Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Glockengeläut löste „Torschlusspanik“aus
Älteste Glocke Isnys im Dachreiter des Espantors diente einst als Alarm- und Signalglocke
ISNY - Die Glocke●im Dachreiter des Espantors sei die älteste noch erhaltene in Isny, ist von den Stadtführern zu erfahren. Das Viertel um das Espantor ist vom großen Stadtbrand 1631 verschont geblieben, einschließlich der Glocke.
Die Tafel am Turm auf der Innenseite der Stadtmauer gibt weitere Auskünfte: „Diese Glocke wurde 1596 von Glockengießer Hans Frei aus Kempten gegossen.“Und an das Glaubenszeugnis auf dem Glockenrand wird ebenfalls erinnert: „Mitten im Leben sind wir im Tod, oh Herr, hilf uns aus aller Not.“
Der vom Rat der Stadt beauftragte Wächter in der Türmerwohnung musste von morgens 5 bis nachts um 22 Uhr jede Stunde die Glocke schlagen. Selbstverständlich habe er auch Ausschau gehalten nach Feuer und Feinden, weiß Stadtführerin Ursula Dankesreiter.
Heimatforscher Roland Manz fügt hinzu, dass in der Wehrordnung zur Stadtverteidigung von 1429 bereits festgelegt worden sei, dass bei Feuer alle verfügbaren kleinen Glocken „anklingen“mussten, nicht aber die „Große Glocke“auf dem „Wendelstein“, dem Turm der Nikolaikirche. „Wenn es aber andere Sach wer, Vererbenschaft oder Ufflauf (Aufruhr?), so soll man allain mit der grossen Gloggen auslahen.“Anzunehmen ist, dass die älteste, heute noch vorhandene Glocke auf dem Espantor bereits eine Vorgängerin hatte. Der Turm der protestantischstädtischen Nikolaikirche, auf dem die „Große Glocke“hing, sei vor dem Stadtbrand vermutlich über eine Wendeltreppe zugänglich gewesen – ein idealer Beobachtungsstandort in Richtung Vorstadtregion, informiert Manz.
Abgeordnet zur Beobachtung auf dem „Wendelstein“waren der Mesmer und auch Leute aus dem Kloster, die in der Wehrordnung als die „hailigen maister“benannt werden. Das Kloster habe ein elementares Interesse an eigener Sicherheit gehabt. Die Georgskirche habe im späten Mittelalter nur zwei niedere Türme besessen, deshalb hatten auch die „hailigen maister“die Erlaubnis, den Wendelstein als Beobachtungsort nutzen zu können.
Obwohl Kloster und Stadt sonst viel gegeneinander stritten: In Sicherheitsfragen
und der Stadtverteidigung seien sie sich einig gewesen. Es habe zum Beispiel während der Bauernkriege sogar Zeiten gegeben, in denen sich das Kloster ganz in den Schutz der Stadt begeben habe. Als Gegenleistung habe das Kloster Werte und Verwaltungsunterlagen der Stadt übergeben müssen.
In der alten Wehrordnung ist außerdem festgelegt, welche Männer aus dem Rat und aus der „gmaind“, vermutlich den Zünften zugehörig, verantwortlich waren für die Bewachung des Wehrgangs der Stadtmauer auf den verschiedenen Abschnitten zwischen den Toren und den Wehrtürmen. Zum Beispiel waren ab 1429 zwischen „oberthor“und „eschpanthor“Herman Herbst und Bentz Pucher, zwischen „eschpanthor“und „wasserthor“Wissland und Schal abgeordnet.
Vor Einbruch der Dunkelheit habe das Glockengeläut auf dem Espantor, auf dem Wassertor und auf dem Blaserturm die Schließung aller vier Stadttore angekündigt. Wer sich zu diesem Zeitpunkt noch außerhalb der Stadtmauern befand, der sei eilends in die Stadt gerannt, um kein
Torsperr-Strafgeld zahlen zu müssen, so ist aus alten Dokumenten zu erfahren.
Nachweislich gab es auf dem Obertor/Lindauer Tor und dem Bergtor/Kemptener Tor, die beide Mitte des 19. Jahrhunderts abgerissen wurden, keine Glocken. Ab 1. Januar 1832 sei vom Oberamt Wangen angeordnet worden, dass keine Torsperrgelder mehr erhoben werden dürfen. Im Volksmund hat dann allerdings trotzdem die Beurteilung „Torschlusspanik“weitergelebt – bis heute.
Heimatforscher Roland Manz macht als Diplomingenieur der Vermessungstechnik darauf aufmerksam, dass der Standort des Espantores auf das zwölfte Jahrhundert zurückzuführen sei. Wie in jener Zeit üblich, seien die Tore der Hauptzugänge vieler Städte in einem geometrischen Verbund geplant worden, so auch in Isny. Wassertor, Espantor und das 1859 abgebrochene Bergtor/ Kemptener Tor bilden exakt ein gleichseitiges Dreieck mit einer Seitenlänge von 1000 Isnyer Fuß, der wiederum je 33,33 Zentimeter gemessen hat.
Bei genauer Betrachtung des Espantores könne man leicht zwei eigenständige Bauelemente ausmachen. Der Durchgang durch die Stadtmauer mit Halbkreisbogen, wahrscheinlich erbaut im Zusammenhang der Stadtmauer 1378, stellt sich als einfaches Einlassbauwerk dar, erstmals urkundlich erwähnt 1413.
Rund 50 Jahre später sei dann der prächtige Wehrturm, wahrscheinlich mit Signalglocke, angedockt worden. An den Fensterlaibungen im Innern ist der Espantor-Turm eindeutig als Wehrturm auszumachen. Der Durchgang, von außerhalb der Stadt gesehen, hat einen Spitzbogen.
Das Espantor sei zu keiner Zeit Stadtzugang an einem Handels- oder Verkehrsweg gewesen, nur Tor zum „Espan“, also der Zugang zu den von der üblichen Dreifelder-Ackerbauwirtschaft ausgenommenen Weidewiesen und der Heuwirtschaft. Im Espan hätten auch die städtischen Feste und die Schießübungen der Bürgerwehr stattgefunden, so ist von den Mitgliedern der Arbeitsgemeinschaft Heimatpflege weiter zu erfahren.