Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Das ungleichste Duell der Liga
Bayern trifft auf Greuther Fürth – Söder appelliert und fände ein Unentschieden fair
MÜNCHEN - Was hatte die damalige SpVgg Fürth vor exakt 100 Jahren, was der FC Bayern seinerzeit noch nicht hatte? Einen Meistertitel, den von 1914. Zwei weitere (1926 und 1929) kamen hinzu, ehe die Münchner erst 1932 ihre mittlerweile museenfüllende Titelsammlung starteten. Seit der ersten Bundesliga-Schale 1969 sind bis dato 29 Meisterschaften hinzugekommen, während man in Mittelfranken nach dem Zweiten Weltkrieg lediglich auf einen Titel verweisen kann: Als Meister der Zweiten Bundesliga stieg man 2012 auf. Und ein Jahr später – ohne einen einzigen Heimsieg – als Schlusslicht wieder ab. Beides will man im zweiten Bundesligajahr, nun als SpVgg Greuther Fürth, verhindern.
Die aktuelle Prognose nach nur fünf Spieltagen mit lediglich einem Pünktchen und 3:13 Toren? Wird schwer. Sieht auch Bayerns Trainer Julian Nagelsmann vor dem Duell am Freitagabend (20.30 Uhr, DAZN live) im Sportpark Ronhof so. „Die Vorzeichen der beiden Clubs sind total unterschiedlich. Fürth ist aufgestiegen. Sie merken jetzt zu Beginn der Saison, dass es nicht so leicht ist, sich in der Bundesliga zu behaupten.“Und dann startete der 34-Jährige eine Schnellfragerunde, die er jeweils selbst beantwortete: „Dass wir Favorit sind? Klar! Dass wir gewinnen wollen? Klar! Dass wir Tabellenführer bleiben wollen? Auch klar!“Liegt also ein klarer Fall vor, den Underdog zu unterschätzen? Nagelsmann meinte erst spöttisch: „Ich liebe ja solche Fragen.“Und erklärte dann vehement: „Es ist absolut sinnbefreit, einen Gegner in der Bundesliga zu unterschätzen.“
Siehe das ziemlich deutliche, aber noch milde ausgefallene 7:0 letzten Samstag gegen den anderen Aufsteiger, gegen den VfL Bochum. Folgt nun Teil zwei des Schützenfestes? Da hilft dem Kleeblatt nur ein Haufen Dusel beim Duell: Der Letzte gegen den Ersten, der Kleinste gegen den Größten – mehr David gegen Goliath geht nicht. Das zeigt ein Vergleich der beiden Vereine, deren Welten nicht verschiedener sein könnten.
Für Fürths Sportchef Rachid Azzouzi sind es „Galaxien“. Ein – zugegeben – unfairer, aber doch spannender Vergleich:
Die Erfolge: Neben der Zweitligameisterschaft 2012 errangen die Fürther zwei Titel mit einem großen „Aber“– immerhin. 1969 gewann man den Intertoto-Cup, der damals eher eine Testspielreihe denn ein richtiger Europapokalwettbewerb war. Im Jahr 2000 wurde man DFBHallenpokalsieger – aber nur, weil nach dem Finale, das Borussia Mönchengladbach mit 3:2 gegen die Franken gewann, Gladbach-Profi Quido Lanzaat positiv auf Doping getestet wurde. Für die Grün-Weißen ein Erfolg am Grünen Tisch. Und die Bayern? Es seien nur die beiden TripleTriumphe 2013 und 2020 erwähnt.
Der Umsatz: Hier 22,6 Millionen Euro, dort 698 Millionen Euro (so der Jahresabschluss 2019/20). Dass Bayerns Umsatzverlust durch die Auswirkungen
der Corona-Pandemie rund 150 Millionen Euro beträgt, macht die Zahlen im Vergleich noch unwirklicher.
Der Marktwert: Bei Fürth kommt der Kader laut transfermarkt.de auf einen Gesamtmarktwert von 39,23 Millionen (noch vor den Bochumern mit 36,9), bei Bayern sind es satte 852,9 Millionen. Allein zehn Spieler liegen über dem Wert von Fürth, Joshua Kimmich bei 90 Millionen.
Das Gehaltsvolumen: Der Etat von Fürths Profi-Kader beträgt 17,5 Millionen – bescheidener und günstiger geht’s kaum. Das Jahresgehalt von Robert Lewandowski liegt weit drüber, Manuel Neuer Thomas Müller, Joshua Kimmich, Leroy Sané, Leon Goretzka und Lucas Hernández dürften in dieser Region liegen.
Die Fans: Hier 58 Fanclubs mit etwa 2.500 Mitgliedern, dort laut Vereinshomepage 4.417 Fanclubs mit 359 142 Mitgliedern (Stand: 1. September),
womöglich kamen seitdem 2500 hinzu.
Die Stadien: Fürths schnuckeliger Sportpark Ronhof ist aktuell mit einer Kapazität von 16 636 das kleinste Stadion der Liga. In Bayerns Allianz Arena, mit den 75 000 Fans bei Vollauslastung eine Goldgrube, findet nach 2012 auch das Champions-League-Finale 2025 statt.
Und doch gibt es eine Statistik, in der die Fürther den Bayern etwas voraushaben: Die SpVgg rangiert auf Platz eins der ewigen Tabelle der Zweiten Bundesliga – Kunststück. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, geboren in Nürnberg und lange Jahre im Aufsichtsrat des fränkischen Erzrivalen FCN, wünscht sich übrigens – ganz im Landesvatermodus – ein 0:0. „Herr Neuer kassiert kein Tor, die anderen schießen auch keines“, sagte Söder mit einem Augenzwinkern Wenn Politiker Träume haben ...