweiten Schaden schätzt die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD auf 250 Millionen US-Dollar jährlich.
Der deutsche Maschinenbauverband VDMA schätzt den jährlichen Schaden allein für die eigene Branche im Jahr 2019 auf 7,6 Milliarden Euro. Kaum eine größere Firma sieht sich nicht betroffen, von allen Unternehmen berichten 74 Prozent, dass sie Opfer von Produktpiraten geworden sind. Die meisten Maschinenplagiate werden laut VDMA in China vertrieben.
„Dieses Billig-Plagiat entspricht in keinster Weise den gesetzlichen Vorschriften für Elektrik und Druckgeräte.“
Erklärung des Vereins „Plagiarius“, der den Schmähpreis vergibt, über das Bremsenentlüftungsgerät von Mannotec