Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
„Es war Zeit, an die Öffentlichkeit zu gehen“
Der frühere „Nachtcafé“-Moderator Wieland Backes über seine Parkinson-Erkrankung und die Schwaben
RAVENSBURG - Wieland Backes, über Jahrzehnte einer der bekanntesten und beliebtesten Fernsehmacher des Landes, hat seine Autobiografie veröffentlicht. Zu seinem 75. Geburtstag und zum Ende seines Berufslebens sei es Zeit gewesen eine Zwischenbilanz zu ziehen und sich das eigene Leben ein bisschen gründlicher anzuschauen, sagt der Erfinder und langjährige Moderator des „Nachtcafé“im Interview mit der „Schwäbischen Zeitung“.
Herr Backes, im „Nachtcafé“haben Sie als Moderator mehr als 5000 Gästen geholfen, ihre Geschichten zu erzählen. Wie ging es Ihnen damit, jetzt Ihre eigene Geschichte mit der Öffentlichkeit zu teilen?
Der Lockdown im vergangenen Jahr hat ja ganz unterschiedliche Blüten getrieben. In meinem Fall ist die Biografie herausgekommen, die ich eigentlich gar nicht vorhatte zu schreiben. Ich habe an einem LockdownNachmittag damit begonnen, ein paar Takte zu tippen. Das hat sich dann verselbständigt und wurde zu einer intensiven Beschäftigung mit der eigenen und der familiären Vergangenheit. Ich empfinde es als Bereicherung, dass man am Ende doch ein bisschen weiß, woher man kommt und wohin man gegangen ist.
Sie teilen mit den Leserinnen und Lesern nicht nur die heiteren Seiten Ihres Lebens, sondern auch die Konflikte und Krisen, von denen es in Ihrem Elternhaus etliche gab. Sie berichten auch über den Selbstmordversuch eines Ihrer Brüder, der Sie als Jugendlicher erschütterte. Ist Ihnen das schwergefallen?
Ich habe mir schon genau überlegt, ob ich bestimmte Geschehnisse öffentlich machen soll. Aber es ist einfach so, dass dieses nicht immer einfache Aufwachsen in einer Flüchtlingsfamilie elementaren Einfluss auf mich hatte. Gerade der Suizidversuch meines Bruder war traumatisch. Gott sei Dank bin ich psychisch stabil, aber ich habe das Leben in diesen Jahren auch in seiner ganzen Härte kennengelernt. Obwohl ich der Jüngste war, kam mir zu Hause oft die Rolle des Schlichters und Vermittlers zu. Vielleicht habe ich daraus die Mentalität entwickelt, auf Leute zuzugehen und zuzuhören.
Sie haben in Ihrem Buch Ihre Parkinson-Erkrankung öffentlich gemacht, nachdem die Diagnose sieben Jahre lang nur im allerengsten Kreis bekannt war. Warum war für Sie jetzt der richtige Zeitpunkt?
Am Anfang sind Sie bei so einer Diagnose selbst vollkommen aus dem Häuschen. Wenn Sie in dieser Phase die Diagnose nicht für sich behalten, besteht die akute Gefahr, dass Sie nur noch unter dem Aspekt „Parkinson“gesehen werden. Für mich war es der richtige Weg, über die Jahre zu lernen, wie ich mit der Krankheit umgehen muss und wie ich mich auch ein bisschen vor ihr schützen kann. Jetzt war es aber Zeit, an die Öffentlichkeit zu gehen, da man mir die Krankheit inzwischen doch mehr ansieht. Ich selbst habe mich bei ein paar Moderationen von „Ich trage einen großen Namen“zuletzt manchmal gefragt: Schlägt da jetzt die Krankheit durch oder war ich einfach nur nicht in der besten Tagesform?
Bewegen Sie sich erleichterter in Ihrem Umfeld und in der Öffentlichkeit, nachdem die Wahrheit raus ist?
Ja, es ist eine Erleichterung. Es steht nicht mehr zwischen mir und Freunden oder Kollegen, die vielleicht schon begonnen haben etwas zu merken. Ich hatte zum Beispiel eine Moderation, bei der ich beim Betreten des Podiums hingefallen bin. Das hatte unter Umständen auch etwas mit der Krankheit zu tun und hat mich so irritiert, dass ich auf der Bühne einen Blackout hatte. Zu diesem Zeitpunkt war noch nicht bekannt, was mit mir los ist. Das war schon ein bisschen peinlich für mich und die anderen Betroffenen.
Ihre Biografie trägt den Titel „Ich war ein schüchternes Kind vom Lande“. Wirklich?
Sich als Flüchtlingskind in Württemberg einzuleben, war nicht einfach. Es war eine total fremde Welt für mich, in der ich Außenseiter war. Dem bin ich mit Schüchternheit begegnet. Die hat sich dann aber tatsächlich verflüchtigt und ich bin zum Macher und Anstifter geworden. Augenzwinkernd sage ich immer, dass meine überraschende Wahl zum Vorsitzenden des Backnanger Mickey-MausKlubs der Wendepunkt war.
Für die Zuschauer war ich eine Mischung aus Pfarrer und Vertrauenslehrer. Jedenfalls bin ich kein Marktschreier. Deshalb hatte ich am Anfang meiner Fernsehzeit große Angst, dass ich mich mit meinem Auftreten nicht würde durchsetzen können. Aber ich hatte so etwas wie ein heimliches Selbstbewusstsein, das sagt: Du bringst etwas mit, du kannst etwas. Und das Schöne am Fernsehen ist ja, dass man irgendwann ein Produkt hat, das sich - anders als eine bloße Idee - nicht so einfach zerreden lässt. Man kann den Beitrag, die Dokumentation, die Sendung anschauen und fast schon objektiv bewerten, ob etwas gut ist.
Ich war nicht immer der Liebling aller Herrschenden im Sender. Aber gerade beim „Nachtcafé“hatten wir mächtige Verbündete, nämlich die Zuschauer und die Kritiker. Deshalb wurde diese Sendung in all den Jahren sowohl während meiner Zeit als auch danach nicht eine Sekunde infrage gestellt.
Ich hatte den Eindruck, dass Fritz Kuhn der Meinung war, dass gute Ideen zur Weiterentwicklung dieser Stadt von Fritz Kuhn kommen müssen. Aber es ist eben so, dass auch andere etwas beizutragen haben. Ich finde, das dient der Demokratie. In Stuttgart gibt es eine Menge städtebaulicher Versäumnisse, da sind dicke Bretter zu bohren. Aber wir haben zusammen mit guten Leuten ein Bewusstsein dafür geschaffen. Dafür habe ich vier Jahre lang fast mehr gearbeitet als zu meiner Fernsehzeit. (lacht) Meine Eltern kommen aus dem Banat und obwohl ich dort nie gelebt habe, steckt diese k.-und-k.Mentalität tief in mir. Und die ist in so vielen Dingen konträr zum Schwäbischen. Ich schätze die Schwaben, ihre Präzision und ihre Zielstrebigkeit, aber wenn ich mich selbst befrage: Ich bin keiner.
Wenn Sie meinen.
Ja, das geht nicht ohne Präzision und Zielstrebigkeit. Aber das war ja nicht nur mein Verdienst, sondern das eines ganzen Teams. (lacht) Sagen wir so: Ich bin ein partieller Schwabe. Zumindest spreche ich mit einem leichten schwäbischen Akzent, den jeder Norddeutsche sofort enttarnt.