Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Geschke hadert in der Quarantäne
Alltag des Radprofis ist geprägt vom Kampf gegen aufkommenden Frust – Buchmann schon wieder zu Hause
TOKIO (SID/dpa) - Kahle Wände begrenzen Simon Geschkes Einöde, ein schmuckloser grauer Vorhang verdeckt den einzigen Blick nach draußen, die Enge seines japanischen Quarantäne-Zimmers lässt nicht einmal Platz für einen Schrank. Reisetasche und Klamotten liegen deshalb auf einem von zwei Betten. „Es ist alles relativ alt hier und wirklich sehr, sehr überschaubar“, sagte der deutsche Radprofi im Video-Interview: „Es ist kein Zimmer, in dem man sich freiwillig gerne länger aufhält.“
Von Freiwilligkeit kann keine Rede sein. Geschke ist als erstes und bislang einziges Mitglied der deutschen Olympiamannschaft positiv auf das Coronavirus getestet worden. Das Straßenrennen am Samstag, für das er eigens nach der Tour de France die weite Reise nach Japan angetreten hatte, fand ohne ihn statt. Geschke musste stattdessen das Quartier des Bundes Deutscher Radfahrer (siehe Kasten; d. Red.) ) verlassen. Nun ist ein Quarantäne-Hotel des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) seine Bleibe. Wie lange, weiß Geschke nicht genau. „Ich bin angekommen und wurde auf mein Zimmer geschickt. Seitdem habe ich nicht viel gehört“, sagte der 35Jährige über den Austausch mit den japanischen Behörden. Zehn Tage, so recherchierte der Berliner, müsse er sich mit der unbequemen Lage wohl abfinden – trotz fehlender Symptome, der Impfung und einem Ct-Wert von 32. „Das heißt, dass ich nur eine kleine Virusbelastung habe“, erklärte Geschke: „Ein Schnelltest war sogar negativ, der PCR-Test hat einen kleinen Wert gefunden.“
Geschke, der für das französische Team Cofidis fährt, hatte die Olympia-Begeisterung im Anschluss an die Frankreich-Rundfahrt nach Tokio getrieben. Angesichts der Umstände bereut er die Anreise. „Es ist der Worst Case. Die Olympischen Spiele sind für mich im Nachhinein eine sehr, sehr große Zeitverschwendung“, sagte Geschke.
Die fehlende Bewegung ist nicht zuletzt nach der intensiven Belastung der letzten Wochen Gift für den auf Leistung getrimmten Körper. „Zehn Tage ganz ohne Radfahren wäre für meine weitere Saison definitiv nicht ideal“, sagte Geschke, der auf ein Entgegenkommen der Behörden hofft: „Wir gucken gerade, ob ich meine Rolle und ein Rad herkriegen könnte. Normalerweise ist das nicht möglich.“Es wäre eine weitere sinnvolle Beschäftigung. Eines hat Geschke nun schließlich im Überfluss: Zeit – und werden die Tage noch zusätzlich verlängert. „Man wird um 7 Uhr von einem Lautsprecher geweckt im Zimmer. Dann muss man Fieber und Sauerstoffsättigung messen. Für mich ist es unverständlich, warum das so früh sein muss, wenn man dann den ganzen Tag kaum etwas zu tun hat.“
Gerne hätte er mehr Abwechslung, das gestaltet sich allerdings schwierig: „Ich war schließlich nicht auf so eine Situation vorbereitet und habe nichts, womit ich mich groß beschäftigen könnte. Ich wollte mir eine Ukulele bestellen, um ein bisschen zu spielen, aber das ist verboten. Man kann ja nicht den ganzen Tag auf sein Handy oder sein iPad starren.“
Ein Problem, auf das er keinen Einfluss hat, ist die Ernährung. „Es gibt eigentlich immer dasselbe. Es ist alles abgepackt wie im Flugzeug“, sagte Geschke. Insgesamt sei alles „schon sehr zäh. Es ist nichts, worauf man sich freut“, so der 35-Jährige: „Hier geht absolut nichts. Das ist halb Psychiatrie, halb Gefängnis. Wobei es Psychiatrie eher trifft.“