Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Unfälle von Tiertransportern sind selten
Was passiert, wenn es dennoch kracht, und warum Montag großer Kälbertag ist
WANGEN - Innerhalb kurzer Zeit gab es in der Region und im Umland mehrere Unfälle mit Tiertransportern: Anfang August kippte der Anhänger eines Schweinelasters auf der B 28 nahe Neu-Ulm um – fünf Tiere starben. Mitte August fiel ein Schwein in Aulendorf während der Fahrt aus einem Transporter und musste getötet werden. Und erst vor einigen Tagen kippte bei Herfatz ein mit Kälbern beladener Lkw-Anhänger um – hier verendeten zwölf Tiere. Ist die Häufung solcher Unglücke Zufall? Welche Aufgaben haben Amtstierärzte, wenn Tiere zu Schaden kommen? Und wie sind speziell die Kälbertransporte in unserer, von der Milchwirtschaft dominierten Gegend organisiert? Die Schwäbische Zeitung hat beim Kreisveterinäramt nachgehakt.
Dr. Peter Reithmeier arbeitet seit zehn Jahren im Veterinäramt des Landkreises Ravensburg und war davor praktizierender Tierarzt. Der stellvertretende Amtsleiter ist Sachgebietsleiter Tierschutz und wurde auch zum jüngsten Unfall mit einem Tiertransporter bei Herfatz gerufen, als ein mit Kälbern beladener Anhänger umkippte und zwölf Tiere starben.
Wie oft kommen Unfälle mit Tiertransportern vor?
Unfälle von Tiertransportern sind extrem selten, sagt Peter Reithmeier. „In den letzten Jahren ist mir da in der Region nichts bekannt.“Die beiden Unfälle in Aulendorf und bei Herfatz bezeichnet der Kreisveterinär deshalb als „ungewöhnliche Häufung“.
Welche Aufgaben haben Veterinäre bei Unglücken mit Tieren?
Bei einem Unfall wie dem bei Herfatz werden laut Reithmeier bei Bedarf die Amtsveterinäre von den Einsatzkräften informiert, bei kleineren Unfällen könne auch ein praktizierender Tierarzt hinzukommen. Bei größeren Unglücken wie Bränden oder Unfällen (Überschwemmungseinsätze gab es hier noch nie), wo also viele Tiere zu Schaden kommen, gebe es für die Region sogar einen 50-köpfigen, sogenannten Veterinärzug, der Tiere gegebenenfalls wieder einfängt, behandelt oder wenn nötig tötet.
Wenn Peter Reithmeier an einen Unfallort kommt, macht er sich laut eigener Aussage zuerst ein Bild von der Lage. „Ich muss in kurzer Zeit Entscheidungen im Sinn der Tiere treffen, also was mit ihnen passieren soll“, sagt der Kreisveterinär. Wie stark sind die Verletzungen? Kann ein Tier noch therapiert werden? Oder ist es besser, wenn es von seinem Leiden erlöst wird? Solche Fragen seien dann zügig zu klären. Wenn Tiere umgeladen werden müssen, regeln Reithmeier & Co. außerdem die Unterbringung.
Zusammen mit der Polizei gelte es zudem zu prüfen, ob die Fahrzeuge technisch und von den gesetzlichen Vorgaben her die Voraussetzungen für Tiertransporte erfüllen. Überprüft werde auch, ob die Fahrer die erforderlichen Schulungen vorweisen können und ob die nötigen
Papiere und Dokumente für die Tiere vorhanden sind.
Wie werden in der Region speziell die Kälber transportiert?
„Der Montag ist großer Kälbertag“, sagt Peter Reithmeier. Das heiße: An diesem Wochentag holen Tiertransporter die wenige Wochen alten Bullenoder nicht zur Zucht vorgesehenen weiblichen Kälber von den hiesigen Milchviehbetrieben und bringen sie zu den beiden Sammelstellen in der Region. Dort würden diese nach Kundenwunsch zusammengestellt, noch einmal getränkt und dann der allergrößte Teil zu den großen Mastbetrieben im Norden Deutschlands abtransportiert.
Auch der Tiertransporter, der bei Herfatz umkippte, war auf dem Weg zu einer solchen Sammelstelle, sagt Reithmeier. Er habe in der Zugmaschine und im Anhänger rund 160 Kälber geladen gehabt. Diese seien auf drei, mit Hubböden versehenen Etagen untergebracht gewesen. Jedem der Jungkälber stünde laut Vorschriften eine Fläche von mindestens 0,4 Quadratmeter zur Verfügung. Je nach Länge der Fahrzeuge würden auch über 200 Kälber in solche Tiertransporter passen.
„Jeden Montag werden von hier gut 1000 Kälber für die Mast weggefahren“, weiß der Amtsveterinär. Das seien also im Jahr rund 50 000 Tiere, die zu den besagten Sammelstellen gebracht werden. Und Reithmeier hat noch weitere Zahlen parat: In Deutschland werden jede Woche 70 000 Kälber geboren. Im Kreis Ravensburg gebe es zudem einen Bestand von etwa 70 000 Milchkühen und ebenso vielen Tieren in der Nachzucht.
Werden Tiertransporte regelmäßig kontrolliert?
Es gibt Schwerpunktkontrollen von Tiertransporten. Die Polizei spricht von „zwei konzertierten Aktionen im Halbjahr mit den jeweils zuständigen Veterinärämtern“im Präsidiumsbereich Ravensburg. Die Schwerpunktkontrollen kann Peter Reithmeier bestätigen, nennt in diesem Zug aber zwei andere Tätigkeiten, die vom Zeitaufwand her seine Arbeit bestimmen. So muss ein Amtstierarzt den Gesundheitszustand und die Transportfähigkeit von jedem Tier überprüfen, das ins Ausland geht. Außerdem ist der Kreisveterinär bei Märkten und Versteigerungen dabei, um die dortigen Tiere zu beobachten.
Regionale Erzeuger und Transportwege: Was sagt dazu der Kreisveterinär?
Wer hier in Hofläden oder beim örtlichen Metzger Fleisch kauft, kann laut Reithmeier grundsätzlich davon ausgehen, dass das Tier auch in der Gegend geschlachtet wurde, beispielsweise in den Schlachthöfen Mengen, Kempten, Ulm oder in einer kleineren Hausschlachterei in der Region. Schlachtkühe oder -bullen kämen so ohne längere Transportwege vom Erzeuger. Kälber würden in der Regel erst im Alter von neun bis zwölf Monaten geschlachtet. Dass das nach dieser Zeit von den hier geborenen Kälbern, die in die großen Mastbetriebe im Norden gefahren wurden, gewonnene Kalbfleisch wieder in der örtlichen Verkaufstheke landet, hält Reithmeier für wenig wahrscheinlich. Wenn überhaupt, dann bei Discountern oder Supermärkten.