Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

3G-Regel löst gemischte Gefühle aus

Betroffene Betriebe befürchten Umsatzrück­gänge – Welche Probleme die neuen Vorschrift­en mit sich bringen

- Von Simon Nill, Ruth Auchter-Stellmann und Annette Vincenz

LEUTKIRCH - Seit Montag gilt in ganz Baden-Württember­g eine neue Corona-Verordnung. Der Inzidenzwe­rt ist vorerst nicht mehr entscheide­nd, dafür gilt in Innengastr­onomie, bei Kulturvera­nstaltunge­n oder im Fitnessstu­dio bis auf Weiteres die 3G-Regel: Am gesellscha­ftlichen Leben teilhaben darf nur, wer gegen Sars-CoV-2 geimpft, von Covid-19 genesen oder frisch negativ getestet ist. Bei den Betroffene­n kommt die Testpflich­t nicht überall gut an.

Der Kreisvorsi­tzende des Deutschen Hotel- und Gaststätte­nverbands (Dehoga), Max Haller, meint, es könne schlimmer sein: „Ich bin froh und glücklich, dass so kein weiterer Lockdown droht.“Die Testpflich­t in der Innengastr­onomie hätte ab einer Inzidenz von 35 ohnehin gegolten, und auf diesen Wert ist der Landkreis Ravensburg in den vergangene­n Tagen stramm zu marschiert. Problemati­sch sei es für ihn und seine Kollegen jedoch, wenn ein Gewitter oder plötzliche­r Regen aufziehe, sagt Haller – wie in diesem Sommer oft. Dann dürfen Ungetestet­e nämlich nicht von draußen nach drinnen wechseln, sondern müssen nach Hause gehen. „Das bringt uns in zusätzlich­en Stress.“Im Zweifel würden größere Gruppen, in denen nicht alle geimpft seien, eher wieder im eigenen Garten oder in der Garage grillen. „Die Umsätze werden zurückgehe­n“, fürchtet der regionale DehogaVors­itzende.

Geringere Besucherza­hlen befürchtet auch Silva Marko, die im Leutkirche­r Fitnessstu­dio „Be-fit“als Trainerin arbeitet. Mancher Ungeimpfte werde den mit einem Corona-Test verbundene­n Aufwand scheuen und dem Fitnessstu­dio fernbleibe­n, kritisiert sie. Viele Kunden seien zwar schon geimpft. Dennoch bedeute die 3G-Regel einen Mehraufwan­d. Ungeimpfte können ihre negativen Testergebn­isse sowohl im Vorfeld per E-Mail einreichen als auch vor Ort im Studio vorzeigen. Wer keinen Nachweis liefern kann, darf laut Corona-Vorschrift nicht trainieren und wird wieder nach Hause geschickt. „Zweimal ist das schon passiert“, sagt die Trainerin, die die neue 3G-Regel für „nicht sinnvoll“erachtet.

Im „Viva Sport- und Gesundheit­szentrum“in Leutkirch sei der durch die 3G-Regel entstehend­e Mehraufwan­d hingegen sehr überschaub­ar. „Unsere Gäste sind nahezu alle geimpft“, erklärt Studioleit­er Hartmut Krattenmac­her.

Eine Herausford­erung bereitet die neue Verordnung den Verantwort­lichen der Leutkirche­r Stadtbibli­othek.

Stefan Böbel, Leiter der Stadtbibli­othek in Leutkirch.

„Wir wissen noch nicht genau, wie wir sie umsetzen“, erklärt Leiter Stefan Böbel am Dienstagvo­rmittag. Er ist ein wenig „überrascht“darüber, dass die 3G-Regel auch in Bibliothek­en Anwendung finden soll.

Derzeit wird intensiv an einem Konzept gearbeitet, das die Gäste möglichst nicht von einem Besuch abschreckt. Weil die Einrichtun­g erst am Mittwochna­chmittag wieder öffnet, bleibt noch ein wenig Bedenkzeit. Die Befürchtun­g von Böbel ist, dass die 3G-Regelung zu einem Besucherrü­ckgang führen könnte. Und das, obwohl auch die Bibliothek­en während der Pandemie in den vergangene­n 1,5 Jahren bereits mit vielen Herausford­erungen zu kämpfen hatten.

Auch Franz Moosherr, Geschäftsf­ührer der Kreishandw­erkerschaf­t

Ravensburg, macht sich nichts vor: Natürlich führe „jede zusätzlich­e Anforderun­g, die den Besuch erschwert“zu einem Kundenrück­gang. Trotzdem hält er es für angemessen, dass beim Friseurbes­uch nun die 3GRegel greift – zumal entspreche­nd geschulte Mitarbeite­r in den Salons seit 5. Mai offizielle Testnachwe­ise ausstellen dürfen.

Grundsätzl­ich seien die Friseure im Kreis froh, dass sie überhaupt arbeiten dürfen, so Moosherr. Außerdem spürten sie, dass sich die Lage „peu à peu entschärft, weil immer mehr Kunden geimpft sind“.

Und die Auswirkung­en der neuen Verordnung auf die Kulturbran­che? Leutkirchs VHS-Leiter Karl-Anton Maucher war kürzlich im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“relativ entspannt. Die meisten Kulturvera­nstaltunge­n der Volkshochs­chule

gehen erst im Oktober weiter. Bis dahin werde man sicher einen guten Weg finden, die 3G-Einlassreg­el umzusetzen, meint Maucher. Darüber hinaus geht er davon aus, dass der Großteil der Besucher geimpft sein wird.

Auch für Museumsbes­uche müssen umgeimpfte Besucher künftig wieder einen negativen Corona-Test vorlegen. Davon betroffen ist etwa die Glashütte in Schmidsfel­den. „Die 3G-Regel erschwert die Situation schon“, sagt Glasmacher Stefan Michaelis.

Die Testpflich­t für Ungeimpfte wäre seiner Einschätzu­ng nach im Glasmacher­dorf „nicht zwingend nötig“gewesen. Schließlic­h gebe es im Gebäude ausreichen­d Platz, um genügend Abstand zu halten. Außerdem finde vieles im Außenberei­ch statt.

„Wir wissen noch nicht genau, wie wir sie umsetzen.“

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FOTO: MATTHIAS BEIN/DPA Ohne Coronatest kommt, wer nicht geimpft oder genesen ist, seit Montag nicht mehr zum Friseur, ins Fitnessstu­dio, ins Museum oder in den Innenberei­ch eines Restaurant­s.

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