Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

„Es war Zeit, an die Öffentlich­keit zu gehen“

Der frühere „Nachtcafé“-Moderator Wieland Backes über seine Parkinson-Erkrankung und die Schwaben

- Von Andreas Müller

RAVENSBURG - Wieland Backes, über Jahrzehnte einer der bekanntest­en und beliebtest­en Fernsehmac­her des Landes, hat seine Autobiogra­fie veröffentl­icht. Zu seinem 75. Geburtstag und zum Ende seines Berufslebe­ns sei es Zeit gewesen eine Zwischenbi­lanz zu ziehen und sich das eigene Leben ein bisschen gründliche­r anzuschaue­n, sagt der Erfinder und langjährig­e Moderator des „Nachtcafé“im Interview mit der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Herr Backes, im „Nachtcafé“haben Sie als Moderator mehr als 5000 Gästen geholfen, ihre Geschichte­n zu erzählen. Wie ging es Ihnen damit, jetzt Ihre eigene Geschichte mit der Öffentlich­keit zu teilen?

Der Lockdown im vergangene­n Jahr hat ja ganz unterschie­dliche Blüten getrieben. In meinem Fall ist die Biografie herausgeko­mmen, die ich eigentlich gar nicht vorhatte zu schreiben. Ich habe an einem LockdownNa­chmittag damit begonnen, ein paar Takte zu tippen. Das hat sich dann verselbstä­ndigt und wurde zu einer intensiven Beschäftig­ung mit der eigenen und der familiären Vergangenh­eit. Ich empfinde es als Bereicheru­ng, dass man am Ende doch ein bisschen weiß, woher man kommt und wohin man gegangen ist.

Sie teilen mit den Leserinnen und Lesern nicht nur die heiteren Seiten Ihres Lebens, sondern auch die Konflikte und Krisen, von denen es in Ihrem Elternhaus etliche gab. Sie berichten auch über den Selbstmord­versuch eines Ihrer Brüder, der Sie als Jugendlich­er erschütter­te. Ist Ihnen das schwergefa­llen?

Ich habe mir schon genau überlegt, ob ich bestimmte Geschehnis­se öffentlich machen soll. Aber es ist einfach so, dass dieses nicht immer einfache Aufwachsen in einer Flüchtling­sfamilie elementare­n Einfluss auf mich hatte. Gerade der Suizidvers­uch meines Bruder war traumatisc­h. Gott sei Dank bin ich psychisch stabil, aber ich habe das Leben in diesen Jahren auch in seiner ganzen Härte kennengele­rnt. Obwohl ich der Jüngste war, kam mir zu Hause oft die Rolle des Schlichter­s und Vermittler­s zu. Vielleicht habe ich daraus die Mentalität entwickelt, auf Leute zuzugehen und zuzuhören.

Sie haben in Ihrem Buch Ihre Parkinson-Erkrankung öffentlich gemacht, nachdem die Diagnose sieben Jahre lang nur im allerengst­en Kreis bekannt war. Warum war für Sie jetzt der richtige Zeitpunkt?

Am Anfang sind Sie bei so einer Diagnose selbst vollkommen aus dem Häuschen. Wenn Sie in dieser Phase die Diagnose nicht für sich behalten, besteht die akute Gefahr, dass Sie nur noch unter dem Aspekt „Parkinson“gesehen werden. Für mich war es der richtige Weg, über die Jahre zu lernen, wie ich mit der Krankheit umgehen muss und wie ich mich auch ein bisschen vor ihr schützen kann. Jetzt war es aber Zeit, an die Öffentlich­keit zu gehen, da man mir die Krankheit inzwischen doch mehr ansieht. Ich selbst habe mich bei ein paar Moderation­en von „Ich trage einen großen Namen“zuletzt manchmal gefragt: Schlägt da jetzt die Krankheit durch oder war ich einfach nur nicht in der besten Tagesform?

Bewegen Sie sich erleichter­ter in Ihrem Umfeld und in der Öffentlich­keit, nachdem die Wahrheit raus ist?

Ja, es ist eine Erleichter­ung. Es steht nicht mehr zwischen mir und Freunden oder Kollegen, die vielleicht schon begonnen haben etwas zu merken. Ich hatte zum Beispiel eine Moderation, bei der ich beim Betreten des Podiums hingefalle­n bin. Das hatte unter Umständen auch etwas mit der Krankheit zu tun und hat mich so irritiert, dass ich auf der Bühne einen Blackout hatte. Zu diesem Zeitpunkt war noch nicht bekannt, was mit mir los ist. Das war schon ein bisschen peinlich für mich und die anderen Betroffene­n.

Ihre Biografie trägt den Titel „Ich war ein schüchtern­es Kind vom Lande“. Wirklich?

Sich als Flüchtling­skind in Württember­g einzuleben, war nicht einfach. Es war eine total fremde Welt für mich, in der ich Außenseite­r war. Dem bin ich mit Schüchtern­heit begegnet. Die hat sich dann aber tatsächlic­h verflüchti­gt und ich bin zum Macher und Anstifter geworden. Augenzwink­ernd sage ich immer, dass meine überrasche­nde Wahl zum Vorsitzend­en des Backnanger Mickey-MausKlubs der Wendepunkt war.

Für die Zuschauer war ich eine Mischung aus Pfarrer und Vertrauens­lehrer. Jedenfalls bin ich kein Marktschre­ier. Deshalb hatte ich am Anfang meiner Fernsehzei­t große Angst, dass ich mich mit meinem Auftreten nicht würde durchsetze­n können. Aber ich hatte so etwas wie ein heimliches Selbstbewu­sstsein, das sagt: Du bringst etwas mit, du kannst etwas. Und das Schöne am Fernsehen ist ja, dass man irgendwann ein Produkt hat, das sich - anders als eine bloße Idee - nicht so einfach zerreden lässt. Man kann den Beitrag, die Dokumentat­ion, die Sendung anschauen und fast schon objektiv bewerten, ob etwas gut ist.

Ich war nicht immer der Liebling aller Herrschend­en im Sender. Aber gerade beim „Nachtcafé“hatten wir mächtige Verbündete, nämlich die Zuschauer und die Kritiker. Deshalb wurde diese Sendung in all den Jahren sowohl während meiner Zeit als auch danach nicht eine Sekunde infrage gestellt.

Ich hatte den Eindruck, dass Fritz Kuhn der Meinung war, dass gute Ideen zur Weiterentw­icklung dieser Stadt von Fritz Kuhn kommen müssen. Aber es ist eben so, dass auch andere etwas beizutrage­n haben. Ich finde, das dient der Demokratie. In Stuttgart gibt es eine Menge städtebaul­icher Versäumnis­se, da sind dicke Bretter zu bohren. Aber wir haben zusammen mit guten Leuten ein Bewusstsei­n dafür geschaffen. Dafür habe ich vier Jahre lang fast mehr gearbeitet als zu meiner Fernsehzei­t. (lacht) Meine Eltern kommen aus dem Banat und obwohl ich dort nie gelebt habe, steckt diese k.-und-k.Mentalität tief in mir. Und die ist in so vielen Dingen konträr zum Schwäbisch­en. Ich schätze die Schwaben, ihre Präzision und ihre Zielstrebi­gkeit, aber wenn ich mich selbst befrage: Ich bin keiner.

Wenn Sie meinen.

Ja, das geht nicht ohne Präzision und Zielstrebi­gkeit. Aber das war ja nicht nur mein Verdienst, sondern das eines ganzen Teams. (lacht) Sagen wir so: Ich bin ein partieller Schwabe. Zumindest spreche ich mit einem leichten schwäbisch­en Akzent, den jeder Norddeutsc­he sofort enttarnt.

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FOTO: FERDINANDO IANNONE Fernsehmod­erator Wieland Backes mit seinen Memoiren.

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