Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

„Wichtig, dass wir Jugendlich­en auch gehört werden“

Leutkirche­r Schüler plädieren für früheres Wahlrecht – Juniorwahl soll Schülersti­mmen abbilden

- Von Patrick Müller

LEUTKIRCH - Rund 60,4 Millionen Bundesbürg­er sind am Sonntag bei der Bundestags­wahl wahlberech­tigt. Ausgeschlo­ssen sind unter anderem alle Schüler, die noch nicht volljährig sind. Das finden sie falsch, erklären Schüler des Leutkirche­r Hans-Multscher-Gymnasiums (HMG) im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Schließlic­h gehe es ja auch um ihre Zukunft. Zumindest bei der Juniorwahl, an der neben dem HMG unter anderem auch die Gemeinscha­ftsschule Leutkirch teilnimmt, können sie aber ihre Stimme abgeben.

Auf dem Tisch vor Maya und Marlene liegt die Wahlliste der Zwölftkläs­sler, die in ein paar Minuten in das provisoris­che Wahllokal des HMG kommen werden, um ihre Stimme bei der Juniorwahl abzugeben. Die beiden Zehntkläss­lerinnen haben sich als Wahlhelfer gemeldet. Bei der Juniorwahl dürfen sie auch selbst mit abstimmen, bei der Bundestags­wahl am Sonntag nicht. Maya und Marlene sind als 15-Jährige nicht wahlberech­tigt. Gut finden das die beiden nicht, sie würden gerne schon vor ihrem 18. Geburtstag mitentsche­iden, wer sie im Bundestag vertritt.

„Ich fände es gut, wenn wir früher wählen dürften, die Wahl bestimmt schließlic­h mit über unsere Zukunft“, sagt Maya, die sich selbst auch als politisch interessie­rt beschreibt. Infos zur Politik hole sie sich vor allem über diverse SocialMedi­a-Kanäle, unter anderem habe sie auf Instagram den Kanal der Tagesschau abonniert. Marlene neben ihr nickt. Ja, es wäre gut, wenn sie früher wählen dürften. Viele Jugendlich­e würden sich auch schon früher für Politik interessie­ren, erklärt Marlene. „Es ist wichtig, dass wir Jugendlich­en auch gehört werden“, betont Maya. Davon, dass die meisten Jugendlich­en in ihrem Alter auch die entspreche­nde Reife für die Wahl hätten, ist Maya überzeugt.

Hinter dem Tisch, an dem Maya und Marlene sitzen, stehen die Wahlkabine­n. Am Ende des Raumes, der vor und nach der Juniorwahl als Aufenthalt­sraum der Oberstufe fungiert, steht die Wahlurne. Hier sitzt als Wahlhelfer­in an diesem Vormittag unter anderen die Zehntkläss­lerin Lea. Auch sie ist 15 Jahre alt – und auch sie spricht sich für ein früheres

Wahlrecht aus. „Wir sind ja selbst auch von deren Politik betroffen, wir leben hier noch lange“, erklärt sie. Lea selbst bezeichnet sich selbst ebenfalls als „politisch interessie­rt“.

Was Lea, Marlene und Maya am Sonntag noch verwehrt bleibt, dürfen die beiden Zwölftkläs­slerinnen Anastasia (19) und Maria (18), die zusammen mit ihren Kurskolleg­en zwischenze­itlich zur Stimmabgab­e ins Wahllokal gekommen sind: Ihre Stimme bei der Bundestags­wahl abgeben. Und das werden auch beide tun, wie sie betonen.

Auch sie hätten sich beide gewünscht, früher wählen zu dürfen. Auf die Frage, ob sie beide sich als politisch interessie­rt bezeichnen würden sagen, sagt Maria: „Ich würde sagen: Interessie­rt ja, engagiert nein“. Bei ihrer Entscheidu­ng, wen sie am Sonntag wählt, schaue sie darauf, welche Partei das umsetzen möchte, was auch sie möchte. Natürlich, so Maria, schaue sie auch, was davon die betreffend­en Partei in der Vergangenh­eit dann auch tatsächlic­h umgesetzt hat.

Bei der Juniorwahl am HMG dürfen alle Schüler ab der 9. Klasse teilnehmen, erklärt Lehrerin Jana Streso. Ab dieser Klassenstu­fe gibt es einen Gemeinscha­ftsunterri­cht, mit dem die Juniorwahl begleitet werde. „Grundsätzl­ich versuchen wir im Unterricht natürlich immer wieder, wenn es um Demokratie geht, zu erklären, wie die Wahlen funktionie­ren und warum es so wichtig ist, dass man wählen geht“, so Streso.

Und wie schätzt sie das politische Interesse der Jugendlich­en ein? „Tendenziel­l würde ich sagen, dass die Jugendlich­en kritischer geworden sind“, erklärt die Lehrerin. Es gebe mehr Kritik an den Entscheidu­ngen, die sie betreffen, aber über ihren Kopf hinweg entschiede­n werden. Eine große Rolle bei dieser Entwicklun­g habe sicherlich die Fridays-forFuture-Bewegung gespielt, so Streso. Auch deswegen habe sich das HMG darum beworben, bei der Juniorwahl mitzumache­n. Als Zeichen an die Jugendlich­en, dass es eben nicht egal ist, was sie politisch denken.

Dass sich viele Schüler wünschen würden, früher an der Bundestags­wahl teilzunehm­en, bestätigt auch Jan Henning Gesierich-Kowalski, Schulleite­r der Gemeinscha­ftsschule Leutkirch (GMS), die seit vielen Jahren an der Juniorwahl teilnehme. „Definitiv, das Thema ,Wahl ab 16 Jahren’ ist ein großes für Jugendlich­e“, erklärt er. Das politische Interesse der Schüler sei „größer, als man es manchmal vielleicht vermutet“, sagt Gesierich-Kowalski. Das zeige sich bei ihnen auch bei der Juniorwahl, bei der so gut wie alle mitmachen, obwohl sie freiwillig ist. Bei ihnen dürfen in diesem Jahr alle Jugendlich­en ab der 7. Klasse wählen, ab da startet dort der Gemeinscha­ftsunterri­cht. Auch die älteren der internatio­nalen Vorbereitu­ngsklasse dürfen wählen. Durch diese Wahl beschäftig­en sich die Schüler nochmals mehr mit den Parteien und würden sich auch ernst genommen fühlen, da die Stimmen ausgezählt werden und mit denen anderer Schulen zusammenfl­ießen und auch veröffentl­icht werden, erklärt der Schulleite­r.

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FOTO: PATRICK MÜLLER Eine Schülerin des Hans-Multscher-Gymnasiums wirft bei der Juniorwahl ihren Wahlzettel in die Wahlurne.

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