Schwäbische Zeitung (Leutkirch / Isny / Bad Wurzach)
Die Ampel rückt näher
SPD, Grüne und FDP streben Koalition an – Kritik von Wirtschaft und Umweltverbänden
BERLIN (dpa/AFP/epd) - SPD, Grüne und FDP steuern knapp drei Wochen nach der Bundestagswahl auf Koalitionsverhandlungen für eine AmpelRegierung zu. „Wir sind davon überzeugt, dass wir einen ambitionierten und tragfähigen Koalitionsvertrag schließen können“, erklärten die drei Parteien in einem gemeinsamen Papier zum Ergebnis ihrer bisherigen Sondierungsgespräche. Der SPDVorstand votierte noch am Freitag einstimmig für Verhandlungen. Bei den Grünen soll ein Kleiner Parteitag am Sonntag entscheiden, die FDPFührung dann am Montag.
SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz sagte in Berlin, es sei „ein Aufbruch möglich, getragen von den drei Parteien, die hier zusammenkommen“. Er hob als sehr „wohltuend“hervor, wie vertrauensvoll die Sondierungsgespräche
Wie der Klimawandel den Wald der Zukunft verändern wird
verlaufen seien. FDP-Chef Christian Lindner sagte, er sei überzeugt, „dass es lange Zeit keine vergleichbare Chance gegeben hat, Gesellschaft, Wirtschaft und Staat zu modernisieren“. Grünen-Chefin Annalena Baerbock betonte, dass das Land Erneuerung brauche und keinen „kleinsten gemeinsamen Nenner“. Bei drei Parteien sei wichtig, „dass jeder auch mal was gibt“.
In dem zwölfseitigen Sondierungspapier finden sich bereits in mehreren Streitpunkten Kompromisse. Der Mindestlohn soll auf zwölf Euro pro Stunde steigen. An die Stelle von Hartz IV soll ein „Bürgergeld“treten. Das Rentenniveau soll bei 48 Prozent stabil gehalten werden. Zudem wollen die AmpelParteien den Einstieg in eine teilweise Kapitaldeckung der gesetzlichen
Rente schaffen. Zur Unterstützung von Kindern in armen Familien soll eine Kindergrundsicherung geschaffen werden. Die Anstrengungen beim Klimaschutz sollen verstärkt werden. Der Kohleausstieg soll „idealerweise“auf 2030 vorgezogen werden. Das Aus für den fossilen Verbrennermotor soll vor 2035 kommen – ein genaues Jahr nennt das Papier nicht. Ein Tempolimit soll es indes nicht geben. Ihre Pläne wollen die drei Parteien unter Berücksichtigung der Schuldenbremse umsetzen. Neue Substanzsteuern sollen nicht eingeführt werden, dies betrifft etwa die Vermögensteuer. Einkommen-, Unternehmen- oder Mehrwertsteuer sollen nicht erhöht werden.
Die deutschen Umweltverbände sehen die Sondierungsergebnisse mit gemischten Gefühlen. „Den Kohleausstieg
möglichst auf 2030 vorzuziehen und erneuerbare Energien auszubauen, sind richtige Ansätze, die jetzt auch umgesetzt werden müssen“, erklärte Greenpeace-Vorstand Martin Kaiser am Freitag. Er kritisierte aber Unklarheiten hinsichtlich der Abkehr von Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor sowie den Verzicht auf ein generelles Tempolimit auf Autobahnen.
Kritik kam auch von der Wirtschaft. Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger kritisierte die Pläne, den Mindestlohn von derzeit 9,60 Euro auf zwölf Euro zu erhöhen. Dass die Mindestlohnkommission ausgehebelt werden soll, sei ein schwerer Eingriff in die Tarifautonomie, sagte Dulger in Berlin. Für die Firmen wären diese zwölf Euro „brandgefährlich“.