Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Versuchter Mord wird zu Körperverletzung
Ravensburger Schwurgericht verurteilt 50-Jährigen nach Angriff im Hoßkircher Asylbewerberheim
RAVENSBURG/HOSSKIRCH - Das Schwurgericht Ravensburg hat am dritten Verhandlungstag einen 50-jährigen Mann aus Somalia zu einer Haftstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Das Gericht rückte mit diesem Urteil vom ursprünglichen Tatvorwurf des versuchten Mordes ab. Zwar habe der Mann zu Beginn der Tat durchaus Tötungsabsichten gehabt, sei jedoch während des Tatvorganges davon abgekommen.
Wenig Mühe hatte die Kammer, den Sachverhalt nachzuvollziehen. Den grundsätzlichen Ablauf hatte der 50-Jährige im Vorfeld eingeräumt. So sei der Angeklagte am 5. Februar 2021 – mit einer Eisenstange und einem Messer bewaffnet – in das gemeinsame Wohnzimmer im Asylbewerberheim in Hoßkirch gestürmt. Dort habe er einem Mitbewohner, der im Fernsehen einen Film anschaute, sofort von hinten mit der Eisenstange auf Kopf und Brust geschlagen und danach mit Messerstichen weiter attackiert. Das Gericht befand, dass der Mann seinen Mitbewohner zu Beginn der Tat durchaus töten wollte. Nachdem dieser die Flucht ergriff, habe er ihn aber nicht weiterverfolgt.
Das Motiv der Tat sieht das Gericht in dem Verhalten des Geschädigten in den Wochen zuvor. Dieser hatte Tag und Nacht größere Mengen
Alkohol konsumiert, betrunken in großer Lautstärke Musik gehört und Filme im Fernsehen geschaut. Zudem habe er nachts an die Schlafzimmertür geklopft und zu streiten begonnen. „Irgendwann mag man dann den Punkt erreicht haben, wo dies nicht mehr erträglich war,“so der vorsitzende Richter Veiko Böhm. Die Aggression könne nachvollzogen werden.
Der Strafrahmen bei gefährlicher Körperverletzung liegt zwischen sechs Monaten und bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe. Zugunsten des Angeklagten bewertete das Gericht, dass er keine Vorstrafen hat. Dann die Wut auf den Geschädigten, verbunden mit einer frustrierenden Lebenssituation und die drohenden ausländerrechtlichen Konsequenzen wegen der falschen Angaben, die er beim Asylantrag gemacht hatte.
Gegen den Mann sprachen die Vielzahl der Verletzungen, die sich auch nicht im Bagatellbereich bewegen. Hinzu kommt, dass der Geschädigte noch heute körperlich und psychisch an den Folgen der Tat leidet. Das Tatbild sei geprägt von einer tückischen Vorgehensweise. Gravierend bei der Bewertung sei auch gewesen, dass der Angeklagte die Tat unter Ausnutzung des Überraschungseffektes begangen habe. „Mit dem Urteil haben wir ein deutliches Zeichen gesetzt, weil er das Opfer in Todesangst versetzt und ihm körperlichen Schaden zugefügt hat“, so Richter Böhm.
Der Staatsanwalt hatte in seinem Plädoyer auf versuchten Mord in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung plädiert und eine Freiheitsstrafe von sieben Jahren gefordert, ebenso der Nebenkläger. Die Verteidigerin sah in der Tat eine gefährliche Körperversetzung und beantragte zwei Jahre Haft. Gegen das Urteil kann innerhalb einer Woche Revision eingelegt werden.