Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Zwischen Enttäuschung und Stolz
VfB Friedrichshafen gesteht deutliche Unterlegenheit in Finalserie ein – Auszeichnung als Trostpflaster
FRIEDRICHSHAFEN - Ein spezieller Schachzug sollte die Wende einleiten. Joe Worsley und Arno Van de Velde statt Dejan Vincic und Marcus Böhme – Michael Warm verfolgte für das dritte Spiel im Play-off-Finale gegen die Berlin Recycling Volleys eine klare Strategie. „Wir wollten alles auf den Aufschlag setzen“, sagte Warm, Trainer des Volleyball-Bundesligisten VfB Friedrichshafen. Aber auch das funktionierte nicht, auch das brachte in dieser Finalserie keine Wende mehr. Gegen die Übermacht der Berliner kamen die Häfler nicht mehr an, sodass sie nach dem 0:3 am Donnerstagabend den BR Volleys zum fünften Meistertitel in Serie gratulieren mussten.
Dabei war es ausgerechnet eine Aufschlagserie von Benjamin Patch, die dem VfB im dritten Aufeinandertreffen weiter Hoffnung nahm. Friedrichshafen startete vielversprechend, führte im ersten Satz mit 17:14, doch danach übernahm der Berliner Ausnahmespieler das Kommando. Mit seiner Klasse brachte der USAmerikaner sein Team auf die Siegerstraße, vor allem wegen ihm ging der erste Satz mit 25:21 an die Hauptstädter. Ein weiterer Nackenschlag für die Häfler in dieser Finalserie. Einer, den sie nur schwer verdauen konnten: Es fehlte ihnen an der „mentalen Kraft“. Beinahe im Spaziergang gewann Berlin dann auch den zweiten Satz mit 18:25. „Ich habe mehr Kampf erwartet und, dass die Mannschaft als Team agiert – von Anfang bis Ende. Aber das ist ihr nicht gelungen, das war zu wenig. Den Vorwurf muss sich die Mannschaft gefallen lassen“, analysierte VfB-Geschäftsführer Thilo SpäthWesterholt. Im dritten Satz sah er dann wenigstens noch einmal eine Formation, die sich bemühte. Doch auch mit Vincic und Böhme auf dem Feld musste sich der VfB beugen.
„Die Enttäuschung ist riesengroß, weil wir die ganze Saison viel Aufwand betrieben haben“, meinte Späth-Westerholt. Aber die Häfler gaben sich auch als fairer Verlierer. „Berlin hat es wieder geschafft, zum Saisonhöhepunkt sein bestes Volleyball zu spielen“, so der Geschäftsführer anerkennend. „In der Verfassung und mit dem Personal war Berlin stärker“, meinte Warm. Der Trainer haderte aber auch noch mit dem ersten Spiel dieser Finalserie, da verlor der VfB nach 2:0-Führung mit 2:3.
„Ihre Moral ist nach oben gegangen und unsere nach unten“, sagte Warm. Im Nachhinein lässt sich feststellen, dass dieser Spielverlauf der Anfang vom Ende war. Die ganze Saison mit den ganzen Ereignissen wie der plötzlichen Hallenschließung in der Sommervorbereitung oder die Corona-Quarantäne mitten in der Spielzeit
hinterließ hier ihre Spuren. „Keiner der Spieler kann sich daran erinnern, je so eine anstrengende und intensive Saison erlebt zu haben“, berichtete Warm. Der verletzte Daumen von Libero Markus Steuerwald, der dadurch geschwächt spielte, sowie der Ausfall von Mittelblocker Nehemiah Mote ab dem zweiten
Spiel waren weiteres Gift für die Häfler Meisterschaftsambitionen.
Friedrichshafen bleibt nun die Vizemeisterschaft und der wertlose Gewinn der Hauptrunde. Respektvoll hängte Kapitän Vincic seinen Mitspielern die Silbermedaille über den Kopf, trotz der deutlichen Unterlegenheit in der Finalserie ist der
Stolz darauf doch auch vorhanden. In Form einer Ehrung wurde die Leistung am Donnerstag auch gewürdigt. Der 21-jährige Diagonalspieler Linus Weber ist zum Saison-MVP, also dem besten Spieler der Saison, ausgezeichnet worden. „Ich freue mich sehr für ihn und darauf können wir alle stolz sein. Wir haben VolleyballDeutschland gezeigt, dass Friedrichshafen die Heimat der deutschen Toptalente ist“, so Warm. An Weber werden die Häfler in der nächsten Saison aber keinen Spaß mehr haben. Bei Sport1 verkündete er seinen Abschied und nannte auch schon seinen neuen Club. Weber kehrt nach Italien zurück, schließt sich dort Pallavolo Padua an. Da auch Steuerwald geht und Geschäftsführer SpäthWesterholt von „weitreichenden Veränderungen“sprach, sind weitere Abgänge nicht auszuschließen. „Das ist superschade. Diese Mannschaft hat das Häfler Gefühl verkörpert, das sind tolle Typen“, meinte Warm und äußerte in diesem Zuge sein Bedauern über die zuschauerlose Saison. „Die ganze Truppe konnte sich nicht den Menschen zeigen, ist aber sehr vorzeigenswert.“