Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Mehr Pflege für die Pflege
Es überrascht nicht, dass die Pflege im Bundestagswahlkampf kaum eine Rolle spielte. Zu groß sind die Probleme, zu wenig ideenreich die Parteien in ihrer Bewältigung. Kaum ein Wahlprogramm benennt konkrete Maßnahmen, um den Pflegenotstand in Deutschland nachhaltig zu bekämpfen. Dabei ist es höchste Zeit, die Entwicklung in der Pflege umzukehren.
Mehr als 4,3 Millionen Menschen bekamen Ende 2020 Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung, Ende 2019 waren es noch knapp unter vier Millionen. Die Zahl der Pflegefälle wird auch in Zukunft rasant steigen, während die Zahl der Beitragszahler perspektivisch sinkt – ähnlich wie in der Renten- und Krankenversicherung. Dem gegenüber stehen viel zu wenige Pflegekräfte, denen die Kraft nicht erst seit der Corona-Pandemie mehr und mehr verloren geht.
Wer pflegt, hilft Menschen durch die elementarsten Situationen ihres Lebens und ist für einen wesentlichen Teil der medizinischen Grundversorgung zuständig. Dies stärker zu betonen und gleichzeitig die ökonomischen Rahmenbedingungen für Pflegepersonal zu verbessern, ist eine der wichtigsten Aufgaben der Politik der nächsten Jahre. Denn Applaus allein reicht nicht.
Die aktuelle Bundesregierung und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) waren mit großen Zielen in die Legislatur gestartet. Eine große Reform sollte die längst bekannten Missstände endlich beheben. Es sollte mehr Geld für Pflegekräfte geben und vor allem mehr Personal.
Doch Pflegekräfte besser zu unterstützen, ohne Pflegebedürftige immer stärker zur Kasse zu bitten – bislang ist der Politik dieses Kunststück nicht gelungen. Vielleicht gehört also das ganze System auf den Prüfstand. Die Einführung einer Bürgerversicherung, in die auch Beamte und Selbstständige einzahlen, wie sie etwa SPD, Grüne und Linke fordern, wäre ein Schritt in die richtige Richtung.