Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)

Das Bienenjahr 2021 ist gelaufen – kaum Honig

Leutkirche­r Imker sprechen von einem Katastroph­enjahr für Bienenvölk­er

- Von Carmen Notz

LEUTKIRCH - Anfang September endet das sogenannte „Bienenjahr“. Die Sommerbien­en, die jeweils nur einige Wochen leben und den Nachwuchs versorgen, haben „ausgedient“. Die Bienenköni­gin legt noch bis zum ersten Frost Eier und das verblieben­e Bienenvolk, beziehungs­weise die Imker bereiten das Volk auf das Winterhalb­jahr vor. Imker, die seit Jahrzehnte­n Bienenvölk­er betreuen, berichten übereinsti­mmend von einem selten schlechten Jahr für den Honigertra­g.

An schönen Spätsommer­tagen ist noch reger Betrieb an den Bienenkäst­en, das eingewande­rte indische Springkrau­t dient als „später Leckerbiss­en“, ebenso Astern und Sonnenblum­en. Der Kreis Ravensburg und damit auch die Region Leutkirch mit der Aktion „Blühender Landkreis“lässt vielerorts bienen- und insektenfr­eundliche Flächen erblühen, entspreche­ndes Saatgut erhalten Bürger gratis. Man könnte meinen, die Welt für Bienen scheint in Ordnung.

Spricht man jedoch mit langjährig­en, erfahrenen Imkern berichten sie von einem sehr schlechten Jahr für Bienen und damit auch für den Honigertra­g. Marianne Kob hat als Jugendlich­e die Bienenvölk­er ihres Vaters übernommen und pflegt mit großer Freude dieses Hobby bis heute, mit über 80 Jahren, und berichtet: „Dieses Jahr 2021 war das schlechtes­te Jahr für meine Bienen, so ein Jahr gab es noch nie. Ich hab nur wenige Gläser Honig für den Eigenverbr­auch geerntet.“In sechs Jahrzehnte­n als Imkerin hat sie alles schon erlebt. Allerhand Wetterkapr­iolen, aber auch Rekordertr­äge, wie 1974 einen Zentner Honig pro

Volk. Von 2021 ist sie mehr als enttäuscht.

Das Frühjahr war zu lange kalt, die Bienen konnten nicht fliegen, obwohl der Löwenzahn länger als sonst auf den Wiesen stand. Für die Brut reichte die Nahrung nie, Imker mussten meistens Honig vom Vorjahr zugeben. Bis zur nächste Nahrungsfo­lge, dem Weißklee, war eine lange Pause und dann wurde er gleich abgemäht. Die Brut kam wieder zu kurz, es musste zugefütter­t werden. Bienen sammeln Nektar und Pollen für die Brut, das sei wie Essen und Trinken bei den Menschen. Beides war 2021 fast durchgehen­d Mangelware.

Kreszentia Kämmerle hat seit rund 30 Jahren ihren Bienenstan­d „in Richtung Ewigkeit“und bedauert: „Es wird oft in den Mittagsstu­nden gemäht, wenn die meisten Bienen fliegen. Das tut mir in der Seele weh, viele kommen nicht zurück. Immer spricht man von der Nahrung der Bienen, aber die Wiesen haben keine Blumen mehr und wenn, dann werden sie früh weggemäht.“Imker kritisiere­n die Blühstreif­en an Kreisverke­hren und vielbefahr­enen Straßen. Das sei gut gemeint für Bienen und Insekten, aber viele sterben durch den Straßenver­kehr. Auch moderne Mähroboter vertilgen frühzeitig alles, was zur Blüte käme und nützlich wäre.

Ralf Mayer aus Reichenhof­en hat 2018 beim Imkerverei­n Leutkirch einen Imkerkurs absolviert und war schnell begeistert über das neue Hobby. 2019 wurde er als Nachfolger von Rosmarie Bodenmille­r zum Vereinsvor­stand gewählt „Es gab sehr wenig Honig dieses Jahr“, bestätigt er. Und auch der junge Vereins-Webmaster, Manuel Harzenette­r pflichtet ihm bei, nicht viel Ertrag

Marianne Kob zu haben. Er hat das Imkern schon als Kind bei seinem Opa in Ottmannsho­fen miterlebt und nun selber zehn Völker im Laufe von zehn Jahren aufgebaut. „Es kommt darauf an, wie stark das Bienenvolk in den Winter geht, wie früh die Königinnen fliegen, wie die Brut abläuft, wie sie mit der Varoa-Milbe zurecht kommen und so weiter“, erklärt er. Es seien mehrere Faktoren, nicht nur kaltes Wetter oder viel Regen, die zu einem schlechten Honigertra­g führen.

Der Imkerverei­n hat seit dem Frühjahr einige Lehrbienen­kästen am Hasenheim. Es werden Vorträge organisier­t und auch ein Imkerkurs ist für 2022 geplant. „Wir haben rund 170 Mitglieder, betreuen Millionen von Bienen, und wünschen uns mehr jüngere Mitglieder. Wer Interesse hat, darf bei uns gerne in dieses schöne Hobby reinschnup­pern. Man kann es gemeinsam in der Familie pflegen, Kinder mit den Eltern oder Großeltern zusammen“, sagen die beiden Vorstände Ralf Mayer und Stefan Laur.

Nicht nur den Honig als Ertrag zu ernten sei etwas Besonderes, auch die Ruhe und Entspannun­g, wenn man mit Bienen arbeitet. „Die mögen keinen Stress und spüren das. Man fährt automatisc­h herunter, wird ganz ruhig. Es ist wie Urlaub bei den Bienen“, schmunzelt Stefan Laur, seit zwölf Jahren Imker. Rosmarie Bodenmille­r mit ihren mehr als 20 Jahren Erfahrung betont: „Es ist die Liebe zu diesen fleißigen Tierchen, denen wir großen Respekt zollen, und die wir gerne pflegen. Bienen geben den Menschen so viel und sie sind so wichtig für die Natur und unser Überleben.“

„Ich hab nur wenige Gläser Honig für den Eigenverbr­auch geerntet.“

 ?? FOTO: CARMEN NOTZ ?? Leutkirche­r Imker am Lehrbienen­stand des Imkerverei­ns beim Hasenheim(von links): Stefan Laur, Ralf Mayer, Manuel Harzenette­r, Rosmarie Bodenmille­r, Kreszentia Kämmerle und Marianne Kob.
FOTO: CARMEN NOTZ Leutkirche­r Imker am Lehrbienen­stand des Imkerverei­ns beim Hasenheim(von links): Stefan Laur, Ralf Mayer, Manuel Harzenette­r, Rosmarie Bodenmille­r, Kreszentia Kämmerle und Marianne Kob.

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