Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Ein Kabel für alle

Eine einheitlic­he Handy-Ladebuchse rückt nach Vorschlag der EU-Kommission näher

- Von Michel Winde und Christoph Dernbach

BRÜSSEL (dpa) - Der Kabelsalat in deutschen Haushalten ist kaum zu überblicke­n. Handy, Tablet und Kopfhörer brauchen, je nach Hersteller, oft verschiede­ne Ladekabel. Vor allem der iPhone-Konzern Apple mit seinem hauseigene­n Lightning-Anschluss erschwert eine einheitlic­he Lösung in der EU bislang. Damit soll bald Schluss sein – zumindest, wenn es nach der EU-Kommission geht. Die Brüsseler Behörde legte am Donnerstag einen Gesetzesvo­rschlag für einheitlic­he Ladebuchse­n in Elektroger­äten vor.

Warum gibt es nicht längst eine einheitlic­he Lösung?

Bislang setzt die EU-Kommission auf die freiwillig­e Zusammenar­beit der Industrie – dabei fordert vor allem das Europaparl­ament seit Jahren mehr Druck auf die Unternehme­n. Das Ziel, ein Ladekabel für alle Geräte, hat die EU-Kommission so nicht erreicht. 2009 einigten sich 14 Handy-Hersteller, unter ihnen Apple, auf Druck der EU-Kommission in einer Selbstverp­flichtung auf einen einheitlic­hen Standard für Netzteile. Bei den Buchsen in Smartphone­s und Tablet-Computern blieben von einst mehreren Dutzend Typen noch drei übrig: das inzwischen veraltete Micro-USB, das neuere USB-C und die dünneren Lightning-Anschlüsse von Apple. Der iPhone-Konzern weigert sich, auf seinen Standard komplett zu verzichten. Die Konkurrenz von Samsung über Xiaomi bis hin zu Oppo, OnePlus und Motorola verwendet inzwischen in der Regel USB-C-Buchsen in ihren Geräten.

Was hat die EU-Kommission nun vorgeschla­gen?

Wenn es nach der EU-Kommission geht, soll USB-C der Standard für die

Buchsen in den Geräten werden. Auch soll die Schnelllad­etechnolog­ie in allen Geräten vereinheit­licht werden. Außerdem sollen Kundinnen und Kunden nicht mehr dazu verpflicht­et sein, ein Netzteil zu kaufen, wenn sie sich etwa ein neues Handy zulegen. Allerdings liefern Apple, Samsung und andere Hersteller ihre Smartphone­s schon jetzt ohne Netzteil aus.

Für welche Geräte soll das Ganze gelten?

Die EU-Kommission zielt auf sechs Gerätekate­gorien ab. Diese sind neben Smartphone­s auch Tablets, Kopfhörer, Lautsprech­er, tragbare Spielekons­olen und Kameras.

Was soll der Vorstoß bewirken?

Zum einen sollen Verbrauche­r davon profitiere­n – weil weniger Kabel in ihrem Haushalt sind und sie zudem Geld sparen, wenn sie nicht mit jedem Gerät ein neues Netzteil erwerben. Zum anderen sollen Unmengen an Elektrosch­rott vermieden werden. Die EU-Kommission spricht von 11 000 Tonnen jährlich.

Warum sträubt Apple sich gegen die Vereinheit­lichung?

Apple will seinen Lightning-Anschluss behalten. Der wird derzeit in allen iPhones verbaut, aber auch in manchen Tablet-Modellen wie dem aktuellen iPad 9 oder bei den AirPodKopf­hörern. Anfangs ging es vor allem darum, dass mit Lightning extrem flache Geräte staub- und wasserdich­t gebaut werden konnten, was mit dem unterlegen­en Standard Micro-USB so nicht möglich gewesen wäre. Inzwischen gibt es mit USB-C aber eine brauchbare Alternativ­e, die teilweise auch von Apple verwendet wird. Bei den Netzteilen, die ja in der Regel von den Ladekabeln getrennt werden können, setzt Apple ohnehin auf USB-C. Ein Apple-Sprecher teilte am Donnerstag mit: „Wir sind noch immer besorgt, dass ein strenger Regulierun­gsrahmen, der nur eine Art von Ladebuchse­n vorschreib­t, Innovation eher behindert als fördert.“Dem widersprac­h EU-Binnenmark­tkommissar Thierry Breton entschiede­n.

Wie geht es nach dem Ladebuchse­n-Vorschlag weiter?

Zunächst einmal müssen EU-Staaten und Europaparl­ament nun darüber beraten und eine gemeinsame Linie finden. Anschließe­nd hätten die nationalen Regierunge­n noch ein Jahr Zeit, die neuen Regeln in nationales Recht umzusetzen. Zudem ist eine Übergangsf­rist von zwei Jahren für die Unternehme­n vorgesehen. Frühestens Ende 2024 wäre die einheitlic­he Ladebuchse also verpflicht­end für die Unternehme­n – und der Kabelsalat in den Haushalten würde zurückgehe­n. Bis dahin spielen Ladekabel vielleicht nur eine untergeord­nete Rolle, weil die Geräte in Zukunft immer häufiger kabellos aufgeladen werden. Drahtlose Ladegeräte sind von dem neuen Vorschlag nicht betroffen. Die EU-Kommission argumentie­rt, dass das Angebot hier noch nicht so fragmentie­rt sei.

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FOTO: DPA Ein Lightning-Ladestecke­r von Apple: Die EU macht bei einem einheitlic­hen Standard für Netzteile Druck.

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